Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

setzt die Wallfischrippen auf die Wiesen, weil sich das
Vieh gern daran reibt.

Bei Gelegenheit, daß wir beim Hochgericht vorbei-
fuhren, erfuhr ich, daß auch in dieser Stadt noch vor
kurzem Sodomiten vorm Rathhause mit Dampf erstickt
und sodann hierher ins Wasser gebracht worden sind.

Sardam oder Zardam ist ein grosses, und ohn-
streitig das schönste und reichste Dorf, gegen das die be-
sten in Deutschland nichts als ein Haufen armseliger
Hütten sind. Die Zaan fließt mitten durch. Zu bei-
den Seiten hinab ist das Dorf 3. Stunden lang. Man
unterscheidet Sardam, Coch und Sandyck, es ist
aber eins. Die Einwohner nennt man nur Bauern, sie
sind aber Herren von 2. 3. 4. Mühlen, haben Fabri-
ken, treiben Handel, kommen in Amsterdam auf die
Börse, sprechen von 50. von 100,000. Gulden, als wenns
Kleinigkeiten wären, haben alle die schönsten fürstlichen
Tapeten in den Häusern, herrliche Gärten, Statuen,
Springbrunnen etc. Sie gehen nur in schwarzen Ka-
misölern mit Bauerhüten, die Herren von Amsterdam
aber machen ihnen sehr grosse Komplimente *).

Rings um den Ort herum stehen an die 2 - 3000.
Mühlen. Es wird Thran hier gesotten, Oel geschla-
gen, Papier, Leim, Pulver u. s. m. gemacht. Fast
alle Tage geht der Eigenthümer auf seine Mühle und hält

zu
*) Die Leute haben hier fast alle wenig Zähne im Munde,
sonderlich die Weibsleute. Man schreibts der Luft
auf der Insel zu.

ſetzt die Wallfiſchrippen auf die Wieſen, weil ſich das
Vieh gern daran reibt.

Bei Gelegenheit, daß wir beim Hochgericht vorbei-
fuhren, erfuhr ich, daß auch in dieſer Stadt noch vor
kurzem Sodomiten vorm Rathhauſe mit Dampf erſtickt
und ſodann hierher ins Waſſer gebracht worden ſind.

Sardam oder Zardam iſt ein groſſes, und ohn-
ſtreitig das ſchoͤnſte und reichſte Dorf, gegen das die be-
ſten in Deutſchland nichts als ein Haufen armſeliger
Huͤtten ſind. Die Zaan fließt mitten durch. Zu bei-
den Seiten hinab iſt das Dorf 3. Stunden lang. Man
unterſcheidet Sardam, Coch und Sandyck, es iſt
aber eins. Die Einwohner nennt man nur Bauern, ſie
ſind aber Herren von 2. 3. 4. Muͤhlen, haben Fabri-
ken, treiben Handel, kommen in Amſterdam auf die
Boͤrſe, ſprechen von 50. von 100,000. Gulden, als wenns
Kleinigkeiten waͤren, haben alle die ſchoͤnſten fuͤrſtlichen
Tapeten in den Haͤuſern, herrliche Gaͤrten, Statuen,
Springbrunnen ꝛc. Sie gehen nur in ſchwarzen Ka-
miſoͤlern mit Bauerhuͤten, die Herren von Amſterdam
aber machen ihnen ſehr groſſe Komplimente *).

Rings um den Ort herum ſtehen an die 2 ‒ 3000.
Muͤhlen. Es wird Thran hier geſotten, Oel geſchla-
gen, Papier, Leim, Pulver u. ſ. m. gemacht. Faſt
alle Tage geht der Eigenthuͤmer auf ſeine Muͤhle und haͤlt

zu
*) Die Leute haben hier faſt alle wenig Zaͤhne im Munde,
ſonderlich die Weibsleute. Man ſchreibts der Luft
auf der Inſel zu.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0596" n="572"/>
&#x017F;etzt die Wallfi&#x017F;chrippen auf die Wie&#x017F;en, weil &#x017F;ich das<lb/>
Vieh gern daran reibt.</p><lb/>
          <p>Bei Gelegenheit, daß wir beim Hochgericht vorbei-<lb/>
fuhren, erfuhr ich, daß auch in die&#x017F;er Stadt noch vor<lb/>
kurzem <hi rendition="#fr">Sodomiten</hi> vorm Rathhau&#x017F;e mit Dampf er&#x017F;tickt<lb/>
und &#x017F;odann hierher ins Wa&#x017F;&#x017F;er gebracht worden &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Sardam</hi> oder <hi rendition="#fr">Zardam</hi> i&#x017F;t ein gro&#x017F;&#x017F;es, und ohn-<lb/>
&#x017F;treitig das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te und reich&#x017F;te Dorf, gegen das die be-<lb/>
&#x017F;ten in <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chland</hi> nichts als ein Haufen arm&#x017F;eliger<lb/>
Hu&#x0364;tten &#x017F;ind. Die <hi rendition="#fr">Zaan</hi> fließt mitten durch. Zu bei-<lb/>
den Seiten hinab i&#x017F;t das Dorf 3. Stunden lang. Man<lb/>
unter&#x017F;cheidet <hi rendition="#fr">Sardam, Coch</hi> und <hi rendition="#fr">Sandyck,</hi> es i&#x017F;t<lb/>
aber eins. Die Einwohner nennt man nur Bauern, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind aber Herren von 2. 3. 4. Mu&#x0364;hlen, haben Fabri-<lb/>
ken, treiben Handel, kommen in <hi rendition="#fr">Am&#x017F;terdam</hi> auf die<lb/>
Bo&#x0364;r&#x017F;e, &#x017F;prechen von 50. von 100,000. Gulden, als wenns<lb/>
Kleinigkeiten wa&#x0364;ren, haben alle die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
Tapeten in den Ha&#x0364;u&#x017F;ern, herrliche Ga&#x0364;rten, Statuen,<lb/>
Springbrunnen &#xA75B;c. Sie gehen nur in &#x017F;chwarzen Ka-<lb/>
mi&#x017F;o&#x0364;lern mit Bauerhu&#x0364;ten, die Herren von <hi rendition="#fr">Am&#x017F;terdam</hi><lb/>
aber machen ihnen &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e Komplimente <note place="foot" n="*)">Die Leute haben hier fa&#x017F;t alle wenig Za&#x0364;hne im Munde,<lb/>
&#x017F;onderlich die Weibsleute. Man &#x017F;chreibts der Luft<lb/>
auf der In&#x017F;el zu.</note>.</p><lb/>
          <p>Rings um den Ort herum &#x017F;tehen an die 2 &#x2012; 3000.<lb/>
Mu&#x0364;hlen. Es wird <hi rendition="#fr">Thran</hi> hier ge&#x017F;otten, Oel ge&#x017F;chla-<lb/>
gen, Papier, Leim, Pulver u. &#x017F;. m. gemacht. Fa&#x017F;t<lb/>
alle Tage geht der Eigenthu&#x0364;mer auf &#x017F;eine Mu&#x0364;hle und ha&#x0364;lt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0596] ſetzt die Wallfiſchrippen auf die Wieſen, weil ſich das Vieh gern daran reibt. Bei Gelegenheit, daß wir beim Hochgericht vorbei- fuhren, erfuhr ich, daß auch in dieſer Stadt noch vor kurzem Sodomiten vorm Rathhauſe mit Dampf erſtickt und ſodann hierher ins Waſſer gebracht worden ſind. Sardam oder Zardam iſt ein groſſes, und ohn- ſtreitig das ſchoͤnſte und reichſte Dorf, gegen das die be- ſten in Deutſchland nichts als ein Haufen armſeliger Huͤtten ſind. Die Zaan fließt mitten durch. Zu bei- den Seiten hinab iſt das Dorf 3. Stunden lang. Man unterſcheidet Sardam, Coch und Sandyck, es iſt aber eins. Die Einwohner nennt man nur Bauern, ſie ſind aber Herren von 2. 3. 4. Muͤhlen, haben Fabri- ken, treiben Handel, kommen in Amſterdam auf die Boͤrſe, ſprechen von 50. von 100,000. Gulden, als wenns Kleinigkeiten waͤren, haben alle die ſchoͤnſten fuͤrſtlichen Tapeten in den Haͤuſern, herrliche Gaͤrten, Statuen, Springbrunnen ꝛc. Sie gehen nur in ſchwarzen Ka- miſoͤlern mit Bauerhuͤten, die Herren von Amſterdam aber machen ihnen ſehr groſſe Komplimente *). Rings um den Ort herum ſtehen an die 2 ‒ 3000. Muͤhlen. Es wird Thran hier geſotten, Oel geſchla- gen, Papier, Leim, Pulver u. ſ. m. gemacht. Faſt alle Tage geht der Eigenthuͤmer auf ſeine Muͤhle und haͤlt zu *) Die Leute haben hier faſt alle wenig Zaͤhne im Munde, ſonderlich die Weibsleute. Man ſchreibts der Luft auf der Inſel zu.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/596
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/596>, abgerufen am 18.04.2024.