Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne Fackeln und Wegweiser verirren könnte. Man
sieht überall die Eingänge, wie die Löcher zum Avernus.
Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel-
art auf die Felder. Weil unten alles ausgehöhlt ist;
so stürzt sehr oft in einer Nacht ein grosses Stück vom
obern Berge ein, so daß die Bauern die Aecker suchen
müssen. Man begegnet oben überall solchen eingesunke-
nen Feldern. Man baut dann Küchengewächse darauf,
wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man
hinein, so ists sehr kühl darin, und die Gänge ziehen sich
krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges
wohnen, brauchen diese Hölen als Behältnisse für ihr
Heu etc. Das sonderbarste aber ist, daß dieser Stein,
wenn er viel tragen und lange dauern soll, grade so wie-
der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat.
Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori-
zontale Fläche jedes Stücks ein Kreuz. Legt man ihn
wieder so, so dauert er unendlich, und trägt Fortifikatio-
nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; so trägt
er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite
des Bergs fliest die Maaß, und da ist der Berg mit
Versteinerungen und Kieseln angefüllt.

Auf diesem Berge blickt ich schon wieder von weitem
auf die geliebten Fluren Deutschlands hin, und bewill-
kommte sie mit patriotischer Freude.

Den Rest des Tags brachte ich mit meinem Freunde
Monachon hin. Hofmann's Versteinerungskabinet
war nicht zu sehen. -- Wir waren im Blumengärt-
chen, und sprachen -- wovon? Ach ja, von Pflanzen
und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem
Freunde und seiner vernünftigen Gattin in meine Au-

berge
Q q

ohne Fackeln und Wegweiſer verirren koͤnnte. Man
ſieht uͤberall die Eingaͤnge, wie die Loͤcher zum Avernus.
Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel-
art auf die Felder. Weil unten alles ausgehoͤhlt iſt;
ſo ſtuͤrzt ſehr oft in einer Nacht ein groſſes Stuͤck vom
obern Berge ein, ſo daß die Bauern die Aecker ſuchen
muͤſſen. Man begegnet oben uͤberall ſolchen eingeſunke-
nen Feldern. Man baut dann Kuͤchengewaͤchſe darauf,
wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man
hinein, ſo iſts ſehr kuͤhl darin, und die Gaͤnge ziehen ſich
krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges
wohnen, brauchen dieſe Hoͤlen als Behaͤltniſſe fuͤr ihr
Heu ꝛc. Das ſonderbarſte aber iſt, daß dieſer Stein,
wenn er viel tragen und lange dauern ſoll, grade ſo wie-
der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat.
Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori-
zontale Flaͤche jedes Stuͤcks ein Kreuz. Legt man ihn
wieder ſo, ſo dauert er unendlich, und traͤgt Fortifikatio-
nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; ſo traͤgt
er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite
des Bergs flieſt die Maaß, und da iſt der Berg mit
Verſteinerungen und Kieſeln angefuͤllt.

Auf dieſem Berge blickt ich ſchon wieder von weitem
auf die geliebten Fluren Deutſchlands hin, und bewill-
kommte ſie mit patriotiſcher Freude.

Den Reſt des Tags brachte ich mit meinem Freunde
Monachon hin. Hofmann’s Verſteinerungskabinet
war nicht zu ſehen. — Wir waren im Blumengaͤrt-
chen, und ſprachen — wovon? Ach ja, von Pflanzen
und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem
Freunde und ſeiner vernuͤnftigen Gattin in meine Au-

berge
Q q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0633" n="609"/>
ohne Fackeln und Wegwei&#x017F;er verirren ko&#x0364;nnte. Man<lb/>
&#x017F;ieht u&#x0364;berall die Einga&#x0364;nge, wie die Lo&#x0364;cher zum <hi rendition="#aq">Avernus.</hi><lb/>
Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel-<lb/>
art auf die Felder. Weil unten alles ausgeho&#x0364;hlt i&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tu&#x0364;rzt &#x017F;ehr oft in einer Nacht ein gro&#x017F;&#x017F;es Stu&#x0364;ck vom<lb/>
obern Berge ein, &#x017F;o daß die Bauern die Aecker &#x017F;uchen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Man begegnet oben u&#x0364;berall &#x017F;olchen einge&#x017F;unke-<lb/>
nen Feldern. Man baut dann Ku&#x0364;chengewa&#x0364;ch&#x017F;e darauf,<lb/>
wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man<lb/>
hinein, &#x017F;o i&#x017F;ts &#x017F;ehr ku&#x0364;hl darin, und die Ga&#x0364;nge ziehen &#x017F;ich<lb/>
krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges<lb/>
wohnen, brauchen die&#x017F;e Ho&#x0364;len als Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r ihr<lb/>
Heu &#xA75B;c. Das &#x017F;onderbar&#x017F;te aber i&#x017F;t, daß die&#x017F;er Stein,<lb/>
wenn er viel tragen und lange dauern &#x017F;oll, grade &#x017F;o wie-<lb/>
der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat.<lb/>
Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori-<lb/>
zontale Fla&#x0364;che jedes Stu&#x0364;cks ein Kreuz. Legt man ihn<lb/>
wieder &#x017F;o, &#x017F;o dauert er unendlich, und tra&#x0364;gt Fortifikatio-<lb/>
nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; &#x017F;o tra&#x0364;gt<lb/>
er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite<lb/>
des Bergs flie&#x017F;t die <hi rendition="#fr">Maaß,</hi> und da i&#x017F;t der Berg mit<lb/>
Ver&#x017F;teinerungen und Kie&#x017F;eln angefu&#x0364;llt.</p><lb/>
            <p>Auf die&#x017F;em Berge blickt ich &#x017F;chon wieder von weitem<lb/>
auf die geliebten Fluren <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chlands</hi> hin, und bewill-<lb/>
kommte &#x017F;ie mit patrioti&#x017F;cher Freude.</p><lb/>
            <p>Den Re&#x017F;t des Tags brachte ich mit meinem Freunde<lb/>
Monachon hin. <hi rendition="#fr">Hofmann&#x2019;s</hi> Ver&#x017F;teinerungskabinet<lb/>
war nicht zu &#x017F;ehen. &#x2014; Wir waren im Blumenga&#x0364;rt-<lb/>
chen, und &#x017F;prachen &#x2014; wovon? Ach ja, von Pflanzen<lb/>
und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem<lb/>
Freunde und &#x017F;einer vernu&#x0364;nftigen Gattin in meine Au-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q</fw><fw place="bottom" type="catch">berge</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[609/0633] ohne Fackeln und Wegweiſer verirren koͤnnte. Man ſieht uͤberall die Eingaͤnge, wie die Loͤcher zum Avernus. Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel- art auf die Felder. Weil unten alles ausgehoͤhlt iſt; ſo ſtuͤrzt ſehr oft in einer Nacht ein groſſes Stuͤck vom obern Berge ein, ſo daß die Bauern die Aecker ſuchen muͤſſen. Man begegnet oben uͤberall ſolchen eingeſunke- nen Feldern. Man baut dann Kuͤchengewaͤchſe darauf, wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man hinein, ſo iſts ſehr kuͤhl darin, und die Gaͤnge ziehen ſich krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges wohnen, brauchen dieſe Hoͤlen als Behaͤltniſſe fuͤr ihr Heu ꝛc. Das ſonderbarſte aber iſt, daß dieſer Stein, wenn er viel tragen und lange dauern ſoll, grade ſo wie- der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat. Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori- zontale Flaͤche jedes Stuͤcks ein Kreuz. Legt man ihn wieder ſo, ſo dauert er unendlich, und traͤgt Fortifikatio- nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; ſo traͤgt er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite des Bergs flieſt die Maaß, und da iſt der Berg mit Verſteinerungen und Kieſeln angefuͤllt. Auf dieſem Berge blickt ich ſchon wieder von weitem auf die geliebten Fluren Deutſchlands hin, und bewill- kommte ſie mit patriotiſcher Freude. Den Reſt des Tags brachte ich mit meinem Freunde Monachon hin. Hofmann’s Verſteinerungskabinet war nicht zu ſehen. — Wir waren im Blumengaͤrt- chen, und ſprachen — wovon? Ach ja, von Pflanzen und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem Freunde und ſeiner vernuͤnftigen Gattin in meine Au- berge Q q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/633
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/633>, abgerufen am 19.04.2024.