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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Fast immer gehen die vornehmen Frauenzimmer
hier mit einem dünnen Stock in der Hand, der schlank,
und lang seyn muß. Sie tragen ihn auch, wenn sie
ein Chapeau am andern Arme führt. Sie haben ihn
in der Chaise neben sich stehen.

Eine unzählbare Menge Hunde gibts auch hier,
von allen Farben, Gestalten und Figuren. Es ist un-
glaublich, wie die Leute hier sich von Jugend auf an
diese Thiere gewöhnen. Jeder junge Mensch muß einen
haben, der liegt des Nachts bei ihm im Bett, und am
Tage auf dem Bett oder auf den Stühlen etc. Die
Franzosen können sich ganze Stunden lang mit ihren
Hunden unterhalten. Manche dieser Geschöpfe bekom-
men des Morgens Chokolade. Ich sah einen, der sei-
nem Hunde Wein in Hals schüttete, und sagte: es wäre
sein Geld, er könne damit thun, was er wolle. Nach
einer gemachten Ueberzählung gibts über 8000. Hunde
in Paris Ach, und wie viele Menschen in Ludwig's
Königreiche haben das tägliche Brod nicht, das Gott
doch nicht für Hunde und Pferde wachsen läßt! Doch
sah ich in Versailles hier und da, Königl. Befehle gegen
das überflüssige Hundehalten angeschlagen, aber man
achtet nicht drauf. Die Franzosen lachen über laut, wenn
man sagt, "sehen Sie da des Königs Verbot" und auch
bei andern Gelegenheiten zeigen sie wenig Achtung für
die Gesetze. Sie prahlen mit dem Königl. Staat ge-
gen die Fremden, und erheben ihren Monarchen aufs
höchste, aber der Gehorsam fehlt. Eben so arg sind
die Frauenzimmer auf die Hunde verpicht. Selten hält
eine Damenkarosse, wo der Kutscher nicht den Hund erst
herausheben muß. Es sind kleine grimmige Geschöpfe,

die

Faſt immer gehen die vornehmen Frauenzimmer
hier mit einem duͤnnen Stock in der Hand, der ſchlank,
und lang ſeyn muß. Sie tragen ihn auch, wenn ſie
ein Chapeau am andern Arme fuͤhrt. Sie haben ihn
in der Chaiſe neben ſich ſtehen.

Eine unzaͤhlbare Menge Hunde gibts auch hier,
von allen Farben, Geſtalten und Figuren. Es iſt un-
glaublich, wie die Leute hier ſich von Jugend auf an
dieſe Thiere gewoͤhnen. Jeder junge Menſch muß einen
haben, der liegt des Nachts bei ihm im Bett, und am
Tage auf dem Bett oder auf den Stuͤhlen ꝛc. Die
Franzoſen koͤnnen ſich ganze Stunden lang mit ihren
Hunden unterhalten. Manche dieſer Geſchoͤpfe bekom-
men des Morgens Chokolade. Ich ſah einen, der ſei-
nem Hunde Wein in Hals ſchuͤttete, und ſagte: es waͤre
ſein Geld, er koͤnne damit thun, was er wolle. Nach
einer gemachten Ueberzaͤhlung gibts uͤber 8000. Hunde
in Paris Ach, und wie viele Menſchen in Ludwig’s
Koͤnigreiche haben das taͤgliche Brod nicht, das Gott
doch nicht fuͤr Hunde und Pferde wachſen laͤßt! Doch
ſah ich in Verſailles hier und da, Koͤnigl. Befehle gegen
das uͤberfluͤſſige Hundehalten angeſchlagen, aber man
achtet nicht drauf. Die Franzoſen lachen uͤber laut, wenn
man ſagt, „ſehen Sie da des Koͤnigs Verbot“ und auch
bei andern Gelegenheiten zeigen ſie wenig Achtung fuͤr
die Geſetze. Sie prahlen mit dem Koͤnigl. Staat ge-
gen die Fremden, und erheben ihren Monarchen aufs
hoͤchſte, aber der Gehorſam fehlt. Eben ſo arg ſind
die Frauenzimmer auf die Hunde verpicht. Selten haͤlt
eine Damenkaroſſe, wo der Kutſcher nicht den Hund erſt
herausheben muß. Es ſind kleine grimmige Geſchoͤpfe,

die
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[46/0070] Faſt immer gehen die vornehmen Frauenzimmer hier mit einem duͤnnen Stock in der Hand, der ſchlank, und lang ſeyn muß. Sie tragen ihn auch, wenn ſie ein Chapeau am andern Arme fuͤhrt. Sie haben ihn in der Chaiſe neben ſich ſtehen. Eine unzaͤhlbare Menge Hunde gibts auch hier, von allen Farben, Geſtalten und Figuren. Es iſt un- glaublich, wie die Leute hier ſich von Jugend auf an dieſe Thiere gewoͤhnen. Jeder junge Menſch muß einen haben, der liegt des Nachts bei ihm im Bett, und am Tage auf dem Bett oder auf den Stuͤhlen ꝛc. Die Franzoſen koͤnnen ſich ganze Stunden lang mit ihren Hunden unterhalten. Manche dieſer Geſchoͤpfe bekom- men des Morgens Chokolade. Ich ſah einen, der ſei- nem Hunde Wein in Hals ſchuͤttete, und ſagte: es waͤre ſein Geld, er koͤnne damit thun, was er wolle. Nach einer gemachten Ueberzaͤhlung gibts uͤber 8000. Hunde in Paris Ach, und wie viele Menſchen in Ludwig’s Koͤnigreiche haben das taͤgliche Brod nicht, das Gott doch nicht fuͤr Hunde und Pferde wachſen laͤßt! Doch ſah ich in Verſailles hier und da, Koͤnigl. Befehle gegen das uͤberfluͤſſige Hundehalten angeſchlagen, aber man achtet nicht drauf. Die Franzoſen lachen uͤber laut, wenn man ſagt, „ſehen Sie da des Koͤnigs Verbot“ und auch bei andern Gelegenheiten zeigen ſie wenig Achtung fuͤr die Geſetze. Sie prahlen mit dem Koͤnigl. Staat ge- gen die Fremden, und erheben ihren Monarchen aufs hoͤchſte, aber der Gehorſam fehlt. Eben ſo arg ſind die Frauenzimmer auf die Hunde verpicht. Selten haͤlt eine Damenkaroſſe, wo der Kutſcher nicht den Hund erſt herausheben muß. Es ſind kleine grimmige Geſchoͤpfe, die

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/70>, abgerufen am 29.03.2024.