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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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französisches Gebet, und -- denn das hat man hier
auch eingeführt, -- die Absolution; dann ward ein
schöner französischer Gesang über den 19. Psalm, und auch
recht schön, gesungen. Weil es die Melodie war:
"Solt ich meinen Gett nicht lieben?" so sangen ihn die
Deutschen, die kein Französisch verstanden, auch mit,
und Baer, der den französischen Gesang allemahl an-
kündigte, sagte auch den Deutschen jenes Lied. Man
theilte auch beide Gesangbücher aus. Das bisherübli-
che deutsche ist das Darmstädtische für die Grafschaft
Hanau-Lichtenberg. Nach den 4. ersten Versen
ward das französische Evangelium von der Kanzel verle-
sen, denn nach der Absolution setzte sich Baer gleich auf
die Kanzel, wie in Strasburg, und hatte eine Bibel
in gros Folio bei sich. Nach dem Verlesen sang man
wieder 4. Verse aus dem vorigen Liede, dann las er die
Epistel Röm XI. 30. etc. und fing die Predigt mit dem
lauten Notre pere etc. an, wobei alles aufstand. Im
Eingang gab er folgenden Zusammenhang an: -- "die
"Juden wären von Gott blos deswegen unterschieden ge-
"wesen, damit die Genealogie des Messias solte erhalten
"werden;" -- und dann kam er überhaupt auf die Dun-
kelheiten bei den Wegen der Vorsehung, und auf die da-
her entstandenen Irrthümer. Er predigte von der Vorse-
hung; I) daß eine sei; II) unsre Pflichten dabei. Den
ersten Theil nahm er aus den Worten: De lui, par lui,
et pour lui sont toutes les choses etc.
Er rech-
nete zur Vorsehung, a) Schöpfung, dazu mußte sich
das Wort de lui brauchen lassen, da wurde der Jude
Spinoza herbeigeholt und abgefertigt. Er sagte auch,
daß man ja die mosaische Schöpfungsgeschichte nicht von
der ganzen Welt verstehen sollte. b) Erhaltung, das

lag

franzoͤſiſches Gebet, und — denn das hat man hier
auch eingefuͤhrt, — die Abſolution; dann ward ein
ſchoͤner franzoͤſiſcher Geſang uͤber den 19. Pſalm, und auch
recht ſchoͤn, geſungen. Weil es die Melodie war:
„Solt ich meinen Gett nicht lieben?“ ſo ſangen ihn die
Deutſchen, die kein Franzoͤſiſch verſtanden, auch mit,
und Baer, der den franzoͤſiſchen Geſang allemahl an-
kuͤndigte, ſagte auch den Deutſchen jenes Lied. Man
theilte auch beide Geſangbuͤcher aus. Das bisheruͤbli-
che deutſche iſt das Darmſtaͤdtiſche fuͤr die Grafſchaft
Hanau-Lichtenberg. Nach den 4. erſten Verſen
ward das franzoͤſiſche Evangelium von der Kanzel verle-
ſen, denn nach der Abſolution ſetzte ſich Baer gleich auf
die Kanzel, wie in Strasburg, und hatte eine Bibel
in gros Folio bei ſich. Nach dem Verleſen ſang man
wieder 4. Verſe aus dem vorigen Liede, dann las er die
Epiſtel Roͤm XI. 30. ꝛc. und fing die Predigt mit dem
lauten Notre père etc. an, wobei alles aufſtand. Im
Eingang gab er folgenden Zuſammenhang an: — „die
„Juden waͤren von Gott blos deswegen unterſchieden ge-
„weſen, damit die Genealogie des Meſſias ſolte erhalten
„werden;“ — und dann kam er uͤberhaupt auf die Dun-
kelheiten bei den Wegen der Vorſehung, und auf die da-
her entſtandenen Irrthuͤmer. Er predigte von der Vorſe-
hung; I) daß eine ſei; II) unſre Pflichten dabei. Den
erſten Theil nahm er aus den Worten: De lui, par lui,
et pour lui ſont toutes les choſes etc.
Er rech-
nete zur Vorſehung, a) Schoͤpfung, dazu mußte ſich
das Wort de lui brauchen laſſen, da wurde der Jude
Spinoza herbeigeholt und abgefertigt. Er ſagte auch,
daß man ja die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte nicht von
der ganzen Welt verſtehen ſollte. b) Erhaltung, das

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[66/0090] franzoͤſiſches Gebet, und — denn das hat man hier auch eingefuͤhrt, — die Abſolution; dann ward ein ſchoͤner franzoͤſiſcher Geſang uͤber den 19. Pſalm, und auch recht ſchoͤn, geſungen. Weil es die Melodie war: „Solt ich meinen Gett nicht lieben?“ ſo ſangen ihn die Deutſchen, die kein Franzoͤſiſch verſtanden, auch mit, und Baer, der den franzoͤſiſchen Geſang allemahl an- kuͤndigte, ſagte auch den Deutſchen jenes Lied. Man theilte auch beide Geſangbuͤcher aus. Das bisheruͤbli- che deutſche iſt das Darmſtaͤdtiſche fuͤr die Grafſchaft Hanau-Lichtenberg. Nach den 4. erſten Verſen ward das franzoͤſiſche Evangelium von der Kanzel verle- ſen, denn nach der Abſolution ſetzte ſich Baer gleich auf die Kanzel, wie in Strasburg, und hatte eine Bibel in gros Folio bei ſich. Nach dem Verleſen ſang man wieder 4. Verſe aus dem vorigen Liede, dann las er die Epiſtel Roͤm XI. 30. ꝛc. und fing die Predigt mit dem lauten Notre père etc. an, wobei alles aufſtand. Im Eingang gab er folgenden Zuſammenhang an: — „die „Juden waͤren von Gott blos deswegen unterſchieden ge- „weſen, damit die Genealogie des Meſſias ſolte erhalten „werden;“ — und dann kam er uͤberhaupt auf die Dun- kelheiten bei den Wegen der Vorſehung, und auf die da- her entſtandenen Irrthuͤmer. Er predigte von der Vorſe- hung; I) daß eine ſei; II) unſre Pflichten dabei. Den erſten Theil nahm er aus den Worten: De lui, par lui, et pour lui ſont toutes les choſes etc. Er rech- nete zur Vorſehung, a) Schoͤpfung, dazu mußte ſich das Wort de lui brauchen laſſen, da wurde der Jude Spinoza herbeigeholt und abgefertigt. Er ſagte auch, daß man ja die moſaiſche Schoͤpfungsgeſchichte nicht von der ganzen Welt verſtehen ſollte. b) Erhaltung, das lag

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/90>, abgerufen am 25.04.2024.