Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
Den 8ten Mai.

Dieser Tag war zur

Reise nach Esterhas

bestimmt.

Die fliegende Brücke an der Donau muß in
jeder Stunde zweimahl herüber. Der Fußgänger zahlt
gewöhnlich nichts, desto mehr aber Pferde und Wagen.
Wer also zu späte kommt, darf nicht länger als eine
halbe Stunde warten.

Der Himmelsstrich in Ungarn ist wirklich so be-
sonders, so kalt und windicht, daß man sich beständig
mit Pelzen versehen muß. Alle Ungarn haben und
tragen daher beständig Pelzkleider, Pelzkappen und noch
ganze Pelze darüber. In den Hundstagen reist niemand
in diesem Lande, ohne Pelze mitzunehmen, wegen den
kalten Abenden. Heute war ein schöner Tag, auf der
Donau spiegelte sich die Sonne im Wasser, aber kaum
ging der Wagen, so wehete von allen Seiten ein solcher
scharfer Wind, daß ich des Pelzes froh war, den mir
Hr. Hummel geliehen hatte, und den ganzen Tag brach-
te ich ihn nicht vom Leibe. Man kan auf der Stelle von
einem kalten Windstos einen Rheumatismus im ganzen
Körper bekommen.

Der Weg war keine Chaussee, sondern lief über
unabsehliche Weideplätze und breite Triften weg.

Das Erdreich ist schwarz von vielem Fett. Diese
ganze Gegend scheint ein einziges grosses Torfmoor zu seyn.

Man sieht Männer mit weit hinabhängenden Ma-
trosenhosen,
an welchen unten Bänder sind, mit wel-

chen
Den 8ten Mai.

Dieſer Tag war zur

Reiſe nach Eſterhas

beſtimmt.

Die fliegende Bruͤcke an der Donau muß in
jeder Stunde zweimahl heruͤber. Der Fußgaͤnger zahlt
gewoͤhnlich nichts, deſto mehr aber Pferde und Wagen.
Wer alſo zu ſpaͤte kommt, darf nicht laͤnger als eine
halbe Stunde warten.

Der Himmelsſtrich in Ungarn iſt wirklich ſo be-
ſonders, ſo kalt und windicht, daß man ſich beſtaͤndig
mit Pelzen verſehen muß. Alle Ungarn haben und
tragen daher beſtaͤndig Pelzkleider, Pelzkappen und noch
ganze Pelze daruͤber. In den Hundstagen reiſt niemand
in dieſem Lande, ohne Pelze mitzunehmen, wegen den
kalten Abenden. Heute war ein ſchoͤner Tag, auf der
Donau ſpiegelte ſich die Sonne im Waſſer, aber kaum
ging der Wagen, ſo wehete von allen Seiten ein ſolcher
ſcharfer Wind, daß ich des Pelzes froh war, den mir
Hr. Hummel geliehen hatte, und den ganzen Tag brach-
te ich ihn nicht vom Leibe. Man kan auf der Stelle von
einem kalten Windſtos einen Rheumatiſmus im ganzen
Koͤrper bekommen.

Der Weg war keine Chauſſee, ſondern lief uͤber
unabſehliche Weideplaͤtze und breite Triften weg.

Das Erdreich iſt ſchwarz von vielem Fett. Dieſe
ganze Gegend ſcheint ein einziges groſſes Torfmoor zu ſeyn.

Man ſieht Maͤnner mit weit hinabhaͤngenden Ma-
troſenhoſen,
an welchen unten Baͤnder ſind, mit wel-

chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0597" n="559"/>
          <div n="2">
            <head>Den 8ten Mai.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Tag war zur</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Rei&#x017F;e</hi> nach <hi rendition="#fr">E&#x017F;terhas</hi></hi> </hi> </p><lb/>
            <p>be&#x017F;timmt.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">fliegende Bru&#x0364;cke</hi> an der <hi rendition="#fr">Donau</hi> muß in<lb/>
jeder Stunde zweimahl heru&#x0364;ber. Der Fußga&#x0364;nger zahlt<lb/>
gewo&#x0364;hnlich nichts, de&#x017F;to mehr aber Pferde und Wagen.<lb/>
Wer al&#x017F;o zu &#x017F;pa&#x0364;te kommt, darf nicht la&#x0364;nger als eine<lb/>
halbe Stunde warten.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Himmels&#x017F;trich</hi> in <hi rendition="#fr">Ungarn</hi> i&#x017F;t wirklich &#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;onders, &#x017F;o kalt und windicht, daß man &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
mit Pelzen ver&#x017F;ehen muß. Alle <hi rendition="#fr">Ungarn</hi> haben und<lb/>
tragen daher be&#x017F;ta&#x0364;ndig Pelzkleider, Pelzkappen und noch<lb/>
ganze Pelze daru&#x0364;ber. In den Hundstagen rei&#x017F;t niemand<lb/>
in die&#x017F;em Lande, ohne Pelze mitzunehmen, wegen den<lb/>
kalten Abenden. Heute war ein &#x017F;cho&#x0364;ner Tag, auf der<lb/><hi rendition="#fr">Donau</hi> &#x017F;piegelte &#x017F;ich die Sonne im Wa&#x017F;&#x017F;er, aber kaum<lb/>
ging der Wagen, &#x017F;o wehete von allen Seiten ein &#x017F;olcher<lb/>
&#x017F;charfer Wind, daß ich des Pelzes froh war, den mir<lb/>
Hr. <hi rendition="#fr">Hummel</hi> geliehen hatte, und den ganzen Tag brach-<lb/>
te ich ihn nicht vom Leibe. Man kan auf der Stelle von<lb/>
einem kalten Wind&#x017F;tos einen Rheumati&#x017F;mus im ganzen<lb/>
Ko&#x0364;rper bekommen.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Weg</hi> war keine Chau&#x017F;&#x017F;ee, &#x017F;ondern lief u&#x0364;ber<lb/>
unab&#x017F;ehliche Weidepla&#x0364;tze und breite Triften weg.</p><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#fr">Erdreich</hi> i&#x017F;t &#x017F;chwarz von vielem Fett. Die&#x017F;e<lb/>
ganze Gegend &#x017F;cheint ein einziges gro&#x017F;&#x017F;es Torfmoor zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht Ma&#x0364;nner mit weit hinabha&#x0364;ngenden <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
tro&#x017F;enho&#x017F;en,</hi> an welchen unten Ba&#x0364;nder &#x017F;ind, mit wel-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[559/0597] Den 8ten Mai. Dieſer Tag war zur Reiſe nach Eſterhas beſtimmt. Die fliegende Bruͤcke an der Donau muß in jeder Stunde zweimahl heruͤber. Der Fußgaͤnger zahlt gewoͤhnlich nichts, deſto mehr aber Pferde und Wagen. Wer alſo zu ſpaͤte kommt, darf nicht laͤnger als eine halbe Stunde warten. Der Himmelsſtrich in Ungarn iſt wirklich ſo be- ſonders, ſo kalt und windicht, daß man ſich beſtaͤndig mit Pelzen verſehen muß. Alle Ungarn haben und tragen daher beſtaͤndig Pelzkleider, Pelzkappen und noch ganze Pelze daruͤber. In den Hundstagen reiſt niemand in dieſem Lande, ohne Pelze mitzunehmen, wegen den kalten Abenden. Heute war ein ſchoͤner Tag, auf der Donau ſpiegelte ſich die Sonne im Waſſer, aber kaum ging der Wagen, ſo wehete von allen Seiten ein ſolcher ſcharfer Wind, daß ich des Pelzes froh war, den mir Hr. Hummel geliehen hatte, und den ganzen Tag brach- te ich ihn nicht vom Leibe. Man kan auf der Stelle von einem kalten Windſtos einen Rheumatiſmus im ganzen Koͤrper bekommen. Der Weg war keine Chauſſee, ſondern lief uͤber unabſehliche Weideplaͤtze und breite Triften weg. Das Erdreich iſt ſchwarz von vielem Fett. Dieſe ganze Gegend ſcheint ein einziges groſſes Torfmoor zu ſeyn. Man ſieht Maͤnner mit weit hinabhaͤngenden Ma- troſenhoſen, an welchen unten Baͤnder ſind, mit wel- chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/597
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/597>, abgerufen am 28.03.2024.