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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Den 15ten Mai.

Auf Veranstaltung des Hrn. Meusels von Nürn-
berg,
der an Türkische Kaufleute Glas, Messingwaa-
ren und dergl. verhandelt, und dafür Tobackspfeisen-
köpfe etc. von ihnen nimmt, ging ich heute früh mit ihm
und Hrn. Hartmann zu einem gewissen Molla Mam-
muth,
der schon viele Jahre hier ist, an der Bastei
wohnt, und bei dem viele andre Türken einkehren.

Wir fanden sie auf ihren Teppichen und Sophas
an der Wand rings herum, einen halben Schuh über
dem Boden sitzen, die Füsse ganz zu sich und unter sich
gezogen, wie kleine Kinder gern sitzen. Da schlafen sie
in Pelzen, da beten sie, und haben auch dabei eine Art
von Rosenkranz in der Hand, da essen sie, und, wenn
es ein Schmaus seyn soll, so haben sie einen ledernen
Tisch,
den sie dadurch ausspannen, daß ihn jeder an sich
anknüpft. Man gab uns auch solche Polster, doch leg-
ten wir 2. auf einander, damit wir als Europäer sitzen
konnten. -- Aber es sieht grade so aus, wie das Sod
des Ebräers, und der Devan des Sultans beschrie-
ben wird. Alles ist sehr reinlich. Ein türkischer Knabe
brachte uns köstlichen Kaffee ohne Milch mit Zucker, und
Tobak, türkische Blätter, fein geschnitten, in Köpfen
von rothem Bolus, aber schön vergoldet, mit Röhren,
länger als mein Stock, oben mit einem hornenen Mund-
stück, das zum Festhalten für die Lippen beinahe zu dick ist,
doch gewohnte ich es bald. Wir sahen auch das Schreib-
zeug,
das sie im Orient immer bei sich haben, inwen-
dig sind einige Federn aus Rohr, die Dinte ist in einem
Schwamm, und aussen hängt eine kleine Schreibtafel
daran. -- Grade wie's der Prophet anführt. (s. Mi-

chaelis
Den 15ten Mai.

Auf Veranſtaltung des Hrn. Meuſels von Nuͤrn-
berg,
der an Tuͤrkiſche Kaufleute Glas, Meſſingwaa-
ren und dergl. verhandelt, und dafuͤr Tobackspfeiſen-
koͤpfe ꝛc. von ihnen nimmt, ging ich heute fruͤh mit ihm
und Hrn. Hartmann zu einem gewiſſen Molla Mam-
muth,
der ſchon viele Jahre hier iſt, an der Baſtei
wohnt, und bei dem viele andre Tuͤrken einkehren.

Wir fanden ſie auf ihren Teppichen und Sophas
an der Wand rings herum, einen halben Schuh uͤber
dem Boden ſitzen, die Fuͤſſe ganz zu ſich und unter ſich
gezogen, wie kleine Kinder gern ſitzen. Da ſchlafen ſie
in Pelzen, da beten ſie, und haben auch dabei eine Art
von Roſenkranz in der Hand, da eſſen ſie, und, wenn
es ein Schmaus ſeyn ſoll, ſo haben ſie einen ledernen
Tiſch,
den ſie dadurch ausſpannen, daß ihn jeder an ſich
anknuͤpft. Man gab uns auch ſolche Polſter, doch leg-
ten wir 2. auf einander, damit wir als Europaͤer ſitzen
konnten. — Aber es ſieht grade ſo aus, wie das Sod
des Ebraͤers, und der Devan des Sultans beſchrie-
ben wird. Alles iſt ſehr reinlich. Ein tuͤrkiſcher Knabe
brachte uns koͤſtlichen Kaffee ohne Milch mit Zucker, und
Tobak, tuͤrkiſche Blaͤtter, fein geſchnitten, in Koͤpfen
von rothem Bolus, aber ſchoͤn vergoldet, mit Roͤhren,
laͤnger als mein Stock, oben mit einem hornenen Mund-
ſtuͤck, das zum Feſthalten fuͤr die Lippen beinahe zu dick iſt,
doch gewohnte ich es bald. Wir ſahen auch das Schreib-
zeug,
das ſie im Orient immer bei ſich haben, inwen-
dig ſind einige Federn aus Rohr, die Dinte iſt in einem
Schwamm, und auſſen haͤngt eine kleine Schreibtafel
daran. — Grade wie’s der Prophet anfuͤhrt. (ſ. Mi-

chaelis
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[586/0624] Den 15ten Mai. Auf Veranſtaltung des Hrn. Meuſels von Nuͤrn- berg, der an Tuͤrkiſche Kaufleute Glas, Meſſingwaa- ren und dergl. verhandelt, und dafuͤr Tobackspfeiſen- koͤpfe ꝛc. von ihnen nimmt, ging ich heute fruͤh mit ihm und Hrn. Hartmann zu einem gewiſſen Molla Mam- muth, der ſchon viele Jahre hier iſt, an der Baſtei wohnt, und bei dem viele andre Tuͤrken einkehren. Wir fanden ſie auf ihren Teppichen und Sophas an der Wand rings herum, einen halben Schuh uͤber dem Boden ſitzen, die Fuͤſſe ganz zu ſich und unter ſich gezogen, wie kleine Kinder gern ſitzen. Da ſchlafen ſie in Pelzen, da beten ſie, und haben auch dabei eine Art von Roſenkranz in der Hand, da eſſen ſie, und, wenn es ein Schmaus ſeyn ſoll, ſo haben ſie einen ledernen Tiſch, den ſie dadurch ausſpannen, daß ihn jeder an ſich anknuͤpft. Man gab uns auch ſolche Polſter, doch leg- ten wir 2. auf einander, damit wir als Europaͤer ſitzen konnten. — Aber es ſieht grade ſo aus, wie das Sod des Ebraͤers, und der Devan des Sultans beſchrie- ben wird. Alles iſt ſehr reinlich. Ein tuͤrkiſcher Knabe brachte uns koͤſtlichen Kaffee ohne Milch mit Zucker, und Tobak, tuͤrkiſche Blaͤtter, fein geſchnitten, in Koͤpfen von rothem Bolus, aber ſchoͤn vergoldet, mit Roͤhren, laͤnger als mein Stock, oben mit einem hornenen Mund- ſtuͤck, das zum Feſthalten fuͤr die Lippen beinahe zu dick iſt, doch gewohnte ich es bald. Wir ſahen auch das Schreib- zeug, das ſie im Orient immer bei ſich haben, inwen- dig ſind einige Federn aus Rohr, die Dinte iſt in einem Schwamm, und auſſen haͤngt eine kleine Schreibtafel daran. — Grade wie’s der Prophet anfuͤhrt. (ſ. Mi- chaelis

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/624>, abgerufen am 29.03.2024.