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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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und sein Sonnensystem zu besehen. Er hat eine artige
kleine Frau, die ohne Prätension den Fremden alles zeigt,
und die Kunstnamen wohl inne hat. Ins Innere des
Kästchens läst er nicht sehen; es ist voller Räder. Oben
sieht man nichts als emaillirte Zifferblätter. Man dreht
eine Kurbel herum, wie an der Kaffeemühle. Die
Frau machte Proben von allen 5. Rechnungsarten, wie
ich sie ihr aufgab. Schöner noch ist das Sonnensy-
stem
mit grossen Uhrwerken, die alle 8. Tage aufgezogen
werden müssen, und schwer zu transportiren sind. Es
ist eine Erd- und Himmelskugel. Im Hause hat er
immer etliche Arbeiter von Augspurg sitzen. Der Hr.
Pfarrer kalkulirt, und die Leute machen's. Schade, daß
sich der Mann jetzt mit apokalyptischen Rechnungen ab-
gibt, auch das N. Testament schlecht übersetzt hat. Es
ist eine eigne Uhrentafel am Sonnensystem, wo die Schei-
be in 6000. Jahren, und die ganze verflossene und noch
künftige Geschichte der Welt nach Bengel's und Andrer
Träumen, sonderlich der Chiliasmus, und die erste und
zweite Auferstehung, in ihre Fächer und Epoken abge-
theilt sind. Auch Jahruhren, die sehr simpel sind,
und des Jahrs nur einmal aufgezogen werden müssen, sah
ich bei ihm. Von ihm fuhr ich nach

Ludwigsburg. Der Ort hat grosse und schöne,
aber unvollendete und schon wieder ihrem Ende nahe An-
lagen.

Das Haus der Gräfin von Hohenheim, welches
sie hier besitzt, soll voller Kostbarkeiten seyn. Es wird
aber weder den Fremden noch den Inländern, ohne be-
sondere Erlaubnis gewiesen.

Im

und ſein Sonnenſyſtem zu beſehen. Er hat eine artige
kleine Frau, die ohne Praͤtenſion den Fremden alles zeigt,
und die Kunſtnamen wohl inne hat. Ins Innere des
Kaͤſtchens laͤſt er nicht ſehen; es iſt voller Raͤder. Oben
ſieht man nichts als emaillirte Zifferblaͤtter. Man dreht
eine Kurbel herum, wie an der Kaffeemuͤhle. Die
Frau machte Proben von allen 5. Rechnungsarten, wie
ich ſie ihr aufgab. Schoͤner noch iſt das Sonnenſy-
ſtem
mit groſſen Uhrwerken, die alle 8. Tage aufgezogen
werden muͤſſen, und ſchwer zu transportiren ſind. Es
iſt eine Erd- und Himmelskugel. Im Hauſe hat er
immer etliche Arbeiter von Augſpurg ſitzen. Der Hr.
Pfarrer kalkulirt, und die Leute machen’s. Schade, daß
ſich der Mann jetzt mit apokalyptiſchen Rechnungen ab-
gibt, auch das N. Teſtament ſchlecht uͤberſetzt hat. Es
iſt eine eigne Uhrentafel am Sonnenſyſtem, wo die Schei-
be in 6000. Jahren, und die ganze verfloſſene und noch
kuͤnftige Geſchichte der Welt nach Bengel’s und Andrer
Traͤumen, ſonderlich der Chiliasmus, und die erſte und
zweite Auferſtehung, in ihre Faͤcher und Epoken abge-
theilt ſind. Auch Jahruhren, die ſehr ſimpel ſind,
und des Jahrs nur einmal aufgezogen werden muͤſſen, ſah
ich bei ihm. Von ihm fuhr ich nach

Ludwigsburg. Der Ort hat groſſe und ſchoͤne,
aber unvollendete und ſchon wieder ihrem Ende nahe An-
lagen.

Das Haus der Graͤfin von Hohenheim, welches
ſie hier beſitzt, ſoll voller Koſtbarkeiten ſeyn. Es wird
aber weder den Fremden noch den Inlaͤndern, ohne be-
ſondere Erlaubnis gewieſen.

Im
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[68/0106] und ſein Sonnenſyſtem zu beſehen. Er hat eine artige kleine Frau, die ohne Praͤtenſion den Fremden alles zeigt, und die Kunſtnamen wohl inne hat. Ins Innere des Kaͤſtchens laͤſt er nicht ſehen; es iſt voller Raͤder. Oben ſieht man nichts als emaillirte Zifferblaͤtter. Man dreht eine Kurbel herum, wie an der Kaffeemuͤhle. Die Frau machte Proben von allen 5. Rechnungsarten, wie ich ſie ihr aufgab. Schoͤner noch iſt das Sonnenſy- ſtem mit groſſen Uhrwerken, die alle 8. Tage aufgezogen werden muͤſſen, und ſchwer zu transportiren ſind. Es iſt eine Erd- und Himmelskugel. Im Hauſe hat er immer etliche Arbeiter von Augſpurg ſitzen. Der Hr. Pfarrer kalkulirt, und die Leute machen’s. Schade, daß ſich der Mann jetzt mit apokalyptiſchen Rechnungen ab- gibt, auch das N. Teſtament ſchlecht uͤberſetzt hat. Es iſt eine eigne Uhrentafel am Sonnenſyſtem, wo die Schei- be in 6000. Jahren, und die ganze verfloſſene und noch kuͤnftige Geſchichte der Welt nach Bengel’s und Andrer Traͤumen, ſonderlich der Chiliasmus, und die erſte und zweite Auferſtehung, in ihre Faͤcher und Epoken abge- theilt ſind. Auch Jahruhren, die ſehr ſimpel ſind, und des Jahrs nur einmal aufgezogen werden muͤſſen, ſah ich bei ihm. Von ihm fuhr ich nach Ludwigsburg. Der Ort hat groſſe und ſchoͤne, aber unvollendete und ſchon wieder ihrem Ende nahe An- lagen. Das Haus der Graͤfin von Hohenheim, welches ſie hier beſitzt, ſoll voller Koſtbarkeiten ſeyn. Es wird aber weder den Fremden noch den Inlaͤndern, ohne be- ſondere Erlaubnis gewieſen. Im

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/106>, abgerufen am 25.04.2024.