Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Salzstock oder Salzberg liegt eine starke Stun-
de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl
1000. Männer, und viele mit Familien davon. Schwer-
lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt so eine
prächtige Chaussee, als man hier eine gemacht hat.
Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und
Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß
festen Fuß hatte, und wo Bergleute zum Führen unent-
behrlich sind. Erica carnea L. wuchs überall und ver-
schönerte die Felsen. Zu beiden Seiten sieht man immer
die Sohl-Leitung, und die Leitungen des süssen Was-
sers. Jene ist der Sicherheit wegen auf dem ganzen
langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauschen zu
beiden Seiten überall wilde Wasser herab. Da kan man
recht sehen, wie die grosse Maschine der Erde spielt und
wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttausend
Quellen sind da, die einen schrecklichen Sturz haben, in
die Höhe springen, wo sie gehindert werden, hernach
wieder in ein natürliches Bassin von Steinen herabstür-
zen, daß das Pferd vom Geräusch scheu wird, und die
Wanderer sich gar nicht mehr verstehen. Man sieht auch
die abscheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen-
bauern ihr Heu und Holz, erst im Winter, wenn alles
voll Schnee liegt, herabrutschen können. Oft ist man
ganz zwischen den schrecklichsten Bergen in Klüften ein-
geschlossen, und hört und sieht nichts mehr von der übri-
gen Welt. Wie Obelisken stehen auf pyramidenförmi-
gen Felsen ganz abgerissen höhere Stücke empor, und
trotzen allen Stürmen der Luft.

Dem Direktor Menz macht das schöne steinerne
Haus, das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg-

meister

Der Salzſtock oder Salzberg liegt eine ſtarke Stun-
de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl
1000. Maͤnner, und viele mit Familien davon. Schwer-
lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt ſo eine
praͤchtige Chauſſee, als man hier eine gemacht hat.
Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und
Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß
feſten Fuß hatte, und wo Bergleute zum Fuͤhren unent-
behrlich ſind. Erica carnea L. wuchs uͤberall und ver-
ſchoͤnerte die Felſen. Zu beiden Seiten ſieht man immer
die Sohl-Leitung, und die Leitungen des ſuͤſſen Waſ-
ſers. Jene iſt der Sicherheit wegen auf dem ganzen
langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauſchen zu
beiden Seiten uͤberall wilde Waſſer herab. Da kan man
recht ſehen, wie die groſſe Maſchine der Erde ſpielt und
wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttauſend
Quellen ſind da, die einen ſchrecklichen Sturz haben, in
die Hoͤhe ſpringen, wo ſie gehindert werden, hernach
wieder in ein natuͤrliches Baſſin von Steinen herabſtuͤr-
zen, daß das Pferd vom Geraͤuſch ſcheu wird, und die
Wanderer ſich gar nicht mehr verſtehen. Man ſieht auch
die abſcheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen-
bauern ihr Heu und Holz, erſt im Winter, wenn alles
voll Schnee liegt, herabrutſchen koͤnnen. Oft iſt man
ganz zwiſchen den ſchrecklichſten Bergen in Kluͤften ein-
geſchloſſen, und hoͤrt und ſieht nichts mehr von der uͤbri-
gen Welt. Wie Obeliſken ſtehen auf pyramidenfoͤrmi-
gen Felſen ganz abgeriſſen hoͤhere Stuͤcke empor, und
trotzen allen Stuͤrmen der Luft.

Dem Direktor Menz macht das ſchoͤne ſteinerne
Haus, das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg-

meiſter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0490" n="452"/>
              <p>Der <hi rendition="#fr">Salz&#x017F;tock</hi> oder Salzberg liegt eine &#x017F;tarke Stun-<lb/>
de gegen Mitternacht von <hi rendition="#fr">Hall</hi> weg. Es leben wohl<lb/>
1000. Ma&#x0364;nner, und viele mit Familien davon. Schwer-<lb/>
lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt &#x017F;o eine<lb/>
pra&#x0364;chtige <hi rendition="#fr">Chau&#x017F;&#x017F;ee,</hi> als man hier eine gemacht hat.<lb/>
Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und<lb/>
Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß<lb/>
fe&#x017F;ten Fuß hatte, und wo Bergleute zum Fu&#x0364;hren unent-<lb/>
behrlich &#x017F;ind. <hi rendition="#aq">Erica carnea L.</hi> wuchs u&#x0364;berall und ver-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nerte die Fel&#x017F;en. Zu beiden Seiten &#x017F;ieht man immer<lb/>
die <hi rendition="#fr">Sohl-Leitung,</hi> und die Leitungen des &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ers. Jene i&#x017F;t der Sicherheit wegen auf dem ganzen<lb/>
langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rau&#x017F;chen zu<lb/>
beiden Seiten u&#x0364;berall wilde Wa&#x017F;&#x017F;er herab. Da kan man<lb/>
recht &#x017F;ehen, wie die gro&#x017F;&#x017F;e Ma&#x017F;chine der Erde &#x017F;pielt und<lb/>
wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttau&#x017F;end<lb/>
Quellen &#x017F;ind da, die einen &#x017F;chrecklichen Sturz haben, in<lb/>
die Ho&#x0364;he &#x017F;pringen, wo &#x017F;ie gehindert werden, hernach<lb/>
wieder in ein natu&#x0364;rliches Ba&#x017F;&#x017F;in von Steinen herab&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zen, daß das Pferd vom Gera&#x0364;u&#x017F;ch &#x017F;cheu wird, und die<lb/>
Wanderer &#x017F;ich gar nicht mehr ver&#x017F;tehen. Man &#x017F;ieht auch<lb/>
die ab&#x017F;cheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen-<lb/>
bauern ihr <hi rendition="#fr">Heu</hi> und <hi rendition="#fr">Holz,</hi> er&#x017F;t im Winter, wenn alles<lb/>
voll Schnee liegt, herabrut&#x017F;chen ko&#x0364;nnen. Oft i&#x017F;t man<lb/>
ganz zwi&#x017F;chen den &#x017F;chrecklich&#x017F;ten Bergen in Klu&#x0364;ften ein-<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und ho&#x0364;rt und &#x017F;ieht nichts mehr von der u&#x0364;bri-<lb/>
gen Welt. Wie Obeli&#x017F;ken &#x017F;tehen auf pyramidenfo&#x0364;rmi-<lb/>
gen Fel&#x017F;en ganz abgeri&#x017F;&#x017F;en ho&#x0364;here Stu&#x0364;cke empor, und<lb/>
trotzen allen Stu&#x0364;rmen der Luft.</p><lb/>
              <p>Dem Direktor <hi rendition="#fr">Menz</hi> macht das &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;teinerne<lb/><hi rendition="#fr">Haus,</hi> das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mei&#x017F;ter</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0490] Der Salzſtock oder Salzberg liegt eine ſtarke Stun- de gegen Mitternacht von Hall weg. Es leben wohl 1000. Maͤnner, und viele mit Familien davon. Schwer- lich geht zu irgend einem Bergwerke in der Welt ſo eine praͤchtige Chauſſee, als man hier eine gemacht hat. Oben kamen wir freilich wohl eine Stunde in Tiefen und Berge von Schnee und Eis, wo weder Mann noch Roß feſten Fuß hatte, und wo Bergleute zum Fuͤhren unent- behrlich ſind. Erica carnea L. wuchs uͤberall und ver- ſchoͤnerte die Felſen. Zu beiden Seiten ſieht man immer die Sohl-Leitung, und die Leitungen des ſuͤſſen Waſ- ſers. Jene iſt der Sicherheit wegen auf dem ganzen langen Wege mit Steinen bedeckt. Noch rauſchen zu beiden Seiten uͤberall wilde Waſſer herab. Da kan man recht ſehen, wie die groſſe Maſchine der Erde ſpielt und wirkt. Ueberall quillt alles. Viele hunderttauſend Quellen ſind da, die einen ſchrecklichen Sturz haben, in die Hoͤhe ſpringen, wo ſie gehindert werden, hernach wieder in ein natuͤrliches Baſſin von Steinen herabſtuͤr- zen, daß das Pferd vom Geraͤuſch ſcheu wird, und die Wanderer ſich gar nicht mehr verſtehen. Man ſieht auch die abſcheulichen Wege, auf welchen die armen Alpen- bauern ihr Heu und Holz, erſt im Winter, wenn alles voll Schnee liegt, herabrutſchen koͤnnen. Oft iſt man ganz zwiſchen den ſchrecklichſten Bergen in Kluͤften ein- geſchloſſen, und hoͤrt und ſieht nichts mehr von der uͤbri- gen Welt. Wie Obeliſken ſtehen auf pyramidenfoͤrmi- gen Felſen ganz abgeriſſen hoͤhere Stuͤcke empor, und trotzen allen Stuͤrmen der Luft. Dem Direktor Menz macht das ſchoͤne ſteinerne Haus, das er oben am Eingangs-Schurf dem Berg- meiſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/490
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/490>, abgerufen am 18.04.2024.