Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

und erhielten also den Dienst. Der Bischoff aus dem
Eisenburger Komitat, dems gar nichts anging, schrieb
nach Oedenburg: Licet sit voluntas Sacrae Cae-
sareae Majestatis, tamen hoc contrarium esse
videtur sanctissimae religioni nostrae.
-- Er
ward zur Verantwortung nach Presburg für den Locum-
tenentialrath gefordert, und wird vermuthlich kassirt wer-
den, oder ists schon.

Graf Joseph Deleggi ward vorm halben Jahre
zum Vizegespann in Ungarn ernannt, weil er aber Pro-
testant war, so lehnten sich 5. Komitatoren oder Statt-
halter von Gespannschaften gegen ihn auf, der Kaiser
aber bestand darauf, und er ists noch.

Bemerkungen.

Es ist wahr, der Fremde kan in Wien in den er-
sten Tagen immer essen. Man ist beständig hungrig,
die scharfe Luft zehrt ab, und ermüdet. Das späte Mit-
tagessen gewohnt mancher Jahrelang nicht, das eben so
späte Nachtessen ist fast nichts. An den Fastenspeisen
verderbt man sich, weil sie so fett sind, den Magen, ich
wenigstens muste mich oft nachher übergeben.

Ist das Getümmel auf den Strassen an Werkelta-
gen gros, so ist es an Feier- oder Sonntagen, besonders in
der Nachbarschaft der Kirchen, ganz unbeschreiblich. Im
Anfang geht man warlich immer mit Furcht und Zittern
aus, bis man das Schleichen an den Häusern gewohnt
ist. Darin ist Wien vollkommen wie Paris, doch ist
das Volk hier viel ehrlicher, traktabler, höflicher. --
Auch sogar die Wache darf nichts thun, als erinnern. Im

Schlosse

und erhielten alſo den Dienſt. Der Biſchoff aus dem
Eiſenburger Komitat, dems gar nichts anging, ſchrieb
nach Oedenburg: Licet ſit voluntas Sacrae Cae-
ſareae Majeſtatis, tamen hoc contrarium eſſe
videtur ſanctiſſimae religioni noſtrae.
— Er
ward zur Verantwortung nach Presburg fuͤr den Locum-
tenentialrath gefordert, und wird vermuthlich kaſſirt wer-
den, oder iſts ſchon.

Graf Joſeph Deleggi ward vorm halben Jahre
zum Vizegeſpann in Ungarn ernannt, weil er aber Pro-
teſtant war, ſo lehnten ſich 5. Komitatoren oder Statt-
halter von Geſpannſchaften gegen ihn auf, der Kaiſer
aber beſtand darauf, und er iſts noch.

Bemerkungen.

Es iſt wahr, der Fremde kan in Wien in den er-
ſten Tagen immer eſſen. Man iſt beſtaͤndig hungrig,
die ſcharfe Luft zehrt ab, und ermuͤdet. Das ſpaͤte Mit-
tageſſen gewohnt mancher Jahrelang nicht, das eben ſo
ſpaͤte Nachteſſen iſt faſt nichts. An den Faſtenſpeiſen
verderbt man ſich, weil ſie ſo fett ſind, den Magen, ich
wenigſtens muſte mich oft nachher uͤbergeben.

Iſt das Getuͤmmel auf den Straſſen an Werkelta-
gen gros, ſo iſt es an Feier- oder Sonntagen, beſonders in
der Nachbarſchaft der Kirchen, ganz unbeſchreiblich. Im
Anfang geht man warlich immer mit Furcht und Zittern
aus, bis man das Schleichen an den Haͤuſern gewohnt
iſt. Darin iſt Wien vollkommen wie Paris, doch iſt
das Volk hier viel ehrlicher, traktabler, hoͤflicher. —
Auch ſogar die Wache darf nichts thun, als erinnern. Im

Schloſſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0529" n="491"/>
und erhielten al&#x017F;o den Dien&#x017F;t. Der Bi&#x017F;choff aus dem<lb/><hi rendition="#fr">Ei&#x017F;enburg</hi>er Komitat, dems gar nichts anging, &#x017F;chrieb<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Oedenburg:</hi> <hi rendition="#aq">Licet &#x017F;it voluntas Sacrae Cae-<lb/>
&#x017F;areae Maje&#x017F;tatis, tamen hoc contrarium e&#x017F;&#x017F;e<lb/>
videtur &#x017F;ancti&#x017F;&#x017F;imae religioni no&#x017F;trae.</hi> &#x2014; Er<lb/>
ward zur Verantwortung nach <hi rendition="#fr">Presburg</hi> fu&#x0364;r den Locum-<lb/>
tenentialrath gefordert, und wird vermuthlich ka&#x017F;&#x017F;irt wer-<lb/>
den, oder i&#x017F;ts &#x017F;chon.</p><lb/>
              <p>Graf <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph Deleggi</hi> ward vorm halben Jahre<lb/>
zum Vizege&#x017F;pann in <hi rendition="#fr">Ungarn</hi> ernannt, weil er aber Pro-<lb/>
te&#x017F;tant war, &#x017F;o lehnten &#x017F;ich 5. Komitatoren oder Statt-<lb/>
halter von Ge&#x017F;pann&#x017F;chaften gegen ihn auf, der Kai&#x017F;er<lb/>
aber be&#x017F;tand darauf, und er i&#x017F;ts noch.</p>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#fr">Bemerkungen.</hi> </head><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t wahr, der <hi rendition="#fr">Fremde</hi> kan in <hi rendition="#fr">Wien</hi> in den er-<lb/>
&#x017F;ten Tagen immer e&#x017F;&#x017F;en. Man i&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig hungrig,<lb/>
die &#x017F;charfe Luft zehrt ab, und ermu&#x0364;det. Das &#x017F;pa&#x0364;te Mit-<lb/>
tage&#x017F;&#x017F;en gewohnt mancher Jahrelang nicht, das eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;te Nachte&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t fa&#x017F;t nichts. An den Fa&#x017F;ten&#x017F;pei&#x017F;en<lb/>
verderbt man &#x017F;ich, weil &#x017F;ie &#x017F;o fett &#x017F;ind, den Magen, ich<lb/>
wenig&#x017F;tens mu&#x017F;te mich oft nachher u&#x0364;bergeben.</p><lb/>
              <p>I&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Getu&#x0364;mmel</hi> auf den Stra&#x017F;&#x017F;en an Werkelta-<lb/>
gen gros, &#x017F;o i&#x017F;t es an Feier- oder Sonntagen, be&#x017F;onders in<lb/>
der Nachbar&#x017F;chaft der Kirchen, ganz unbe&#x017F;chreiblich. Im<lb/>
Anfang geht man warlich immer mit Furcht und Zittern<lb/>
aus, bis man das Schleichen an den Ha&#x0364;u&#x017F;ern gewohnt<lb/>
i&#x017F;t. Darin i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Wien</hi> vollkommen wie <hi rendition="#fr">Paris,</hi> doch i&#x017F;t<lb/>
das Volk hier viel ehrlicher, traktabler, ho&#x0364;flicher. &#x2014;<lb/>
Auch &#x017F;ogar die Wache darf nichts thun, als erinnern. Im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schlo&#x017F;&#x017F;e</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0529] und erhielten alſo den Dienſt. Der Biſchoff aus dem Eiſenburger Komitat, dems gar nichts anging, ſchrieb nach Oedenburg: Licet ſit voluntas Sacrae Cae- ſareae Majeſtatis, tamen hoc contrarium eſſe videtur ſanctiſſimae religioni noſtrae. — Er ward zur Verantwortung nach Presburg fuͤr den Locum- tenentialrath gefordert, und wird vermuthlich kaſſirt wer- den, oder iſts ſchon. Graf Joſeph Deleggi ward vorm halben Jahre zum Vizegeſpann in Ungarn ernannt, weil er aber Pro- teſtant war, ſo lehnten ſich 5. Komitatoren oder Statt- halter von Geſpannſchaften gegen ihn auf, der Kaiſer aber beſtand darauf, und er iſts noch. Bemerkungen. Es iſt wahr, der Fremde kan in Wien in den er- ſten Tagen immer eſſen. Man iſt beſtaͤndig hungrig, die ſcharfe Luft zehrt ab, und ermuͤdet. Das ſpaͤte Mit- tageſſen gewohnt mancher Jahrelang nicht, das eben ſo ſpaͤte Nachteſſen iſt faſt nichts. An den Faſtenſpeiſen verderbt man ſich, weil ſie ſo fett ſind, den Magen, ich wenigſtens muſte mich oft nachher uͤbergeben. Iſt das Getuͤmmel auf den Straſſen an Werkelta- gen gros, ſo iſt es an Feier- oder Sonntagen, beſonders in der Nachbarſchaft der Kirchen, ganz unbeſchreiblich. Im Anfang geht man warlich immer mit Furcht und Zittern aus, bis man das Schleichen an den Haͤuſern gewohnt iſt. Darin iſt Wien vollkommen wie Paris, doch iſt das Volk hier viel ehrlicher, traktabler, hoͤflicher. — Auch ſogar die Wache darf nichts thun, als erinnern. Im Schloſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/529
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/529>, abgerufen am 28.03.2024.