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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Hinten wo die Sääle aufhören, ist ein Lektüre-
kabinet,
darin hängt eine Handzeichnung, vom jetzi-
gen Kaiser verfertigt als er jung war, zur Erweckung des
Fleisses der jungen hier studirenden Kavaliere. Es ist
ein Stück von einer Festung, mit Wall, Graben, Ba-
stionen etc. Die Materien stehen in der Bibliothek eben
nicht in der schönsten Ordnung beisammen; nur nach
dem zu urtheilen, was der Bibliothekar selbst sagte.
Vom Celtes etc. ward einiges vorgezeigt, man war aber
wirklich am Abputzen.

Nachmittags besah ich des Fürsten Kaunitz Gar-
ten
und Landhaus in Mariahülf. Man sieht da eine
herrliche Sammlung von Gemälden in allen Zimmern.
Desgleichen niedliche thönerne Oefen von allerlei Facons,
die in dieser Vorstadt gemacht werden.

Auch Wandmalerei von Wasser- und Oelfarben,
Thürstücke etc. Auf dergleichen Malereien verstehen sich
die Wiener vortreflich. Herrliche Schreibpulte stan-
den auch hier und da mit neuem Mechanismus. Im
Kompagniesaal genießt man eine prächtige Aussicht auf
einen grossen Halbzirkel der Stadt.

Der grosse Minister soll viel Besonderheiten haben.
Er hält Mittagstafel um 6, und invitirt Leute dazu, trinkt
doch den Tag durch nur 2. Tassen Chokolade, und will
die ganze Zeit für sich haben. Sein Pallast in der Stadt
steht Tag und Nacht allen offen, die ihm einmahl auf-
geführt sind. Da kan man zu allen Stunden hingehen,
und alle Arten von Spiel haben. Seine Gemahlin und
die Gräsin Clary empfangen beständig die Gesellschaft.
Oft kommt der Minister nach dem Essen zum Billard,
er sieht dabei zu, und unterschreibt die Depeschen, die

ihm

Hinten wo die Saͤaͤle aufhoͤren, iſt ein Lektuͤre-
kabinet,
darin haͤngt eine Handzeichnung, vom jetzi-
gen Kaiſer verfertigt als er jung war, zur Erweckung des
Fleiſſes der jungen hier ſtudirenden Kavaliere. Es iſt
ein Stuͤck von einer Feſtung, mit Wall, Graben, Ba-
ſtionen ꝛc. Die Materien ſtehen in der Bibliothek eben
nicht in der ſchoͤnſten Ordnung beiſammen; nur nach
dem zu urtheilen, was der Bibliothekar ſelbſt ſagte.
Vom Celtes ꝛc. ward einiges vorgezeigt, man war aber
wirklich am Abputzen.

Nachmittags beſah ich des Fuͤrſten Kaunitz Gar-
ten
und Landhaus in Mariahuͤlf. Man ſieht da eine
herrliche Sammlung von Gemaͤlden in allen Zimmern.
Desgleichen niedliche thoͤnerne Oefen von allerlei Facons,
die in dieſer Vorſtadt gemacht werden.

Auch Wandmalerei von Waſſer- und Oelfarben,
Thuͤrſtuͤcke ꝛc. Auf dergleichen Malereien verſtehen ſich
die Wiener vortreflich. Herrliche Schreibpulte ſtan-
den auch hier und da mit neuem Mechaniſmus. Im
Kompagnieſaal genießt man eine praͤchtige Ausſicht auf
einen groſſen Halbzirkel der Stadt.

Der groſſe Miniſter ſoll viel Beſonderheiten haben.
Er haͤlt Mittagstafel um 6, und invitirt Leute dazu, trinkt
doch den Tag durch nur 2. Taſſen Chokolade, und will
die ganze Zeit fuͤr ſich haben. Sein Pallaſt in der Stadt
ſteht Tag und Nacht allen offen, die ihm einmahl auf-
gefuͤhrt ſind. Da kan man zu allen Stunden hingehen,
und alle Arten von Spiel haben. Seine Gemahlin und
die Graͤſin Clary empfangen beſtaͤndig die Geſellſchaft.
Oft kommt der Miniſter nach dem Eſſen zum Billard,
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[514/0552] Hinten wo die Saͤaͤle aufhoͤren, iſt ein Lektuͤre- kabinet, darin haͤngt eine Handzeichnung, vom jetzi- gen Kaiſer verfertigt als er jung war, zur Erweckung des Fleiſſes der jungen hier ſtudirenden Kavaliere. Es iſt ein Stuͤck von einer Feſtung, mit Wall, Graben, Ba- ſtionen ꝛc. Die Materien ſtehen in der Bibliothek eben nicht in der ſchoͤnſten Ordnung beiſammen; nur nach dem zu urtheilen, was der Bibliothekar ſelbſt ſagte. Vom Celtes ꝛc. ward einiges vorgezeigt, man war aber wirklich am Abputzen. Nachmittags beſah ich des Fuͤrſten Kaunitz Gar- ten und Landhaus in Mariahuͤlf. Man ſieht da eine herrliche Sammlung von Gemaͤlden in allen Zimmern. Desgleichen niedliche thoͤnerne Oefen von allerlei Facons, die in dieſer Vorſtadt gemacht werden. Auch Wandmalerei von Waſſer- und Oelfarben, Thuͤrſtuͤcke ꝛc. Auf dergleichen Malereien verſtehen ſich die Wiener vortreflich. Herrliche Schreibpulte ſtan- den auch hier und da mit neuem Mechaniſmus. Im Kompagnieſaal genießt man eine praͤchtige Ausſicht auf einen groſſen Halbzirkel der Stadt. Der groſſe Miniſter ſoll viel Beſonderheiten haben. Er haͤlt Mittagstafel um 6, und invitirt Leute dazu, trinkt doch den Tag durch nur 2. Taſſen Chokolade, und will die ganze Zeit fuͤr ſich haben. Sein Pallaſt in der Stadt ſteht Tag und Nacht allen offen, die ihm einmahl auf- gefuͤhrt ſind. Da kan man zu allen Stunden hingehen, und alle Arten von Spiel haben. Seine Gemahlin und die Graͤſin Clary empfangen beſtaͤndig die Geſellſchaft. Oft kommt der Miniſter nach dem Eſſen zum Billard, er ſieht dabei zu, und unterſchreibt die Depeſchen, die ihm

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/552>, abgerufen am 29.03.2024.