seinen Stecken *), der aber nur halb so gros ist, wie die Rebstecken bei uns. Sie lagen in Unordnung auf dem Boden. Mit den Reben war noch gar nichts zu machen, weil wegen der kaltanhaltenden Witterung man kaum die Knospen aufschwellen sah.
Von den Weinbergen fuhren wir in das Wolfser Bad, eine kleine Stunde von der Stadt. Das Was- ser führt sehr viel Schwefelleber mit sich, die durch Kalk mit dem Wasser verbunden ist. Der Geruch da- von kam mir gleich beim Eintritt ins Badehaus entgegen. D. Conradi's Vater hat vom Nutzen dieses Bades ein kleines Büchelchen geschrieben. Die Gebäude, Bad- haus, Wirtshaus, Kapelle etc. sind neu gebaut, und an- sehnlich. Die Quelle liegt auf einem nahen Hügel, und wird durch bleierne Röhren in die Kessel geleitet. Man fing an zu wärmen, es waren schon einige Leute da, aber vor einigen Jahren waren oft um diese Zeit schon so viele Leute hier beisammen, daß man nicht Wasser genug hatte.
Man baut auch hier eine neue Evangelische Kirche wirklich mit grossem Fleis. Es halten sich viele Prote- stantische Landorte, die seither keine Geistlichen hatten, zum Gottesdienste in dieser Stadt. Man hat hier auch nur geschriebene Agenden. Gesangbücher hat man endlich dürfen drucken, aber noch keine Bibeln. Die Protestantischen Geistlichen, wenn sie nun auf dem Lande nach dem Toleranzedikt einen Sterbenden berichten sollen, bekommen noch immer Händel mit den Katholi- schen Pfaffen. In Wolfs fiel neulich so ein Auftritt
vor,
*) Die Rebstecken sind auch hier theuer, sie kommen alle aus dem Oesterreichischen.
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ſeinen Stecken *), der aber nur halb ſo gros iſt, wie die Rebſtecken bei uns. Sie lagen in Unordnung auf dem Boden. Mit den Reben war noch gar nichts zu machen, weil wegen der kaltanhaltenden Witterung man kaum die Knoſpen aufſchwellen ſah.
Von den Weinbergen fuhren wir in das Wolfſer Bad, eine kleine Stunde von der Stadt. Das Waſ- ſer fuͤhrt ſehr viel Schwefelleber mit ſich, die durch Kalk mit dem Waſſer verbunden iſt. Der Geruch da- von kam mir gleich beim Eintritt ins Badehaus entgegen. D. Conradi’s Vater hat vom Nutzen dieſes Bades ein kleines Buͤchelchen geſchrieben. Die Gebaͤude, Bad- haus, Wirtshaus, Kapelle ꝛc. ſind neu gebaut, und an- ſehnlich. Die Quelle liegt auf einem nahen Huͤgel, und wird durch bleierne Roͤhren in die Keſſel geleitet. Man fing an zu waͤrmen, es waren ſchon einige Leute da, aber vor einigen Jahren waren oft um dieſe Zeit ſchon ſo viele Leute hier beiſammen, daß man nicht Waſſer genug hatte.
Man baut auch hier eine neue Evangeliſche Kirche wirklich mit groſſem Fleis. Es halten ſich viele Prote- ſtantiſche Landorte, die ſeither keine Geiſtlichen hatten, zum Gottesdienſte in dieſer Stadt. Man hat hier auch nur geſchriebene Agenden. Geſangbuͤcher hat man endlich duͤrfen drucken, aber noch keine Bibeln. Die Proteſtantiſchen Geiſtlichen, wenn ſie nun auf dem Lande nach dem Toleranzedikt einen Sterbenden berichten ſollen, bekommen noch immer Haͤndel mit den Katholi- ſchen Pfaffen. In Wolfs fiel neulich ſo ein Auftritt
vor,
*) Die Rebſtecken ſind auch hier theuer, ſie kommen alle aus dem Oeſterreichiſchen.
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ſeinen Stecken *), der aber nur halb ſo gros iſt, wie die
Rebſtecken bei uns. Sie lagen in Unordnung auf dem
Boden. Mit den Reben war noch gar nichts zu machen,
weil wegen der kaltanhaltenden Witterung man kaum die
Knoſpen aufſchwellen ſah.
Von den Weinbergen fuhren wir in das Wolfſer
Bad, eine kleine Stunde von der Stadt. Das Waſ-
ſer fuͤhrt ſehr viel Schwefelleber mit ſich, die durch
Kalk mit dem Waſſer verbunden iſt. Der Geruch da-
von kam mir gleich beim Eintritt ins Badehaus entgegen.
D. Conradi’s Vater hat vom Nutzen dieſes Bades ein
kleines Buͤchelchen geſchrieben. Die Gebaͤude, Bad-
haus, Wirtshaus, Kapelle ꝛc. ſind neu gebaut, und an-
ſehnlich. Die Quelle liegt auf einem nahen Huͤgel, und
wird durch bleierne Roͤhren in die Keſſel geleitet. Man
fing an zu waͤrmen, es waren ſchon einige Leute da, aber
vor einigen Jahren waren oft um dieſe Zeit ſchon ſo viele
Leute hier beiſammen, daß man nicht Waſſer genug hatte.
Man baut auch hier eine neue Evangeliſche Kirche
wirklich mit groſſem Fleis. Es halten ſich viele Prote-
ſtantiſche Landorte, die ſeither keine Geiſtlichen hatten,
zum Gottesdienſte in dieſer Stadt. Man hat hier auch
nur geſchriebene Agenden. Geſangbuͤcher hat man
endlich duͤrfen drucken, aber noch keine Bibeln. Die
Proteſtantiſchen Geiſtlichen, wenn ſie nun auf dem
Lande nach dem Toleranzedikt einen Sterbenden berichten
ſollen, bekommen noch immer Haͤndel mit den Katholi-
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*) Die Rebſtecken ſind auch hier theuer, ſie kommen alle
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/607>, abgerufen am 29.03.2024.
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