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Sanders, Daniel: Brief an Joachim Meyer. Altstrelitz, 4. Juni 1859.

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das Wörterbuch gesammelten Belegstellen, tüchtig beutelnd und schütteln-
des Mehl von der Klein gesondert, nur das Schlagendste ausgewählt und
nicht wenigstens bestrebt, keinen Beleg zu geben, der nicht für Form
oder Bedeutung pp. eines Wortes beweisend wäre, und die Belege so kurz
als möglich und so weiter - das zweite Beispiel sei, da ich mich kurz fassen
muß, nur angedeutet. Sehen Sie gefälligst Seite 85, Spalte 2 unter 4: Die
Zusammensetzung von gebären und vergleiche zum Beispiel "Angebären" bei Wurm und die Dre-
hungen und Wendungen, die die Andern machen, um über die einfache
Thatsache wegzukommen, daß von solchen Zeitwendungen der Natur der Sache
gemäß das Particip am häufigsten ist. Wollten Sie Sich aber zu
einem Vergleich entschließen, wie viel oder vielmehr wie wenig
die übrigen Wörterbücher von die Zusammensetzung von "gebären" bringen,
Sie würden staunen. - Doch ich eile zum Schluß. Daß ich mit Müh
und Sorgfalt die technischen und gewerblichen Ausdrücke aufgenommen,
wird - als durchaus zeitgemäß - sicher Zustimmung und Beifall fin-
den, in Bezug auf die Fremdwörter glaube ich das Rrichti-
ge Maß getroffen zu haben. Sie sind einmal in der Sprache und
ich will weder noch kann ich die Sprache - wie ich bereits gesagt -
"machen", sondern ich will die gewordene, so wie sie ist, darlegen.
Außerdem ist die Aushülfe eigner Fremdwörterbücher ein wunderli-
cher Behelf, zu dem kein andres Volk gegriffen und soll man
etwa "Disputieren" im Fremdwörterbuch, "Einem Etwas abdispu-
tieren" im Deutschen Wörterbuch nachschlagen? Nebenbei bemerkt, ver-
misse ich selbst in unsern besten Fremdwörterbüchern die nöthigen
Formbemerke. Wer ein solches Buch nachschlagen muß, der weiß
auch so ohne Weiteres eben nicht, daß zum Beispiel von Monolog, Dialog pp.
der gewöhnliche Genitiv auf "s", die Mehrzahl auf "n" ausgeht,

daß da-

das Wörterbuch gesam̃elten Belegstellen, tüchtig beutelnd und schütteln-
des Mehl von der Klein gesondert, nur das Schlagendste ausgewählt und
nicht wenigstens bestrebt, keinen Beleg zu geben, der nicht für Form
oder Bedeutung pp. eines Wortes beweisend wäre, und die Belege so kurz
als möglich und so weiter – das zweite Beispiel sei, da ich mich kurz fassen
muß, nur angedeutet. Sehen Sie gefälligst Seite 85, Spalte 2 unter 4: Die
Zusammensetzung von gebären und vergleiche zum Beispiel „Angebären“ bei Wurm und die Dre-
hungen und Wendungen, die die Andern machen, um über die einfache
Thatsache wegzukom̃en, daß von solchen Zeitwendungen der Natur der Sache
gemäß das Particip am häufigsten ist. Wollten Sie Sich aber zu
einem Vergleich entschließen, wie viel oder vielmehr wie wenig
die übrigen Wörterbücher von die Zusammensetzung von „gebären“ bringen,
Sie würden staunen. – Doch ich eile zum Schluß. Daß ich mit Müh
und Sorgfalt die technischen und gewerblichen Ausdrücke aufgenom̃en,
wird – als durchaus zeitgemäß – sicher Zustim̃ung und Beifall fin-
den, in Bezug auf die Fremdwörter glaube ich das Rrichti-
ge Maß getroffen zu haben. Sie sind einmal in der Sprache und
ich will weder noch kañ ich die Sprache – wie ich bereits gesagt –
„machen“, sondern ich will die gewordene, so wie sie ist, darlegen.
Außerdem ist die Aushülfe eigner Fremdwörterbücher ein wunderli-
cher Behelf, zu dem kein andres Volk gegriffen und soll man
etwa „Disputieren“ im Fremdwörterbuch, „Einem Etwas abdispu-
tieren“ im Deutschen Wörterbuch nachschlagen? Nebenbei bemerkt, ver-
misse ich selbst in unsern besten Fremdwörterbüchern die nöthigen
Formbemerke. Wer ein solches Buch nachschlagen muß, der weiß
auch so ohne Weiteres eben nicht, daß zum Beispiel von Monolog, Dialog pp.
der gewöhnliche Genitiv auf „s“, die Mehrzahl auf „n“ ausgeht,

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[[6v]/0012] das Wörterbuch gesam̃elten Belegstellen, tüchtig beutelnd u. schütteln- des Mehl v. der Klein gesondert, nur das Schlagendste ausgewählt u. nicht wenigstens bestrebt, keinen Beleg zu geben, der nicht für Form od. Bedeutung p. eines Wortes beweisend wäre, u. die Belege so kurz als möglich u.s.w. – das zweite Bsp. sei, da ich mich kurz fassen muß, nur angedeutet. Sehen Sie gefl. S. 85, Spalte 2 unter 4: Die Zsstzg. v. gebären u. vgl. z.B. „Angebären“ bei Wurm u. die Dre- hungen u. Wendungen, die die Andern machen, um über die einfache Thatsache wegzukom̃en, daß v. solchen Zeitw. der Natur der Sache gemäß das Partic. am häufigsten ist. Wollten Sie Sich aber zu einem Vergleich entschließen, wie viel od. vielmehr wie wenig die übrigen Wörterbücher v. die Zsstzg. v. „gebären“ bringen, Sie würden staunen. – Doch ich eile zum Schluß. Daß ich mit Müh u. Sorgfalt die technischen u. gewerblichen Ausdrücke aufgenom̃en, wird – als durchaus zeitgemäß – sicher Zustim̃ung u. Beifall fin- den, in Bezug auf die Fremdwörter glaube ich das Rrichti- ge Maß getroffen zu haben. Sie sind einmal in der Sprache u. ich will weder noch kañ ich die Sprache – wie ich bereits gesagt – „machen“, sondern ich will die gewordene, so wie sie ist, darlegen. Außerdem ist die Aushülfe eigner Fremdwörterbücher ein wunderli- cher Behelf, zu dem kein andres Volk gegriffen u. soll man etwa „Disputieren“ im Fremdwörterbuch, „Einem Etwas abdispu- tieren“ im Deutsch. Wörterb. nachschlagen? Nebenbei bemerkt, ver- misse ich selbst in unsern besten Fremdwörterb. die nöthigen Formbemerke. Wer ein solches Buch nachschlagen muß, der weiß auch so ohne Weiteres eben nicht, daß z.B. v. Monolog, Dialog p. der gewöhnliche Genit. auf „s“, die Mehrz. auf „n“ ausgeht, daß da-

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Joachim Meyer. Altstrelitz, 4. Juni 1859, S. [6v]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_meyer2_1859/12>, abgerufen am 25.04.2024.