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Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

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"Sage, was werden wir jetzt beginnen, ...
Auszufüllen die Leere der Stunden
Und die lange unendliche Zeit?" u. s. w.

Nun, auch darüber bin ich sehr bald hinweg-
gekommen, da es mir auch seitdem niemals an Be-
schäftigung und Arbeit gefehlt hat, die Schwere des
Daseins und das ermüdende Gleichmaß der Tage zu
ertragen.

Nun aber muss ich noch auf den oben angegebenen
bekannten, oft und viel angeführten lateinischen Vers
aus Ovid's "Fasten" oder "Festkalender" (Buch VI,
V. 5) zurückkommen. In welcher Beziehung ich diesen
Vers seinem Inhalt nach zu meinen Arbeiten auf dem
Gebiete unserer Muttersprache aufgefasst sehen möchte,
bedarf keiner Erörterung, nur will ich für den des
Latein unkundigen Leser eine deutsche Übersetzung hin-
zufügen:

In uns lebet ein Gott: er erregt uns und wir erglühen;
aber, dass der lateinische Vers auch zugleich ein soge-
nanntes Chronostichon oder Eteostichon ist, d. h. in
seinen Zahlbuchstaben das Jahr ergiebt, in welchem
ich mein Wörterbuch der deutschen Sprache zum Ab-
schluß gebracht, würden vielleicht die wenigsten Leser
bemerken, wenn ich hier nicht eigens auf diese in

„Sage, was werden wir jetzt beginnen, …
Auszufüllen die Leere der Stunden
Und die lange unendliche Zeit?“ u. ſ. w.

Nun, auch darüber bin ich ſehr bald hinweg-
gekommen, da es mir auch ſeitdem niemals an Be-
ſchäftigung und Arbeit gefehlt hat, die Schwere des
Daſeins und das ermüdende Gleichmaß der Tage zu
ertragen.

Nun aber muſs ich noch auf den oben angegebenen
bekannten, oft und viel angeführten lateiniſchen Vers
aus Ovid’s „Faſten“ oder „Feſtkalender“ (Buch VI,
V. 5) zurückkommen. In welcher Beziehung ich dieſen
Vers ſeinem Inhalt nach zu meinen Arbeiten auf dem
Gebiete unſerer Mutterſprache aufgefaſſt ſehen möchte,
bedarf keiner Erörterung, nur will ich für den des
Latein unkundigen Leſer eine deutſche Überſetzung hin-
zufügen:

In uns lebet ein Gott: er erregt uns und wir erglühen;
aber, daſs der lateiniſche Vers auch zugleich ein ſoge-
nanntes Chronoſtichon oder Eteoſtichon iſt, d. h. in
ſeinen Zahlbuchſtaben das Jahr ergiebt, in welchem
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[XVIII/0026] „Sage, was werden wir jetzt beginnen, … Auszufüllen die Leere der Stunden Und die lange unendliche Zeit?“ u. ſ. w. Nun, auch darüber bin ich ſehr bald hinweg- gekommen, da es mir auch ſeitdem niemals an Be- ſchäftigung und Arbeit gefehlt hat, die Schwere des Daſeins und das ermüdende Gleichmaß der Tage zu ertragen. Nun aber muſs ich noch auf den oben angegebenen bekannten, oft und viel angeführten lateiniſchen Vers aus Ovid’s „Faſten“ oder „Feſtkalender“ (Buch VI, V. 5) zurückkommen. In welcher Beziehung ich dieſen Vers ſeinem Inhalt nach zu meinen Arbeiten auf dem Gebiete unſerer Mutterſprache aufgefaſſt ſehen möchte, bedarf keiner Erörterung, nur will ich für den des Latein unkundigen Leſer eine deutſche Überſetzung hin- zufügen: In uns lebet ein Gott: er erregt uns und wir erglühen; aber, daſs der lateiniſche Vers auch zugleich ein ſoge- nanntes Chronoſtichon oder Eteoſtichon iſt, d. h. in ſeinen Zahlbuchſtaben das Jahr ergiebt, in welchem ich mein Wörterbuch der deutſchen Sprache zum Ab- ſchluß gebracht, würden vielleicht die wenigſten Leſer bemerken, wenn ich hier nicht eigens auf dieſe in

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/26>, abgerufen am 29.03.2024.