Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite
Das XVI Capitel.
Von
Der Chineser Mahlerey/ dem Form- oder
in Holz-Schneiden/ und der schwarzen
Kunst in Kupfer.

Innhalt.

Die Mahumetaner/ dulten keine Bildereyen. Die Chineser lieben solche/ haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben/ und mahlen einfältig/ nur in Profil oder Umriß. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der schwarze Higiemond, ein Indianer. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Vom Form- oder in Holz-Schneiden. Diese Kunst/ hat zu Erfindung der Buchdruckerey-Kunst anlaß gegeben. Künstlere in dieser Arbeit/ in den Niederlanden Lucas von Leyden/ in Teutschland Albrecht Dürer/ Grünwalt und Holbein. Von der so-genannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Deren Erfinder ist ein Obrist-Leutenant N. von Siegen. W. Vaillant thut wunder hierinnen. Etliche Mahlerey-Regeln.

[Spaltenumbruch]

NAch abgehandelter Beschreibung der alten Egyptischen/ Griechischen/ Italiänischen/ Hoch- und Niederteutschen/ und anderer Europäischen ruhmwürdigen Exempel unserer Studien/ habe ich vor gut befunden/ auch anderer fremden Nationen hievon habender Wissenschaft zu gedenken. Wiewol nun/ unter denselben/ die Türken/ wie auch die Persianer/ (welche letzere/ in allen ihren Zierlichkeiten und Künsten/ jedesmal Die Mahumetaner dulten keine Bildereyen. mehrern und scharfsinnigern Geist/ als die Türken/ erweisen) als der Mahumetanischen Religion zugethan/ aus sonderbarer devotion und Andacht/ die Bilderey vor Todsünde haltend/ derer keine unter ihnen gedulten/ noch zu haben verstatten: so sind doch/ unter den andern Barbaren in Die Chineser lieben solche/ Asia/ die Chineser in der Mahl- und Bilderey/ gleichwie sie auch in andren Künsten die subtilesten sind/ ziemlich erfahren: als welche diese beyde Künste/ vor allen andern/ sehr lieben/ sich derselben gebrauchen/ und die/ so sich darauf verstehen/ in hohen Würden halten. Sonderlich bedienen sie sich derselben/ in ihren Tempeln: alda sie viel Abgötter haben/ die sie in allen Nöhten anbeten und verehren.

Hiernächst bedienen sie sich auch einer großen Menge Gemälde/ zur Zier und Lustbarkeit/ die sie/ in mannigfaltiger vorstellung ihres Lebens und Wandels/ hoch achten. Sie pflegen aber/ fast ingesamt/ ohne einige Regeln/ und nur nach muhtmaßung ihrer betrüglichen Augen/ solche zu verfärtigen. haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben. Dann sie wissen nichts von dem vortrefflichen Gebrauch der Oelfarben/ auch nichts von temperirung der Härte der Farben/ und solche zu gehorsam zu bringen: sondern sie bedienen sich allein der mit Gummi angemachten Wasserfarben/ wie unsere Miniatur-Mahler/ auf Blätter von Seiden oder Pergamen gemachet.

[Spaltenumbruch]

Sie stellen alles einfältig vor/ bloß mit dem Sie mahlen einfältig/ Umriß ohne Schatten/ rondiren nichts/ sondern übergehen ganz schlechthin mit Farben ihre Sachen. Sie wissen nicht/wie/ in wahrer Eigenschaft/ ein jedes Ding der gebühr nach zu erheben/ ob es vor- oder hinter sich zu treiben/ oder was für andere notwendige Natürlichkeiten zu beobachten: worauf die Europäischen Mahlere billig mit allem Fleiß zu sehen pflegen. Von diesen Dingen allen wissen sie/ wie gesagt/ gar nichts/ und sind ihre nur in Profil und Umriß Bilder nur in Profil vorgestellet. Die Angesichter vorwarts ganz zu repraesentiren/ sind ihnen sehr unbekannte Dinge. Also verfahren sie auch in Landschaften/ Gebäuen/ Thieren/ und andern einfältigen Dingen. Worüber sich nicht wenig zu verwundern ist/ daß solche sonst-kluge Leute von der Perspectiv-Kunst ganz keine Erfahrung haben. Ihre Werke sind ingemein nicht allein hierinn ganz einfältig/ sondern es erscheinet daran meist das hinterste größer/ als das vördere/ also daß sie den Regeln schnurgrad zuwider handlen.

Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ich halte aber gänzlich dafür/ wann diese Leute das ausreisen/ aus deren eignen in fremde Länder/ nicht verbotten hätten/ oder unsere Europäische Mahler zu ihnen kommen ließen/ sie würden unfehlbar/ durch den von Natur ihnen beywohnenden auserlesnen Verstand/ die bäste Vortheile dieser Künste bald erfahren und in stattliche Ubung bringen. In besagter ihrer elenden Mahlerey/ ward Ihr Mahler/ der Schwarze Higiemondo, ein Indianer. der Indianer Higiemondo, ingemein der Schwarze genannt/ wiewol von aller Kunst entfernet/ für den bästen Künstler gehalten: dessen wahres Contrafät hierneben dem edlen Leser vor augen gestellet wird.

Es sind/ von diesem abentheurlichen Mahlwerk/ eine ziemliche Anzahl Stücke in meinen Händen/ die ich von den Chinesern selber erhalten: welche mit den uralten alberen Figuren/ die man/ in den vor 200 Jahren gedruckten ersten Büchern/ auch

Das XVI Capitel.
Von
Der Chineser Mahlerey/ dem Form- oder
in Holz-Schneiden/ und der schwarzen
Kunst in Kupfer.

Innhalt.

Die Mahumetaner/ dulten keine Bildereyen. Die Chineser lieben solche/ haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben/ und mahlen einfältig/ nur in Profil oder Umriß. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der schwarze Higiemond, ein Indianer. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Vom Form- oder in Holz-Schneiden. Diese Kunst/ hat zu Erfindung der Buchdruckerey-Kunst anlaß gegeben. Künstlere in dieser Arbeit/ in den Niederlanden Lucas von Leyden/ in Teutschland Albrecht Dürer/ Grünwalt und Holbein. Von der so-genannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Deren Erfinder ist ein Obrist-Leutenant N. von Siegen. W. Vaillant thut wunder hierinnen. Etliche Mahlerey-Regeln.

[Spaltenumbruch]

NAch abgehandelter Beschreibung der alten Egyptischen/ Griechischen/ Italiänischen/ Hoch- und Niederteutschen/ und anderer Europäischen ruhmwürdigen Exempel unserer Studien/ habe ich vor gut befunden/ auch anderer fremden Nationen hievon habender Wissenschaft zu gedenken. Wiewol nun/ unter denselben/ die Türken/ wie auch die Persianer/ (welche letzere/ in allen ihren Zierlichkeiten und Künsten/ jedesmal Die Mahumetaner dulten keine Bildereyen. mehrern und scharfsinnigern Geist/ als die Türken/ erweisen) als der Mahumetanischen Religion zugethan/ aus sonderbarer devotion und Andacht/ die Bilderey vor Todsünde haltend/ derer keine unter ihnen gedulten/ noch zu haben verstatten: so sind doch/ unter den andern Barbaren in Die Chineser lieben solche/ Asia/ die Chineser in der Mahl- und Bilderey/ gleichwie sie auch in andren Künsten die subtilesten sind/ ziemlich erfahren: als welche diese beyde Künste/ vor allen andern/ sehr lieben/ sich derselben gebrauchen/ und die/ so sich darauf verstehen/ in hohen Würden halten. Sonderlich bedienen sie sich derselben/ in ihren Tempeln: alda sie viel Abgötter haben/ die sie in allen Nöhten anbeten und verehren.

Hiernächst bedienen sie sich auch einer großen Menge Gemälde/ zur Zier und Lustbarkeit/ die sie/ in mannigfaltiger vorstellung ihres Lebens und Wandels/ hoch achten. Sie pflegen aber/ fast ingesamt/ ohne einige Regeln/ und nur nach muhtmaßung ihrer betrüglichen Augen/ solche zu verfärtigen. haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben. Dann sie wissen nichts von dem vortrefflichen Gebrauch der Oelfarben/ auch nichts von temperirung der Härte der Farben/ und solche zu gehorsam zu bringen: sondern sie bedienen sich allein der mit Gummi angemachten Wasserfarben/ wie unsere Miniatur-Mahler/ auf Blätter von Seiden oder Pergamen gemachet.

[Spaltenumbruch]

Sie stellen alles einfältig vor/ bloß mit dem Sie mahlen einfältig/ Umriß ohne Schatten/ rondiren nichts/ sondern übergehen ganz schlechthin mit Farben ihre Sachen. Sie wissen nicht/wie/ in wahrer Eigenschaft/ ein jedes Ding der gebühr nach zu erheben/ ob es vor- oder hinter sich zu treiben/ oder was für andere notwendige Natürlichkeiten zu beobachten: worauf die Europäischen Mahlere billig mit allem Fleiß zu sehen pflegen. Von diesen Dingen allen wissen sie/ wie gesagt/ gar nichts/ und sind ihre nur in Profil und Umriß Bilder nur in Profil vorgestellet. Die Angesichter vorwarts ganz zu repraesentiren/ sind ihnen sehr unbekannte Dinge. Also verfahren sie auch in Landschaften/ Gebäuen/ Thieren/ und andern einfältigen Dingen. Worüber sich nicht wenig zu verwundern ist/ daß solche sonst-kluge Leute von der Perspectiv-Kunst ganz keine Erfahrung haben. Ihre Werke sind ingemein nicht allein hierinn ganz einfältig/ sondern es erscheinet daran meist das hinterste größer/ als das vördere/ also daß sie den Regeln schnurgrad zuwider handlen.

Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ich halte aber gänzlich dafür/ wann diese Leute das ausreisen/ aus deren eignen in fremde Länder/ nicht verbotten hätten/ oder unsere Europäische Mahler zu ihnen kommen ließen/ sie würden unfehlbar/ durch den von Natur ihnen beywohnenden auserlesnen Verstand/ die bäste Vortheile dieser Künste bald erfahren und in stattliche Ubung bringen. In besagter ihrer elenden Mahlerey/ ward Ihr Mahler/ der Schwarze Higiemondo, ein Indianer. der Indianer Higiemondo, ingemein der Schwarze genannt/ wiewol von aller Kunst entfernet/ für den bästen Künstler gehalten: dessen wahres Contrafät hierneben dem edlen Leser vor augen gestellet wird.

Es sind/ von diesem abentheurlichen Mahlwerk/ eine ziemliche Anzahl Stücke in meinen Händen/ die ich von den Chinesern selber erhalten: welche mit den uralten alberen Figuren/ die man/ in den vor 200 Jahren gedruckten ersten Büchern/ auch

<TEI>
  <text xml:id="ta1675">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0287" xml:id="pb-191" n="[I, Buch 3 (Malerei), S. 100]"/>
          <div>
            <head xml:id="h191.1">Das <hi rendition="#aq">XVI</hi> Capitel.<lb/>
Von<lb/>
Der <hi rendition="#aq">Chines</hi>er Mahlerey/ dem Form- oder<lb/>
in Holz-Schneiden/ und der schwarzen<lb/>
Kunst in Kupfer.</head><lb/>
            <argument>
              <head>Innhalt.</head><lb/>
              <p xml:id="p191.1">Die <hi rendition="#aq">Mahumetan</hi>er/ dulten keine Bildereyen. Die <hi rendition="#aq">Chine</hi>ser lieben solche/ haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben/ und mahlen einfältig/ nur in <hi rendition="#aq">Profil</hi> oder Umriß. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der schwarze <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3024">Higiemond</persName>,</hi> ein <hi rendition="#aq">Indian</hi>er. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Vom Form- oder in Holz-Schneiden. Diese Kunst/ hat zu Erfindung der Buchdruckerey-Kunst anlaß gegeben. Künstlere in dieser Arbeit/ in den <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-127 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7016845">Niederlanden</placeName> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-657 http://d-nb.info/gnd/118729314 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500020789 http://viaf.org/viaf/88878180">Lucas von Leyden</persName>/ in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-257 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000084">Teutschland</placeName> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-12 http://d-nb.info/gnd/11852786X http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500115493 http://viaf.org/viaf/54146999">Albrecht Dürer</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-52 http://d-nb.info/gnd/118542907 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500021832">Grünwalt</persName> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4054">Holbein</persName>. Von der so-genannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Deren Erfinder ist ein Obrist-Leutenant <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4244 http://d-nb.info/gnd/129042978 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500002981 http://viaf.org/viaf/23208215"><hi rendition="#aq">N</hi>. von <hi rendition="#aq">Sieg</hi>en</persName>. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2085 http://d-nb.info/gnd/123190142 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500025331 http://viaf.org/viaf/18124811"><hi rendition="#aq">W. Vaillant</hi></persName> thut wunder hierinnen. Etliche Mahlerey-Regeln.</p>
            </argument>
            <cb/>
            <p xml:id="p191.2"><hi rendition="#in">N</hi>Ach abgehandelter Beschreibung der alten Egyptischen/ Griechischen/ Italiänischen/ Hoch- und Niederteutschen/ und anderer <hi rendition="#aq">Europ</hi>äischen ruhmwürdigen Exempel unserer <hi rendition="#aq">Studi</hi>en/ habe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> vor gut befunden/ auch anderer fremden Nationen hievon habender Wissenschaft zu gedenken. Wiewol nun/ unter denselben/ die Türken/ wie auch die Persianer/ (welche letzere/ in allen ihren Zierlichkeiten und Künsten/ jedesmal <note place="right">Die <hi rendition="#aq">Mahumetan</hi>er dulten keine Bildereyen.</note> mehrern und scharfsinnigern Geist/ als die Türken/ erweisen) als der <hi rendition="#aq">Mahumetan</hi>ischen Religion zugethan/ aus sonderbarer <hi rendition="#aq">devotion</hi> und Andacht/ die Bilderey vor Todsünde haltend/ derer keine unter ihnen gedulten/ noch zu haben verstatten: so sind doch/ unter den andern Barbaren in <note place="right">Die <hi rendition="#aq">Chine</hi>ser lieben solche/</note> <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-349 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000004">Asia</placeName>/ die <hi rendition="#aq">Chine</hi>ser in der Mahl- und Bilderey/ gleichwie sie auch in andren Künsten die subtilesten sind/ ziemlich erfahren: als welche diese beyde Künste/ vor allen andern/ sehr lieben/ sich derselben gebrauchen/ und die/ so sich darauf verstehen/ in hohen Würden halten. Sonderlich bedienen sie sich derselben/ in ihren Tempeln: alda sie viel Abgötter haben/ die sie in allen Nöhten anbeten und verehren.</p>
            <p xml:id="p191.3">Hiernächst bedienen sie sich auch einer großen Menge Gemälde/ zur Zier und Lustbarkeit/ die sie/ in mannigfaltiger vorstellung ihres Lebens und Wandels/ hoch achten. Sie pflegen aber/ fast ingesamt/ ohne einige Regeln/ und nur nach muhtmaßung ihrer betrüglichen Augen/ solche zu verfärtigen. <note place="right">haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben.</note> Dann sie wissen nichts von dem vortrefflichen Gebrauch der Oelfarben/ auch nichts von <hi rendition="#aq">temperi</hi>rung der Härte der Farben/ und solche zu gehorsam zu bringen: sondern sie bedienen sich allein der mit Gummi angemachten Wasserfarben/ wie unsere <hi rendition="#aq">Miniatur</hi>-Mahler/ auf Blätter von Seiden oder Pergamen gemachet.</p>
            <cb/>
            <p xml:id="p191.4">Sie stellen alles einfältig vor/ bloß mit dem <note place="right">Sie mahlen einfältig/</note> Umriß ohne Schatten/ rondiren nichts/ sondern übergehen ganz schlechthin mit Farben ihre Sachen. Sie wissen nicht/wie/ in wahrer Eigenschaft/ ein jedes Ding der gebühr nach zu erheben/ ob es vor- oder hinter sich zu treiben/ oder was für andere notwendige Natürlichkeiten zu beobachten: worauf die <hi rendition="#aq">Europ</hi>äischen Mahlere billig mit allem Fleiß zu sehen pflegen. Von diesen Dingen allen wissen sie/ wie gesagt/ gar nichts/ und sind ihre <note place="right">nur in <hi rendition="#aq">Profil</hi> und Umriß</note> Bilder nur in <hi rendition="#aq">Profil</hi> vorgestellet. Die Angesichter vorwarts ganz zu <hi rendition="#aq">repraesenti</hi>ren/ sind ihnen sehr unbekannte Dinge. Also verfahren sie auch in Landschaften/ Gebäuen/ Thieren/ und andern einfältigen Dingen. Worüber sich nicht wenig zu verwundern ist/ daß solche sonst-kluge Leute von der <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi>-Kunst ganz keine Erfahrung haben. Ihre Werke sind ingemein nicht allein hierinn ganz einfältig/ sondern es erscheinet daran meist das hinterste größer/ als das vördere/ also daß sie den Regeln schnurgrad zuwider handlen.</p>
            <p xml:id="p191.5"><note place="right">Ursach dieser ihrer Unwissenheit.</note><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">Ich</persName> halte aber gänzlich dafür/ wann diese Leute das ausreisen/ aus deren eignen in fremde Länder/ nicht verbotten hätten/ oder unsere <hi rendition="#aq">Europ</hi>äische Mahler zu ihnen kommen ließen/ sie würden unfehlbar/ durch den von Natur ihnen beywohnenden auserlesnen Verstand/ die bäste Vortheile dieser Künste bald erfahren und in stattliche Ubung bringen. In besagter ihrer elenden Mahlerey/ ward <note place="right">Ihr Mahler/ der Schwarze <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3024"><hi rendition="#aq">Higiemondo</hi></persName>, ein <hi rendition="#aq">Indian</hi>er.</note> der <hi rendition="#aq">Indian</hi>er <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3024"><hi rendition="#aq">Higiemondo</hi></persName>, ingemein <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3024">der Schwarze</persName> genannt/ wiewol von aller Kunst entfernet/ für den bästen Künstler gehalten: dessen wahres Contrafät hierneben dem edlen Leser vor augen gestellet wird.</p>
            <p xml:id="p191.6">Es sind/ von diesem abentheurlichen Mahlwerk/ eine ziemliche Anzahl Stücke in meinen Händen/ die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> von den <hi rendition="#aq">Chine</hi>sern selber erhalten: welche mit den uralten alberen Figuren/ die man/ in den vor 200 Jahren gedruckten ersten Büchern/ auch
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[I, Buch 3 (Malerei), S. 100]/0287] Das XVI Capitel. Von Der Chineser Mahlerey/ dem Form- oder in Holz-Schneiden/ und der schwarzen Kunst in Kupfer. Innhalt. Die Mahumetaner/ dulten keine Bildereyen. Die Chineser lieben solche/ haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben/ und mahlen einfältig/ nur in Profil oder Umriß. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der schwarze Higiemond, ein Indianer. Beschreibung etlicher ihrer Gemähl-Stucke. Vom Form- oder in Holz-Schneiden. Diese Kunst/ hat zu Erfindung der Buchdruckerey-Kunst anlaß gegeben. Künstlere in dieser Arbeit/ in den Niederlanden Lucas von Leyden/ in Teutschland Albrecht Dürer/ Grünwalt und Holbein. Von der so-genannten Schwarzen Kunst in Kupfer. Deren Erfinder ist ein Obrist-Leutenant N. von Siegen. W. Vaillant thut wunder hierinnen. Etliche Mahlerey-Regeln. NAch abgehandelter Beschreibung der alten Egyptischen/ Griechischen/ Italiänischen/ Hoch- und Niederteutschen/ und anderer Europäischen ruhmwürdigen Exempel unserer Studien/ habe ich vor gut befunden/ auch anderer fremden Nationen hievon habender Wissenschaft zu gedenken. Wiewol nun/ unter denselben/ die Türken/ wie auch die Persianer/ (welche letzere/ in allen ihren Zierlichkeiten und Künsten/ jedesmal mehrern und scharfsinnigern Geist/ als die Türken/ erweisen) als der Mahumetanischen Religion zugethan/ aus sonderbarer devotion und Andacht/ die Bilderey vor Todsünde haltend/ derer keine unter ihnen gedulten/ noch zu haben verstatten: so sind doch/ unter den andern Barbaren in Asia/ die Chineser in der Mahl- und Bilderey/ gleichwie sie auch in andren Künsten die subtilesten sind/ ziemlich erfahren: als welche diese beyde Künste/ vor allen andern/ sehr lieben/ sich derselben gebrauchen/ und die/ so sich darauf verstehen/ in hohen Würden halten. Sonderlich bedienen sie sich derselben/ in ihren Tempeln: alda sie viel Abgötter haben/ die sie in allen Nöhten anbeten und verehren. Die Mahumetaner dulten keine Bildereyen. Die Chineser lieben solche/Hiernächst bedienen sie sich auch einer großen Menge Gemälde/ zur Zier und Lustbarkeit/ die sie/ in mannigfaltiger vorstellung ihres Lebens und Wandels/ hoch achten. Sie pflegen aber/ fast ingesamt/ ohne einige Regeln/ und nur nach muhtmaßung ihrer betrüglichen Augen/ solche zu verfärtigen. Dann sie wissen nichts von dem vortrefflichen Gebrauch der Oelfarben/ auch nichts von temperirung der Härte der Farben/ und solche zu gehorsam zu bringen: sondern sie bedienen sich allein der mit Gummi angemachten Wasserfarben/ wie unsere Miniatur-Mahler/ auf Blätter von Seiden oder Pergamen gemachet. haben aber keine Wissenschaft von den Oelfarben. Sie stellen alles einfältig vor/ bloß mit dem Umriß ohne Schatten/ rondiren nichts/ sondern übergehen ganz schlechthin mit Farben ihre Sachen. Sie wissen nicht/wie/ in wahrer Eigenschaft/ ein jedes Ding der gebühr nach zu erheben/ ob es vor- oder hinter sich zu treiben/ oder was für andere notwendige Natürlichkeiten zu beobachten: worauf die Europäischen Mahlere billig mit allem Fleiß zu sehen pflegen. Von diesen Dingen allen wissen sie/ wie gesagt/ gar nichts/ und sind ihre Bilder nur in Profil vorgestellet. Die Angesichter vorwarts ganz zu repraesentiren/ sind ihnen sehr unbekannte Dinge. Also verfahren sie auch in Landschaften/ Gebäuen/ Thieren/ und andern einfältigen Dingen. Worüber sich nicht wenig zu verwundern ist/ daß solche sonst-kluge Leute von der Perspectiv-Kunst ganz keine Erfahrung haben. Ihre Werke sind ingemein nicht allein hierinn ganz einfältig/ sondern es erscheinet daran meist das hinterste größer/ als das vördere/ also daß sie den Regeln schnurgrad zuwider handlen. Sie mahlen einfältig/ nur in Profil und Umriß Ich halte aber gänzlich dafür/ wann diese Leute das ausreisen/ aus deren eignen in fremde Länder/ nicht verbotten hätten/ oder unsere Europäische Mahler zu ihnen kommen ließen/ sie würden unfehlbar/ durch den von Natur ihnen beywohnenden auserlesnen Verstand/ die bäste Vortheile dieser Künste bald erfahren und in stattliche Ubung bringen. In besagter ihrer elenden Mahlerey/ ward der Indianer Higiemondo, ingemein der Schwarze genannt/ wiewol von aller Kunst entfernet/ für den bästen Künstler gehalten: dessen wahres Contrafät hierneben dem edlen Leser vor augen gestellet wird. Ursach dieser ihrer Unwissenheit. Ihr Mahler/ der Schwarze Higiemondo, ein Indianer.Es sind/ von diesem abentheurlichen Mahlwerk/ eine ziemliche Anzahl Stücke in meinen Händen/ die ich von den Chinesern selber erhalten: welche mit den uralten alberen Figuren/ die man/ in den vor 200 Jahren gedruckten ersten Büchern/ auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/287
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/287>, abgerufen am 28.03.2024.