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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte Pythagoras seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der [Spaltenumbruch] Auslegung/ über die Telethusa und Isis. wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß Telethusa ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die Isis vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne.

Ende des neundten Buchs.

Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Zehntes Buch.
[Spaltenumbruch]

Vom Orpheus. IN diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen Euridice Beylager hält: Er war ein Sohn des Apollo/ und (wie wir anderwarts gesagt haben) der Calliope/ zu diesem Beylager kam von Creta der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns Iphis/ in das Thracische Ciconien geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den Najaden/ wie unser Poet sagt: Virgilius aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen Aristaeus/ Könige von Arcadien/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie[Spaltenumbruch] vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in Plutonis tunckelm Reich erligen muste. Wie unser Poet/ und Virgilius/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des Orpheus Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. Maro erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ Acheron/ Styx und Cocytus/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ Charon/ war ein Sohn des Erebus/ und der Nacht. Erebus aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich

[Spaltenumbruch] heraus geworffen: sondern es schwinget die leichte Flügel in die Höhe/ und breitet sich von einem zum andern aus. Ein Schiff/ so von der Gewalt der Winde getrieben wird/ kann man mit Anckern und Seilen anhalten und vest legen: wann aber ein Wort/ aus dem Hafen des Mundes/ abgefahren/ ist offtermalen weder Rede/ oder Schiffslage/ weder Ufer/ noch Ancker vorhanden/ so es anhalten und stillen möchten: sondernes lauffet mit grossem Gerüchte auf eine Klippe/ und stürtzt seinen Herrn/ von dem es auskommen/ in den Abgrund des Meers. Weil nun viel Redens/ so gar viel Schadens thun kan: gebotte Pythagoras seinen Lehr-Schülern/ daß sie/ in gantzer fünff Jahren/ kein Wort reden/ sondern schweigen lernen musten/ und diese Schule wurde genennet Echemitie/ oder die Bezwingung der Zunge: dann wer keine Maß im Schweigen zugebrauchen weis/ der [Spaltenumbruch] Auslegung/ über die Telethusa und Isis. wird schwerlich auch mässiglich reden können. Daß Telethusa ihre Zunge bezwingen konte/ war eine Ursach/ daß die Isis vom Tode erlöst/ und in Mannskleidern auferzogen/ auch nachgehends ein Mann worden. Welche gedichtete Veränderung anders nichts andeutet/ dann daß unterweilen eine Tochter wol auferzogen/ gründlich gelehrt/ auch in freyen Künsten/ das bey denen Weibern sonsten ungemein ist/ geschicklich/ unterwiesen und erfahren ist/ daß sich iederman darüber verwundern muß/ wie tüchtig sie sey/ alles das/ was sonsten einem Manne zukommt/ zu bedienen und auszurichten/ also daß sie nachmals/ so wol ihr selbsten/ als ihrem Manne/ Eltern und gantzem Hausgesinde sehr nutz und dienlich seyn könne.

Ende des neundten Buchs.

Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Zehntes Buch.
[Spaltenumbruch]

Vom Orpheus. IN diesem zehnten Buche/ finden wir erstlich den lieblich- und anmuhtig/ spielenden Thracischen Säiten-spieler/ der mit der schönen Euridice Beylager hält: Er war ein Sohn des Apollo/ und (wie wir anderwarts gesagt haben) der Calliope/ zu diesem Beylager kam von Creta der Hochzeit-Gott/ aus der glücklichen Ehe des neu erstandenen Manns Iphis/ in das Thracische Ciconien geflogen/ da er anders nichts/ dann traurige Vorzeichen gab/ dann er keinen frölichen Anblick zeigte/ noch einig angenehmes Wort redete. Die Hochzeit-Kertzen/ welche dieser Gott in der rechten Hand hatte/ war nichts/ dann Rauch/ weil sie von Thränen gantz tunckel brandte/ und zu spratzeln und krachen pflegte. Kürtzlich/ die Braut gieng mit den Najaden/ wie unser Poet sagt: Virgilius aber sagt/ mit dem gantzen Chor der Gesellschafft der Dryaden/ in dem grünen sich zu ergetzen/ und wurde gesehen/ von dem ersten Bienmann/ dem jungen Aristaeus/ Könige von Arcadien/ der sich in sie verliebte/ und ihr nachjagte/ da sie[Spaltenumbruch] vor ihm flüchtig/ endlich durch die tödliche Schlangen-bissige Fersen-Wunde in Plutonis tunckelm Reich erligen muste. Wie unser Poet/ und Virgilius/ im vierdten Buch des Landbaues/ dis alles/ wie auch des Orpheus Hertzweh/ seine Thier-Zähmung/ das Bewegen der sinnlosen Dinge/ die Höllen-fahrt und angenehme Wiederkunft/ mit neuer Traurigkeit über den zweyten Verlust seiner hertzlich-geliebten Gemahlin/ beschreibt. Maro erzehlt/ daß er gerne wieder umgekehrt wäre/ zu versuchen/ ob er mit seinem anmuhtig und lieblichklingendem Säiten/ der grausamen Höllgeister Hertzen besänfftigen möchte. Allein was solte er thun ? der greise unbarmhertzige Fuhrman wolte ihn/ mit seinem alten/ mürben und geflicktem Kahn/ über die drey Höllen-Flüsse/ Acheron/ Styx und Cocytus/ nicht wiederum hinüber führen. Dieser Höllen-Strohm-Fahrer/ Charon/ war ein Sohn des Erebus/ und der Nacht. Erebus aber war von dem Chaos-Volcke/ und nicht um ein Haar besser/ als ein greulicher/ kalter/ tunckler und tieffer Ort der verdammten Seelen/ oder derjenigen/ welche auf dieser Welt viel böses begangen und allda grausamlich

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 116]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/292>, abgerufen am 19.04.2024.