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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Armut.
und ein Anfang der geistlichen Vollkommenheit zu benambsen. Derhal-
ben/ da einsmahls der Pater Vicarius zu St. Maria von Portiuncula
sich bey ihm beklaget/ daß ein so grosse Armut in seinem Kloster herrsche;
daß man den ankommenden Geistlichen die nötige Sachen nicht verschaf-
fen könte; und er also für rathsamb befünde/ einige von den Novitzen mit-
gebrachte Dinge zu behalten/ womit man der so grossen Noth vorbiegen
mögte; dieser GOtt-seelige Franciscus geantwortet dieß seye weit von uns/
mein liebster Bruder/ daß wir umb der Menschen Willen gegen unsere Re-
gul sündigen sollen. Jch will lieber in Zeit der Noth den Altar der Glor-
würdigen Mutter GOttes Mariä berauben/ als gegen das Gelübt der
Armut den geringsten Versuch thuen. Wann wir nun mit diesem Sera-
phischen Vatter verlangen mit geistlichen Güteren bereichet zu werden/ so
müssen wir mit ihm auch alle weltliche verachten. Wann wir unsern Haubt-
Feind im Streit erlegen wollen; sa ist nöthig/ daß wir uns von allen Be-
gierden der zeitlichen Güter entblössen. Und wann wir endlich ohne Hin-
dernuß den Weeg zum himmlischen Vatterland zu wanderen begehren; als
wird sichs geziemen/ daß wir das Büntl der bösen Neigungen zu den Crea-
turen bey zeiten außlehren/ und also der obangezogener Verheissung Chri-
sti: Seelig seynd die/ etc. theilhafftig zu machen uns ohne Unterlaß
befleissigen.

Der dritte Theil.

12. NUn folget die Ubertrettung unseres vor genommenen Gelübts der Ar-
mut: deme zu Folg kan einer/ so mit diesem Gelübt verbunden ist/
nichts geben einem andern/ oder auch von einem andern annehmen ohne
außtrückliche/ oder auffs wenigst vermüthliche stille Erlaubnuß der Obrig-
keit; wann er dieses Gelübt nicht wilt überschreiten. Daß aber einer nach
seinem Belieben etwas geben oder annehmen könne/ darzu wird erfordert
die Herrschaffliche Gewalt über selbige Sachen; dieweiln ein Geistlicher
vermög deß Gelübts der Armut sich dieser Gewalt beraubt; so sündi-
get derselbige/ wann er nemblich ohne Erlaubnuß der Obrigkeit handlet/
wie vorgemeldet ist. Dahero schreibt Boverius/ daß ein Geistlicher auß dem
Orden deß H. Francisci/ so von allen für einen frommen Geistlichen gehalten
worden/ in seinem Todts-Bett auff alle Fragen nit anders geantwortet/ alsAnnal.
A. 1569.
Historia:

dieses: die H. Sacramenten brauche ich nit/ dieweilen ich verdammet bin.
Dieser hat die zwey Ursachen seines Verderbens offenbahret; nemblich
daß er an Statt der gebürlicher Anklagung sich entschuldiget habe:
und daß er einige geistliche Geschenck zu geben und von andern ohne

Erlaub-

Von der Armut.
und ein Anfang der geiſtlichen Vollkommenheit zu benambſen. Derhal-
ben/ da einsmahls der Pater Vicarius zu St. Maria von Portiuncula
ſich bey ihm beklaget/ daß ein ſo groſſe Armut in ſeinem Kloſter herrſche;
daß man den ankommenden Geiſtlichen die noͤtige Sachen nicht verſchaf-
fen koͤnte; und er alſo fuͤr rathſamb befuͤnde/ einige von den Novitzen mit-
gebrachte Dinge zu behalten/ womit man der ſo groſſen Noth vorbiegen
moͤgte; dieſer GOtt-ſeelige Franciſcus geantwortet dieß ſeye weit von uns/
mein liebſter Bruder/ daß wir umb der Menſchen Willen gegen unſere Re-
gul ſuͤndigen ſollen. Jch will lieber in Zeit der Noth den Altar der Glor-
wuͤrdigen Mutter GOttes Mariaͤ berauben/ als gegen das Geluͤbt der
Armut den geringſten Verſuch thuen. Wann wir nun mit dieſem Sera-
phiſchen Vatter verlangen mit geiſtlichen Guͤteren bereichet zu werden/ ſo
muͤſſen wir mit ihm auch alle weltliche verachten. Wann wir unſern Haubt-
Feind im Streit erlegen wollen; ſa iſt noͤthig/ daß wir uns von allen Be-
gierden der zeitlichen Guͤter entbloͤſſen. Und wann wir endlich ohne Hin-
dernuß den Weeg zum himmliſchen Vatterland zu wanderen begehren; als
wird ſichs geziemen/ daß wir das Buͤntl der boͤſen Neigungen zu den Crea-
turen bey zeiten außlehren/ und alſo der obangezogener Verheiſſung Chri-
ſti: Seelig ſeynd die/ ꝛc. theilhafftig zu machen uns ohne Unterlaß
befleiſſigen.

Der dritte Theil.

12. NUn folget die Ubertrettung unſeres vor genommenen Geluͤbts der Ar-
mut: deme zu Folg kan einer/ ſo mit dieſem Geluͤbt verbunden iſt/
nichts geben einem andern/ oder auch von einem andern annehmen ohne
außtruͤckliche/ oder auffs wenigſt vermuͤthliche ſtille Erlaubnuß der Obrig-
keit; wann er dieſes Geluͤbt nicht wilt uͤberſchreiten. Daß aber einer nach
ſeinem Belieben etwas geben oder annehmen koͤnne/ darzu wird erfordert
die Herrſchaffliche Gewalt uͤber ſelbige Sachen; dieweiln ein Geiſtlicher
vermoͤg deß Geluͤbts der Armut ſich dieſer Gewalt beraubt; ſo ſuͤndi-
get derſelbige/ wann er nemblich ohne Erlaubnuß der Obrigkeit handlet/
wie vorgemeldet iſt. Dahero ſchreibt Boverius/ daß ein Geiſtlicher auß dem
Orden deß H. Franciſci/ ſo von allen fuͤr einen frommen Geiſtlichen gehalten
worden/ in ſeinem Todts-Bett auff alle Fragen nit anders geantwortet/ alsAnnal.
A. 1569.
Hiſtoria:

dieſes: die H. Sacramenten brauche ich nit/ dieweilen ich verdammet bin.
Dieſer hat die zwey Urſachen ſeines Verderbens offenbahret; nemblich
daß er an Statt der gebuͤrlicher Anklagung ſich entſchuldiget habe:
und daß er einige geiſtliche Geſchenck zu geben und von andern ohne

Erlaub-
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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/203>, abgerufen am 29.03.2024.