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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Einsambkeit.
len/ und dieserthalben kan ich GOTT nicht verlassen/
und bey den Menschen seyn.

4. Und warlich/ wann schon kein andere Frucht auß der steten Bewoh-
nung der Cellen zu gewarten wäre/ als eben diese/ daß man nemblich dadurch
von den immer vorfallenden Verstöhrungen bey den Leuthen befreyet wer-
de; so solldoch selbige solche Einsambkeit zu lieben gnug seyn. Lehret es
nicht die tägliche Erfahrnuß/ daß/ weilen die Menschen nicht eines Sins
seynd/ man allen nicht gnug thuen könne; und wie sich einer aller seinen
Schuldigkeit vollkommentlich nachzukommen immer befleisse/ dannoch
viele Widersager/ nicht ohne Zerstreuung seines Gemüths/ erfahren müsse.
Der aber mit GOTT und den Seinigen zu schaffen hat/ wird kein Wi-
dersprechen/ sondern vielmehr grosse Ruhe und Zufriedenheit seines Her-
tzens empfinden. Derhalben wird ein fleissiger Jnwohner der Cellen von
dem H. Ephrem seelig gesprochen. Und der H. Petrus Damianus sagt al-
so zu unserm Vorhaben: Eins weiß ich gewiß/ O du gebe-Opusc.
11. c.
19.

nedeytes Leben/ so ich auch von dir unzweifflend bezeu-
ge/ daß alle die jenige/ so in der Brunst deiner Lieb zu
verharren sich unterstehen/ Sie zwarn deine Jnwohner/
ihr Jnwohner aber GOTT seye.
Nicht weniger höre/ mein
Christliche Seel/ den H. Bernardum/ und schreibe zum unaußsprechlichen
Vortheil deines geistlichen Lebens/ die Wort desselben in dein Hertz: Flie-Serm. 40.
in Cant.

he/ sagt er/ das Außgehen/ fliehe auch deine eigene Hauß-
Genossen/ weiche von deinen vertrauten Freunden/
und so gar von dem/ der dir dienet. Weistu nicht/
daß du einen schamhafftigen Bräutigam hast/ wel-
cher seme Gegenwart dir nicht erlaubet in beyseyn einiger
anderen?

Der Andere Theil.

5. BJllig ist zu verwundern/ daß der Allgewaltige GOtt sein außer-
wähltes/ und auß der schwähren Dienstbarkeit deß Pharaonis
erledigtes Volck/ durch keinen andern Weeg zum Gelobten Land
als durch die Wüsten hat führen/ und so lang darin auffhalten wollen/ da doch
selbiges durch einen viel näheren und bequemlicheren Weeg deß Ver-

spro-

Von der Einſambkeit.
len/ und dieſerthalben kan ich GOTT nicht verlaſſen/
und bey den Menſchen ſeyn.

4. Und warlich/ wann ſchon kein andere Frucht auß der ſteten Bewoh-
nung der Cellen zu gewarten waͤre/ als eben dieſe/ daß man nemblich dadurch
von den immer vorfallenden Verſtoͤhrungen bey den Leuthen befreyet wer-
de; ſo ſolldoch ſelbige ſolche Einſambkeit zu lieben gnug ſeyn. Lehret es
nicht die taͤgliche Erfahrnuß/ daß/ weilen die Menſchen nicht eines Sins
ſeynd/ man allen nicht gnug thuen koͤnne; und wie ſich einer aller ſeinen
Schuldigkeit vollkommentlich nachzukommen immer befleiſſe/ dannoch
viele Widerſager/ nicht ohne Zerſtreuung ſeines Gemuͤths/ erfahren muͤſſe.
Der aber mit GOTT und den Seinigen zu ſchaffen hat/ wird kein Wi-
derſprechen/ ſondern vielmehr groſſe Ruhe und Zufriedenheit ſeines Her-
tzens empfinden. Derhalben wird ein fleiſſiger Jnwohner der Cellen von
dem H. Ephrem ſeelig geſprochen. Und der H. Petrus Damianus ſagt al-
ſo zu unſerm Vorhaben: Eins weiß ich gewiß/ O du gebe-Opuſc.
11. c.
19.

nedeytes Leben/ ſo ich auch von dir unzweifflend bezeu-
ge/ daß alle die jenige/ ſo in der Brunſt deiner Lieb zu
verharren ſich unterſtehen/ Sie zwarn deine Jnwohner/
ihr Jnwohner aber GOTT ſeye.
Nicht weniger hoͤre/ mein
Chriſtliche Seel/ den H. Bernardum/ und ſchreibe zum unaußſprechlichen
Vortheil deines geiſtlichen Lebens/ die Wort deſſelben in dein Hertz: Flie-Serm. 40.
in Cant.

he/ ſagt er/ das Außgehen/ fliehe auch deine eigene Hauß-
Genoſſen/ weiche von deinen vertrauten Freunden/
und ſo gar von dem/ der dir dienet. Weiſtu nicht/
daß du einen ſchamhafftigen Braͤutigam haſt/ wel-
cher ſeme Gegenwart dir nicht erlaubet in beyſeyn einiger
anderen?

Der Andere Theil.

5. BJllig iſt zu verwundern/ daß der Allgewaltige GOtt ſein außer-
waͤhltes/ und auß der ſchwaͤhren Dienſtbarkeit deß Pharaonis
erledigtes Volck/ durch keinen andern Weeg zum Gelobten Land
als durch die Wuͤſten hat fuͤhren/ und ſo lang darin auffhalten wollen/ da doch
ſelbiges durch einen viel naͤheren und bequemlicheren Weeg deß Ver-

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[239/0267] Von der Einſambkeit. len/ und dieſerthalben kan ich GOTT nicht verlaſſen/ und bey den Menſchen ſeyn. 4. Und warlich/ wann ſchon kein andere Frucht auß der ſteten Bewoh- nung der Cellen zu gewarten waͤre/ als eben dieſe/ daß man nemblich dadurch von den immer vorfallenden Verſtoͤhrungen bey den Leuthen befreyet wer- de; ſo ſolldoch ſelbige ſolche Einſambkeit zu lieben gnug ſeyn. Lehret es nicht die taͤgliche Erfahrnuß/ daß/ weilen die Menſchen nicht eines Sins ſeynd/ man allen nicht gnug thuen koͤnne; und wie ſich einer aller ſeinen Schuldigkeit vollkommentlich nachzukommen immer befleiſſe/ dannoch viele Widerſager/ nicht ohne Zerſtreuung ſeines Gemuͤths/ erfahren muͤſſe. Der aber mit GOTT und den Seinigen zu ſchaffen hat/ wird kein Wi- derſprechen/ ſondern vielmehr groſſe Ruhe und Zufriedenheit ſeines Her- tzens empfinden. Derhalben wird ein fleiſſiger Jnwohner der Cellen von dem H. Ephrem ſeelig geſprochen. Und der H. Petrus Damianus ſagt al- ſo zu unſerm Vorhaben: Eins weiß ich gewiß/ O du gebe- nedeytes Leben/ ſo ich auch von dir unzweifflend bezeu- ge/ daß alle die jenige/ ſo in der Brunſt deiner Lieb zu verharren ſich unterſtehen/ Sie zwarn deine Jnwohner/ ihr Jnwohner aber GOTT ſeye. Nicht weniger hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ den H. Bernardum/ und ſchreibe zum unaußſprechlichen Vortheil deines geiſtlichen Lebens/ die Wort deſſelben in dein Hertz: Flie- he/ ſagt er/ das Außgehen/ fliehe auch deine eigene Hauß- Genoſſen/ weiche von deinen vertrauten Freunden/ und ſo gar von dem/ der dir dienet. Weiſtu nicht/ daß du einen ſchamhafftigen Braͤutigam haſt/ wel- cher ſeme Gegenwart dir nicht erlaubet in beyſeyn einiger anderen? Opuſc. 11. c. 19. Serm. 40. in Cant. Der Andere Theil. 5. BJllig iſt zu verwundern/ daß der Allgewaltige GOtt ſein außer- waͤhltes/ und auß der ſchwaͤhren Dienſtbarkeit deß Pharaonis erledigtes Volck/ durch keinen andern Weeg zum Gelobten Land als durch die Wuͤſten hat fuͤhren/ und ſo lang darin auffhalten wollen/ da doch ſelbiges durch einen viel naͤheren und bequemlicheren Weeg deß Ver- ſpro-

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/267>, abgerufen am 28.03.2024.