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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Gedult der Geistlichen.
ist/ von dir hinweg werffen. Gleich wie die Kleider durch die Seiffen gewa-
schen werden/ also wird die Seel durch die Kranckheiten gereiniget. Die
Kranckheit deß Leibs ist das Heylder Seelen. Die Tugend wachset niemah-
len besser als in den Kranckheiten.

11. Zum Hunger/ Durst/ Kälte und Hitze gedultiglich zu leiden/ geben uns
schier alle Heilige Gottes grosse Anreitzung. Und damit wir der schädlichen
Ungedult nicht unterwerffen sollen/ wan eben die Speisen nach unserm Wil-
len nicht zubereitet seynd; daß lehret mit einem sehr schönen Exempel ein si-
cher geistlicher Altvatter/ welcher in seiner langwirigen Kranckheit gar nichts
essen können: dessen Jünger aber hat ihm endlich ein gutes Müßlein kochen/Pelag. l.
4. n. 59. &
Ruff. n.
51. in vit.
P. P.

und zum Essen nöthigen wollen/ hat aber auß Unachtsambkeit an Platz deß
Hönigs das Müßlein mit Leinöl angemacht. Von diesem übel geschmierten
Müßlein hat der Alte gessen/ und nichts gesagt: da ihm nun der erwehnte
Jünger zum drittenmahl weiters zu essen nöthigen wollen/ hat er ein wenig
gekostet/ und gesagt/ mein Sohn/ ich kan nicht essen. Der Jünger/ auff daß er
den alten Vatter zum weitern Essen überreden möchte/ hat selbst von dem
Müßlein gessen/ und gleich zu Anfangs seinen begangenen Fehler vermerckt:
daher ist er alsbald auff sein Angesicht gefallen/ und gesagt wehe mir/ O Vat-
ter/ ich hab dich umbs Leben gebracht! diese Sünd hast du mir auffgebürdet/
weilen du mir nichts gesagt hast: der Alte aber hat ihn getröstet und geantwor-
tet: wann es Gott wäre gefällig gewesen/ daß ich ein bessere Speiß hätte ge-
niessen sollen; so hättest du ohne Zweiffel an statt deß Leinöls Hönig ins
Mueß gethan. Auß diesem und andern Lehr-Stücken versamble dir/ mein
Christliche Seel/ die jenige Früchten/ deren du dich in Zeit der Versuchung
bedienen kanst.

Der dritte Theil.

1. WEilen es fast gemein ist/ daß die Göttliche Majestät ihre Diener
durch unterschiedliche Unbill versuche; als will sichs geziemen/
daß ein jeder Geistlicher/ alle Verzagung zu verhüten/ gegen die-
ses grosse Ungewitter deß Unbills sich bester massen versehe. Vor allem aber
muß er sich befleissen; daß er die jenige Schmach/ so ihm von seiner Obrig-
keit/ oder auß einer Versuchung/ oder als eine verdiente Straff wird ange-
than/ standhafftiglich außstehe/ und gedencke der güldenen Wort deß gottse-
ligen Martini Dumiensis: Wann man dich ermahnet/L. de virt.
Capi. c.
3.

daß soll dir lieb seyn: wann man dich straffet/ so sollst
du geduldig seyn: wann dich einer auß billigen

Vr-
N n 2

Von der Gedult der Geiſtlichen.
iſt/ von dir hinweg werffen. Gleich wie die Kleider durch die Seiffen gewa-
ſchen werden/ alſo wird die Seel durch die Kranckheiten gereiniget. Die
Kranckheit deß Leibs iſt das Heylder Seelen. Die Tugend wachſet niemah-
len beſſer als in den Kranckheiten.

11. Zum Hunger/ Durſt/ Kaͤlte und Hitze gedultiglich zu leiden/ geben uns
ſchier alle Heilige Gottes groſſe Anreitzung. Und damit wir der ſchaͤdlichen
Ungedult nicht unterwerffen ſollen/ wan eben die Speiſen nach unſerm Wil-
len nicht zubereitet ſeynd; daß lehret mit einem ſehr ſchoͤnen Exempel ein ſi-
cher geiſtlicher Altvatter/ welcher in ſeiner langwirigen Kranckheit gar nichts
eſſen koͤnnen: deſſen Juͤnger aber hat ihm endlich ein gutes Muͤßlein kochen/Pelag. l.
4. n. 59. &
Ruff. n.
51. in vit.
P. P.

und zum Eſſen noͤthigen wollen/ hat aber auß Unachtſambkeit an Platz deß
Hoͤnigs das Muͤßlein mit Leinoͤl angemacht. Von dieſem uͤbel geſchmierten
Muͤßlein hat der Alte geſſen/ und nichts geſagt: da ihm nun der erwehnte
Juͤnger zum drittenmahl weiters zu eſſen noͤthigen wollen/ hat er ein wenig
gekoſtet/ und geſagt/ mein Sohn/ ich kan nicht eſſen. Der Juͤnger/ auff daß er
den alten Vatter zum weitern Eſſen uͤberreden moͤchte/ hat ſelbſt von dem
Muͤßlein geſſen/ und gleich zu Anfangs ſeinen begangenen Fehler vermerckt:
daher iſt er alsbald auff ſein Angeſicht gefallen/ und geſagt wehe mir/ O Vat-
ter/ ich hab dich umbs Leben gebracht! dieſe Suͤnd haſt du mir auffgebuͤrdet/
weilen du mir nichts geſagt haſt: der Alte aber hat ihn getroͤſtet und geantwor-
tet: wann es Gott waͤre gefaͤllig geweſen/ daß ich ein beſſere Speiß haͤtte ge-
nieſſen ſollen; ſo haͤtteſt du ohne Zweiffel an ſtatt deß Leinoͤls Hoͤnig ins
Mueß gethan. Auß dieſem und andern Lehr-Stuͤcken verſamble dir/ mein
Chriſtliche Seel/ die jenige Fruͤchten/ deren du dich in Zeit der Verſuchung
bedienen kanſt.

Der dritte Theil.

1. WEilen es faſt gemein iſt/ daß die Goͤttliche Majeſtaͤt ihre Diener
durch unterſchiedliche Unbill verſuche; als will ſichs geziemen/
daß ein jeder Geiſtlicher/ alle Verzagung zu verhuͤten/ gegen die-
ſes groſſe Ungewitter deß Unbills ſich beſter maſſen verſehe. Vor allem aber
muß er ſich befleiſſen; daß er die jenige Schmach/ ſo ihm von ſeiner Obrig-
keit/ oder auß einer Verſuchung/ oder als eine verdiente Straff wird ange-
than/ ſtandhafftiglich außſtehe/ und gedencke der guͤldenen Wort deß gottſe-
ligen Martini Dumienſis: Wann man dich ermahnet/L. de virt.
Capi. c.
3.

daß ſoll dir lieb ſeyn: wann man dich ſtraffet/ ſo ſollſt
du gedůldig ſeyn: wann dich einer auß billigen

Vr-
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[283/0311] Von der Gedult der Geiſtlichen. iſt/ von dir hinweg werffen. Gleich wie die Kleider durch die Seiffen gewa- ſchen werden/ alſo wird die Seel durch die Kranckheiten gereiniget. Die Kranckheit deß Leibs iſt das Heylder Seelen. Die Tugend wachſet niemah- len beſſer als in den Kranckheiten. 11. Zum Hunger/ Durſt/ Kaͤlte und Hitze gedultiglich zu leiden/ geben uns ſchier alle Heilige Gottes groſſe Anreitzung. Und damit wir der ſchaͤdlichen Ungedult nicht unterwerffen ſollen/ wan eben die Speiſen nach unſerm Wil- len nicht zubereitet ſeynd; daß lehret mit einem ſehr ſchoͤnen Exempel ein ſi- cher geiſtlicher Altvatter/ welcher in ſeiner langwirigen Kranckheit gar nichts eſſen koͤnnen: deſſen Juͤnger aber hat ihm endlich ein gutes Muͤßlein kochen/ und zum Eſſen noͤthigen wollen/ hat aber auß Unachtſambkeit an Platz deß Hoͤnigs das Muͤßlein mit Leinoͤl angemacht. Von dieſem uͤbel geſchmierten Muͤßlein hat der Alte geſſen/ und nichts geſagt: da ihm nun der erwehnte Juͤnger zum drittenmahl weiters zu eſſen noͤthigen wollen/ hat er ein wenig gekoſtet/ und geſagt/ mein Sohn/ ich kan nicht eſſen. Der Juͤnger/ auff daß er den alten Vatter zum weitern Eſſen uͤberreden moͤchte/ hat ſelbſt von dem Muͤßlein geſſen/ und gleich zu Anfangs ſeinen begangenen Fehler vermerckt: daher iſt er alsbald auff ſein Angeſicht gefallen/ und geſagt wehe mir/ O Vat- ter/ ich hab dich umbs Leben gebracht! dieſe Suͤnd haſt du mir auffgebuͤrdet/ weilen du mir nichts geſagt haſt: der Alte aber hat ihn getroͤſtet und geantwor- tet: wann es Gott waͤre gefaͤllig geweſen/ daß ich ein beſſere Speiß haͤtte ge- nieſſen ſollen; ſo haͤtteſt du ohne Zweiffel an ſtatt deß Leinoͤls Hoͤnig ins Mueß gethan. Auß dieſem und andern Lehr-Stuͤcken verſamble dir/ mein Chriſtliche Seel/ die jenige Fruͤchten/ deren du dich in Zeit der Verſuchung bedienen kanſt. Pelag. l. 4. n. 59. & Ruff. n. 51. in vit. P. P. Der dritte Theil. 1. WEilen es faſt gemein iſt/ daß die Goͤttliche Majeſtaͤt ihre Diener durch unterſchiedliche Unbill verſuche; als will ſichs geziemen/ daß ein jeder Geiſtlicher/ alle Verzagung zu verhuͤten/ gegen die- ſes groſſe Ungewitter deß Unbills ſich beſter maſſen verſehe. Vor allem aber muß er ſich befleiſſen; daß er die jenige Schmach/ ſo ihm von ſeiner Obrig- keit/ oder auß einer Verſuchung/ oder als eine verdiente Straff wird ange- than/ ſtandhafftiglich außſtehe/ und gedencke der guͤldenen Wort deß gottſe- ligen Martini Dumienſis: Wann man dich ermahnet/ daß ſoll dir lieb ſeyn: wann man dich ſtraffet/ ſo ſollſt du gedůldig ſeyn: wann dich einer auß billigen Vr- L. de virt. Capi. c. 3. N n 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/311>, abgerufen am 20.04.2024.