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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Sechste Geistliche Lection.
gesichts dergestalt eingenommen werden; daß du vor Frewden deine Wider-
wärtigkeit zumahlen vergessest: und werdest also auß einem Elend machen
ein Paradeiß/ nicht allein hier zeitlich/ sondern auch dorten ewiglich/ Amen.



Die Sechste Geistliche
LECTION
Von der
Brüderlichen Liebe.
Mandatum novum do vobis, ut diligatis invicem sicut
Joan 31.
v.
34.
dilexi vos.

Jch gebe euch ein neues Gebott/ daß ihr euch unter-
einander liebet/ wie ich euch geliebt hab.

Der Erste Theil.

1. D Jeweilen die Schrifft-Gelehrten sagen/ daß der Gebrauch der
Liebe/ so viel er GOtt und den Nechsten betrifft/ eins seye: so
wollen wir/ der Gebühr Gemäß/ nach hiebevor abgehandleter
Liebe GOttes/ nun auch die Liebe deß Nechstens vornehmen. Wie man
aber den Nächsten lieben soll/ daß lehret uns das dritte Buch Moysis/
19. v. 18.Leviticus genannt/ mit diesen Worten: Diliges proximum tuum suat se
ipsum.
Du solt deinen Nächsten lieben wie dich selbsten.
Umb dieses wohl zu begreiffen/ sagt der Englische Doetor Thomas/ das sol-
22. q. 25.
art.
7.
che Lieb zweyfachig seye. Die erste/ meldet er/ seye unordentlich und böß/
mit welcher man einen außwendigen Menschen und das Fleisch/ so er mit an-
dern Thieren ins gemein hat/ liebet. Die andere spricht er/ seye ordentlich
und gut/ krafft deren man liebet die Vortreff lichkeit deß innersten Men-
schen/ und das Leben nach dem Gesetz der Vernunfft einrichtet. Dieser
Liebe Gemäß müssen wir reguliren unsere Liebe; wie gar schön vermercket
der H. Augustinus/ und uns ermahnet auff folgende Weiß: Erstlich
sehe zu/ ob du wissest zu lieben dich selbsten; und alsdann
befehle dir deinen Nächsten/ den du lieben solst wie dich
selbsten/ wann du aber noch nicht weiß/ wie du solst
lieben dich selbsten/ so förchte ich/ du werdest deinen Näch-

sten

Die Sechſte Geiſtliche Lection.
geſichts dergeſtalt eingenommen werden; daß du vor Frewden deine Wider-
waͤrtigkeit zumahlen vergeſſeſt: und werdeſt alſo auß einem Elend machen
ein Paradeiß/ nicht allein hier zeitlich/ ſondern auch dorten ewiglich/ Amen.



Die Sechſte Geiſtliche
LECTION
Von der
Bruͤderlichen Liebe.
Mandatum novum do vobis, ut diligatis invicem ſicut
Joan 31.
v.
34.
dilexi vos.

Jch gebe euch ein neues Gebott/ daß ihr euch unter-
einander liebet/ wie ich euch geliebt hab.

Der Erſte Theil.

1. D Jeweilen die Schrifft-Gelehrten ſagen/ daß der Gebrauch der
Liebe/ ſo viel er GOtt und den Nechſten betrifft/ eins ſeye: ſo
wollen wir/ der Gebuͤhr Gemaͤß/ nach hiebevor abgehandleter
Liebe GOttes/ nun auch die Liebe deß Nechſtens vornehmen. Wie man
aber den Naͤchſten lieben ſoll/ daß lehret uns das dritte Buch Moyſis/
19. v. 18.Leviticus genannt/ mit dieſen Worten: Diliges proximum tuum ſuat ſe
ipſum.
Du ſolt deinen Naͤchſten lieben wie dich ſelbſten.
Umb dieſes wohl zu begreiffen/ ſagt der Engliſche Doetor Thomas/ das ſol-
22. q. 25.
art.
7.
che Lieb zweyfachig ſeye. Die erſte/ meldet er/ ſeye unordentlich und boͤß/
mit welcher man einen außwendigen Menſchen und das Fleiſch/ ſo er mit an-
dern Thieren ins gemein hat/ liebet. Die andere ſpricht er/ ſeye ordentlich
und gut/ krafft deren man liebet die Vortreff lichkeit deß innerſten Men-
ſchen/ und das Leben nach dem Geſetz der Vernunfft einrichtet. Dieſer
Liebe Gemaͤß muͤſſen wir reguliren unſere Liebe; wie gar ſchoͤn vermercket
der H. Auguſtinus/ und uns ermahnet auff folgende Weiß: Erſtlich
ſehe zu/ ob du wiſſeſt zu lieben dich ſelbſten; und alsdann
befehle dir deinen Naͤchſten/ den du lieben ſolſt wie dich
ſelbſten/ wann du aber noch nicht weiß/ wie du ſolſt
lieben dich ſelbſten/ ſo foͤrchte ich/ du werdeſt deinen Naͤch-

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[54/0082] Die Sechſte Geiſtliche Lection. geſichts dergeſtalt eingenommen werden; daß du vor Frewden deine Wider- waͤrtigkeit zumahlen vergeſſeſt: und werdeſt alſo auß einem Elend machen ein Paradeiß/ nicht allein hier zeitlich/ ſondern auch dorten ewiglich/ Amen. Die Sechſte Geiſtliche LECTION Von der Bruͤderlichen Liebe. Mandatum novum do vobis, ut diligatis invicem ſicut dilexi vos. Jch gebe euch ein neues Gebott/ daß ihr euch unter- einander liebet/ wie ich euch geliebt hab. Der Erſte Theil. 1. D Jeweilen die Schrifft-Gelehrten ſagen/ daß der Gebrauch der Liebe/ ſo viel er GOtt und den Nechſten betrifft/ eins ſeye: ſo wollen wir/ der Gebuͤhr Gemaͤß/ nach hiebevor abgehandleter Liebe GOttes/ nun auch die Liebe deß Nechſtens vornehmen. Wie man aber den Naͤchſten lieben ſoll/ daß lehret uns das dritte Buch Moyſis/ Leviticus genannt/ mit dieſen Worten: Diliges proximum tuum ſuat ſe ipſum. Du ſolt deinen Naͤchſten lieben wie dich ſelbſten. Umb dieſes wohl zu begreiffen/ ſagt der Engliſche Doetor Thomas/ das ſol- che Lieb zweyfachig ſeye. Die erſte/ meldet er/ ſeye unordentlich und boͤß/ mit welcher man einen außwendigen Menſchen und das Fleiſch/ ſo er mit an- dern Thieren ins gemein hat/ liebet. Die andere ſpricht er/ ſeye ordentlich und gut/ krafft deren man liebet die Vortreff lichkeit deß innerſten Men- ſchen/ und das Leben nach dem Geſetz der Vernunfft einrichtet. Dieſer Liebe Gemaͤß muͤſſen wir reguliren unſere Liebe; wie gar ſchoͤn vermercket der H. Auguſtinus/ und uns ermahnet auff folgende Weiß: Erſtlich ſehe zu/ ob du wiſſeſt zu lieben dich ſelbſten; und alsdann befehle dir deinen Naͤchſten/ den du lieben ſolſt wie dich ſelbſten/ wann du aber noch nicht weiß/ wie du ſolſt lieben dich ſelbſten/ ſo foͤrchte ich/ du werdeſt deinen Naͤch- ſten 19. v. 18. 22. q. 25. art. 7.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/82>, abgerufen am 28.03.2024.