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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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führung auf die gemeinsame Quelle unverständlich
bleiben müssen.

Gegen diesen nicht wenig verwickelten Zustand
der Rechtsquellen in Deutschland, wie er aus der
Verbindung des schon an sich sehr zusammen gesetzten
gemeinen Rechts mit den Landesrechten hervorgieng,
sind die größten Klagen geführt worden. Diejeni-
gen, welche das Studium betreffen, werden besser
unten ihre Stelle finden: einige aber betreffen die
Rechtspflege selbst.

Erstlich soll dadurch die übermäßig lange Dauer
der Prozesse in vielen Deutschen Ländern bewirkt wor-
den seyn. Dieses Uebel selbst wird niemand abläug-
nen oder für unbedeutend erklären können, aber man
thut den Richtern in solchen Ländern in der That zu
viel Ehre an, wenn man glaubt, auf das ängstliche
Grübeln über der schweren Theorie werde so viele Zeit
verwendet. Ueber diese Theorie hilft das erste Com-
pendium oder Handbuch hinweg, welches zur Hand
ist: schlecht vielleicht, aber gewiß mit nicht mehr Auf-
wand von Zeit als das vortrefflichste Gesetzbuch. Je-
nes Uebel entspringt vorzüglich aus der heillosen
Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört
allerdings zu den dringendsten Bedürfnissen: die
Quellen des bürgerlichen Rechts sind daran schuldlos.
Daß dem so ist, wird jeder Unbefangene zugeben,
welcher Acten aufmerksam gelesen hat. Auch die Er-
fahrung einzelner Länder spricht dafür, so z. B. war

führung auf die gemeinſame Quelle unverſtändlich
bleiben müſſen.

Gegen dieſen nicht wenig verwickelten Zuſtand
der Rechtsquellen in Deutſchland, wie er aus der
Verbindung des ſchon an ſich ſehr zuſammen geſetzten
gemeinen Rechts mit den Landesrechten hervorgieng,
ſind die größten Klagen geführt worden. Diejeni-
gen, welche das Studium betreffen, werden beſſer
unten ihre Stelle finden: einige aber betreffen die
Rechtspflege ſelbſt.

Erſtlich ſoll dadurch die übermäßig lange Dauer
der Prozeſſe in vielen Deutſchen Ländern bewirkt wor-
den ſeyn. Dieſes Uebel ſelbſt wird niemand abläug-
nen oder für unbedeutend erklären können, aber man
thut den Richtern in ſolchen Ländern in der That zu
viel Ehre an, wenn man glaubt, auf das ängſtliche
Grübeln über der ſchweren Theorie werde ſo viele Zeit
verwendet. Ueber dieſe Theorie hilft das erſte Com-
pendium oder Handbuch hinweg, welches zur Hand
iſt: ſchlecht vielleicht, aber gewiß mit nicht mehr Auf-
wand von Zeit als das vortrefflichſte Geſetzbuch. Je-
nes Uebel entſpringt vorzüglich aus der heilloſen
Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört
allerdings zu den dringendſten Bedürfniſſen: die
Quellen des bürgerlichen Rechts ſind daran ſchuldlos.
Daß dem ſo iſt, wird jeder Unbefangene zugeben,
welcher Acten aufmerkſam geleſen hat. Auch die Er-
fahrung einzelner Länder ſpricht dafür, ſo z. B. war

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[40/0050] führung auf die gemeinſame Quelle unverſtändlich bleiben müſſen. Gegen dieſen nicht wenig verwickelten Zuſtand der Rechtsquellen in Deutſchland, wie er aus der Verbindung des ſchon an ſich ſehr zuſammen geſetzten gemeinen Rechts mit den Landesrechten hervorgieng, ſind die größten Klagen geführt worden. Diejeni- gen, welche das Studium betreffen, werden beſſer unten ihre Stelle finden: einige aber betreffen die Rechtspflege ſelbſt. Erſtlich ſoll dadurch die übermäßig lange Dauer der Prozeſſe in vielen Deutſchen Ländern bewirkt wor- den ſeyn. Dieſes Uebel ſelbſt wird niemand abläug- nen oder für unbedeutend erklären können, aber man thut den Richtern in ſolchen Ländern in der That zu viel Ehre an, wenn man glaubt, auf das ängſtliche Grübeln über der ſchweren Theorie werde ſo viele Zeit verwendet. Ueber dieſe Theorie hilft das erſte Com- pendium oder Handbuch hinweg, welches zur Hand iſt: ſchlecht vielleicht, aber gewiß mit nicht mehr Auf- wand von Zeit als das vortrefflichſte Geſetzbuch. Je- nes Uebel entſpringt vorzüglich aus der heilloſen Prozeßform vieler Länder, und deren Reform gehört allerdings zu den dringendſten Bedürfniſſen: die Quellen des bürgerlichen Rechts ſind daran ſchuldlos. Daß dem ſo iſt, wird jeder Unbefangene zugeben, welcher Acten aufmerkſam geleſen hat. Auch die Er- fahrung einzelner Länder ſpricht dafür, ſo z. B. war

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/50>, abgerufen am 29.03.2024.