Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Vor Justinian also hatten alle Decrete nur in dem vor-
liegenden Rechtsfall Gesetzeskraft: durch seine neue Verord-
nung wurde den Endurtheilen eine ausgedehntere Wirk-
samkeit gegeben, indem die in ihnen enthaltene Rechtsregel
als allgemeines Gesetz angesehen werden sollte.

Die Natur dieses Gegensatzes ist von den neueren Ju-
risten großentheils misverstanden worden. Sie haben ihn
verwechselt erstlich mit der Beschränkung der Rechtskraft
auf die Parteyen in diesem Prozeß. Allein die Rechts-
kraft betrifft das einzelne Rechtsverhältniß, und diese sollte
auch hier nicht ausgedehnt werden; hatte also der Kaiser
in einem Erbschaftsstreit zwischen zwey Personen entschie-
den, so sollte auch diese höchste Entscheidung einer dritten
Person weder nutzen noch schaden. Zweytens haben sie
den Gegensatz verwechselt mit dem einer strengen und aus-
dehnenden Interpretation. Auch davon ist hier gar nicht
die Rede, sondern vielmehr von der zulässigen oder unzu-
lässigen Anwendung derselben (nicht ausgedehnten) Rechts-
regel auf künftige, völlig gleiche Rechtsfälle.

§. 24.
Aussprüche der Römer über die Gesetze. Fortsetzung.

III. Rescripte(a). Rescriptum heißt wörtlich eine
Rückschrift, ein Antwortschreiben. Dieses konnte in Be-

nen mit den Decisionen unsrer
Oberappellationsgerichte vergli-
chen werden.
(a) Schulting diss. pro re-
scriptis Imp. Rom. (Comm.
acad. Vol. 1 N.
3). Güyet Ab-
handlungen N. 4.

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
Vor Juſtinian alſo hatten alle Decrete nur in dem vor-
liegenden Rechtsfall Geſetzeskraft: durch ſeine neue Verord-
nung wurde den Endurtheilen eine ausgedehntere Wirk-
ſamkeit gegeben, indem die in ihnen enthaltene Rechtsregel
als allgemeines Geſetz angeſehen werden ſollte.

Die Natur dieſes Gegenſatzes iſt von den neueren Ju-
riſten großentheils misverſtanden worden. Sie haben ihn
verwechſelt erſtlich mit der Beſchränkung der Rechtskraft
auf die Parteyen in dieſem Prozeß. Allein die Rechts-
kraft betrifft das einzelne Rechtsverhältniß, und dieſe ſollte
auch hier nicht ausgedehnt werden; hatte alſo der Kaiſer
in einem Erbſchaftsſtreit zwiſchen zwey Perſonen entſchie-
den, ſo ſollte auch dieſe höchſte Entſcheidung einer dritten
Perſon weder nutzen noch ſchaden. Zweytens haben ſie
den Gegenſatz verwechſelt mit dem einer ſtrengen und aus-
dehnenden Interpretation. Auch davon iſt hier gar nicht
die Rede, ſondern vielmehr von der zuläſſigen oder unzu-
läſſigen Anwendung derſelben (nicht ausgedehnten) Rechts-
regel auf künftige, völlig gleiche Rechtsfälle.

§. 24.
Ausſprüche der Römer über die Geſetze. Fortſetzung.

III. Reſcripte(a). Rescriptum heißt wörtlich eine
Rückſchrift, ein Antwortſchreiben. Dieſes konnte in Be-

nen mit den Deciſionen unſrer
Oberappellationsgerichte vergli-
chen werden.
(a) Schulting diss. pro re-
scriptis Imp. Rom. (Comm.
acad. Vol. 1 N.
3). Güyet Ab-
handlungen N. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0184" n="128"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/>
Vor Ju&#x017F;tinian al&#x017F;o hatten alle Decrete nur in dem vor-<lb/>
liegenden Rechtsfall Ge&#x017F;etzeskraft: durch &#x017F;eine neue Verord-<lb/>
nung wurde den Endurtheilen eine ausgedehntere Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit gegeben, indem die in ihnen enthaltene Rechtsregel<lb/>
als allgemeines Ge&#x017F;etz ange&#x017F;ehen werden &#x017F;ollte.</p><lb/>
            <p>Die Natur die&#x017F;es Gegen&#x017F;atzes i&#x017F;t von den neueren Ju-<lb/>
ri&#x017F;ten großentheils misver&#x017F;tanden worden. Sie haben ihn<lb/>
verwech&#x017F;elt er&#x017F;tlich mit der Be&#x017F;chränkung der Rechtskraft<lb/>
auf die Parteyen in die&#x017F;em Prozeß. Allein die Rechts-<lb/>
kraft betrifft das einzelne Rechtsverhältniß, und die&#x017F;e &#x017F;ollte<lb/>
auch hier nicht ausgedehnt werden; hatte al&#x017F;o der Kai&#x017F;er<lb/>
in einem Erb&#x017F;chafts&#x017F;treit zwi&#x017F;chen zwey Per&#x017F;onen ent&#x017F;chie-<lb/>
den, &#x017F;o &#x017F;ollte auch die&#x017F;e höch&#x017F;te Ent&#x017F;cheidung einer dritten<lb/>
Per&#x017F;on weder nutzen noch &#x017F;chaden. Zweytens haben &#x017F;ie<lb/>
den Gegen&#x017F;atz verwech&#x017F;elt mit dem einer &#x017F;trengen und aus-<lb/>
dehnenden Interpretation. Auch davon i&#x017F;t hier gar nicht<lb/>
die Rede, &#x017F;ondern vielmehr von der zulä&#x017F;&#x017F;igen oder unzu-<lb/>&#x017F;&#x017F;igen Anwendung der&#x017F;elben (nicht ausgedehnten) Rechts-<lb/>
regel auf künftige, völlig gleiche Rechtsfälle.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 24.<lb/><hi rendition="#g">Aus&#x017F;prüche der Römer über die Ge&#x017F;etze. Fort&#x017F;etzung</hi>.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Re&#x017F;cripte</hi><note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Schulting</hi> diss. pro re-<lb/>
scriptis Imp. Rom. (Comm.<lb/>
acad. Vol. 1 N.</hi> 3). <hi rendition="#g">Güyet</hi> Ab-<lb/>
handlungen <hi rendition="#aq">N.</hi> 4.</note>. <hi rendition="#aq">Rescriptum</hi> heißt wörtlich eine<lb/>
Rück&#x017F;chrift, ein Antwort&#x017F;chreiben. Die&#x017F;es konnte in Be-<lb/><note xml:id="seg2pn_18_2" prev="#seg2pn_18_1" place="foot" n="(q)">nen mit den Deci&#x017F;ionen un&#x017F;rer<lb/>
Oberappellationsgerichte vergli-<lb/>
chen werden.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0184] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. Vor Juſtinian alſo hatten alle Decrete nur in dem vor- liegenden Rechtsfall Geſetzeskraft: durch ſeine neue Verord- nung wurde den Endurtheilen eine ausgedehntere Wirk- ſamkeit gegeben, indem die in ihnen enthaltene Rechtsregel als allgemeines Geſetz angeſehen werden ſollte. Die Natur dieſes Gegenſatzes iſt von den neueren Ju- riſten großentheils misverſtanden worden. Sie haben ihn verwechſelt erſtlich mit der Beſchränkung der Rechtskraft auf die Parteyen in dieſem Prozeß. Allein die Rechts- kraft betrifft das einzelne Rechtsverhältniß, und dieſe ſollte auch hier nicht ausgedehnt werden; hatte alſo der Kaiſer in einem Erbſchaftsſtreit zwiſchen zwey Perſonen entſchie- den, ſo ſollte auch dieſe höchſte Entſcheidung einer dritten Perſon weder nutzen noch ſchaden. Zweytens haben ſie den Gegenſatz verwechſelt mit dem einer ſtrengen und aus- dehnenden Interpretation. Auch davon iſt hier gar nicht die Rede, ſondern vielmehr von der zuläſſigen oder unzu- läſſigen Anwendung derſelben (nicht ausgedehnten) Rechts- regel auf künftige, völlig gleiche Rechtsfälle. §. 24. Ausſprüche der Römer über die Geſetze. Fortſetzung. III. Reſcripte (a). Rescriptum heißt wörtlich eine Rückſchrift, ein Antwortſchreiben. Dieſes konnte in Be- (q) (a) Schulting diss. pro re- scriptis Imp. Rom. (Comm. acad. Vol. 1 N. 3). Güyet Ab- handlungen N. 4. (q) nen mit den Deciſionen unſrer Oberappellationsgerichte vergli- chen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/184
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/184>, abgerufen am 28.03.2024.