Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Gesetze.
Viertes Kapitel.
Auslegung der Gesetze.
§. 32.
Begriff der Auslegung.
Eintheilung in legale und doctrinelle
.

Bis hierher wurde der Inhalt der Rechtsquellen als
die selbstständige Regel des Rechts, mithin als ein Ge-
gebenes, betrachtet. Soll diese Regel in das Leben über-
gehen, so ist es nöthig, daß wir von unsrer Seite etwas
dazu thun, daß wir sie auf bestimmte Weise in uns auf-
nehmen. Diese Aufnahme kann zu den verschiedensten
Anwendungen führen: in dem Gelehrten zur Ausbildung
der Wissenschaft in vielartigen Formen; in dem Richter
zu Urtheilen und deren Ausführung; in den Einzelnen
zur Einrichtung ihrer Lebensverhältnisse in bestimmter Ge-
stalt. Die Eigenthümlichkeit solcher besonderen Entwick-
lungen ist unsrer Aufgabe fremd; ihnen Allen aber liegt als
Gemeinsames zum Grunde eine bestimmte Weise, den In-
halt der Rechtsquellen aufzunehmen, und dieses Gemein-
same soll in dem gegenwärtigen Abschnitte dargestellt werden.

Das, was von unsrer Seite gefordert wird, ist eine
geistige Thätigkeit, also, wie einfach es auch oft aussehe,
ein wissenschaftliches Geschäft, Anfang und Grundlage
der Rechtswissenschaft. Von dieser war oben die Rede,
als von einem zur Rechtserzeugung mitwirkenden Princip;

Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Viertes Kapitel.
Auslegung der Geſetze.
§. 32.
Begriff der Auslegung.
Eintheilung in legale und doctrinelle
.

Bis hierher wurde der Inhalt der Rechtsquellen als
die ſelbſtſtändige Regel des Rechts, mithin als ein Ge-
gebenes, betrachtet. Soll dieſe Regel in das Leben über-
gehen, ſo iſt es nöthig, daß wir von unſrer Seite etwas
dazu thun, daß wir ſie auf beſtimmte Weiſe in uns auf-
nehmen. Dieſe Aufnahme kann zu den verſchiedenſten
Anwendungen führen: in dem Gelehrten zur Ausbildung
der Wiſſenſchaft in vielartigen Formen; in dem Richter
zu Urtheilen und deren Ausführung; in den Einzelnen
zur Einrichtung ihrer Lebensverhältniſſe in beſtimmter Ge-
ſtalt. Die Eigenthümlichkeit ſolcher beſonderen Entwick-
lungen iſt unſrer Aufgabe fremd; ihnen Allen aber liegt als
Gemeinſames zum Grunde eine beſtimmte Weiſe, den In-
halt der Rechtsquellen aufzunehmen, und dieſes Gemein-
ſame ſoll in dem gegenwärtigen Abſchnitte dargeſtellt werden.

Das, was von unſrer Seite gefordert wird, iſt eine
geiſtige Thätigkeit, alſo, wie einfach es auch oft ausſehe,
ein wiſſenſchaftliches Geſchäft, Anfang und Grundlage
der Rechtswiſſenſchaft. Von dieſer war oben die Rede,
als von einem zur Rechtserzeugung mitwirkenden Princip;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0262" n="206"/>
        <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Viertes Kapitel.</hi><lb/><hi rendition="#g">Auslegung der Ge&#x017F;etze</hi>.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 32.<lb/><hi rendition="#g">Begriff der Auslegung.<lb/>
Eintheilung in legale und doctrinelle</hi>.</head><lb/>
            <p>Bis hierher wurde der Inhalt der Rechtsquellen als<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändige Regel des Rechts, mithin als ein Ge-<lb/>
gebenes, betrachtet. Soll die&#x017F;e Regel in das Leben über-<lb/>
gehen, &#x017F;o i&#x017F;t es nöthig, daß wir von un&#x017F;rer Seite etwas<lb/>
dazu thun, daß wir &#x017F;ie auf be&#x017F;timmte Wei&#x017F;e in uns auf-<lb/>
nehmen. Die&#x017F;e Aufnahme kann zu den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten<lb/>
Anwendungen führen: in dem Gelehrten zur Ausbildung<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft in vielartigen Formen; in dem Richter<lb/>
zu Urtheilen und deren Ausführung; in den Einzelnen<lb/>
zur Einrichtung ihrer Lebensverhältni&#x017F;&#x017F;e in be&#x017F;timmter Ge-<lb/>
&#x017F;talt. Die Eigenthümlichkeit &#x017F;olcher be&#x017F;onderen Entwick-<lb/>
lungen i&#x017F;t un&#x017F;rer Aufgabe fremd; ihnen Allen aber liegt als<lb/>
Gemein&#x017F;ames zum Grunde eine be&#x017F;timmte Wei&#x017F;e, den In-<lb/>
halt der Rechtsquellen aufzunehmen, und die&#x017F;es Gemein-<lb/>
&#x017F;ame &#x017F;oll in dem gegenwärtigen Ab&#x017F;chnitte darge&#x017F;tellt werden.</p><lb/>
            <p>Das, was von un&#x017F;rer Seite gefordert wird, i&#x017F;t eine<lb/>
gei&#x017F;tige Thätigkeit, al&#x017F;o, wie einfach es auch oft aus&#x017F;ehe,<lb/>
ein wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches Ge&#x017F;chäft, Anfang und Grundlage<lb/>
der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft. Von die&#x017F;er war oben die Rede,<lb/>
als von einem zur Rechtserzeugung mitwirkenden Princip;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0262] Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze. Viertes Kapitel. Auslegung der Geſetze. §. 32. Begriff der Auslegung. Eintheilung in legale und doctrinelle. Bis hierher wurde der Inhalt der Rechtsquellen als die ſelbſtſtändige Regel des Rechts, mithin als ein Ge- gebenes, betrachtet. Soll dieſe Regel in das Leben über- gehen, ſo iſt es nöthig, daß wir von unſrer Seite etwas dazu thun, daß wir ſie auf beſtimmte Weiſe in uns auf- nehmen. Dieſe Aufnahme kann zu den verſchiedenſten Anwendungen führen: in dem Gelehrten zur Ausbildung der Wiſſenſchaft in vielartigen Formen; in dem Richter zu Urtheilen und deren Ausführung; in den Einzelnen zur Einrichtung ihrer Lebensverhältniſſe in beſtimmter Ge- ſtalt. Die Eigenthümlichkeit ſolcher beſonderen Entwick- lungen iſt unſrer Aufgabe fremd; ihnen Allen aber liegt als Gemeinſames zum Grunde eine beſtimmte Weiſe, den In- halt der Rechtsquellen aufzunehmen, und dieſes Gemein- ſame ſoll in dem gegenwärtigen Abſchnitte dargeſtellt werden. Das, was von unſrer Seite gefordert wird, iſt eine geiſtige Thätigkeit, alſo, wie einfach es auch oft ausſehe, ein wiſſenſchaftliches Geſchäft, Anfang und Grundlage der Rechtswiſſenſchaft. Von dieſer war oben die Rede, als von einem zur Rechtserzeugung mitwirkenden Princip;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/262
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/262>, abgerufen am 18.04.2024.