Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
§. 72.
Anomalische Rechte in Beziehung auf Rechtsfähigkeit
und capitis deminutio.
(Fortsetzung.)

Nachdem die Natur dieser Anomalie im § 71 festge-
stellt worden ist, gehe ich jetzt zur Angabe der einzelnen
dahin gehörenden Fälle über. Dieselben lassen sich auf
Vier Klassen zurückführen.

I. Rechte auf unmittelbare Lebensversor-
gung.

Durch das Eigenthum, wie durch die Obligationen
die zum Eigenthum führen, werden uns die Mittel dar-
geboten zur Erreichung unsrer Zwecke, jedoch so, daß in
der Wahl und Ausbildung der Zwecke, so wie in der
Verwendung der Mittel, unsre Freyheit unbedingt herr-
schen soll. Wenn daher oben das Vermögen für eine er-
weiterte Macht der Person erklärt wurde (§ 53), so war
damit eben diese Herrschaft unsres Willens über äußere
Mittel zu unbestimmten Zwecken gemeynt. Dieses Ver-
hältniß wird am anschaulichsten dargestellt durch den Gel-
deswerth, in welchen sich jedes Vermögensrecht auflösen
läßt. Denn das Geld, an sich selbst ohne Brauchbarkeit,
hat nur die Bedeutung eines Mittels zu unbestimmten
Zwecken, also einer unbedingt erweiterten Freyheit. Nun
giebt es aber Rechte, wodurch zwar auch für unsre Zwecke
und Bedürfnisse gesorgt wird, jedoch so, daß die vermitt-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 72.
Anomaliſche Rechte in Beziehung auf Rechtsfähigkeit
und capitis deminutio.
(Fortſetzung.)

Nachdem die Natur dieſer Anomalie im § 71 feſtge-
ſtellt worden iſt, gehe ich jetzt zur Angabe der einzelnen
dahin gehörenden Fälle über. Dieſelben laſſen ſich auf
Vier Klaſſen zurückführen.

I. Rechte auf unmittelbare Lebensverſor-
gung.

Durch das Eigenthum, wie durch die Obligationen
die zum Eigenthum führen, werden uns die Mittel dar-
geboten zur Erreichung unſrer Zwecke, jedoch ſo, daß in
der Wahl und Ausbildung der Zwecke, ſo wie in der
Verwendung der Mittel, unſre Freyheit unbedingt herr-
ſchen ſoll. Wenn daher oben das Vermögen für eine er-
weiterte Macht der Perſon erklärt wurde (§ 53), ſo war
damit eben dieſe Herrſchaft unſres Willens über äußere
Mittel zu unbeſtimmten Zwecken gemeynt. Dieſes Ver-
hältniß wird am anſchaulichſten dargeſtellt durch den Gel-
deswerth, in welchen ſich jedes Vermögensrecht auflöſen
läßt. Denn das Geld, an ſich ſelbſt ohne Brauchbarkeit,
hat nur die Bedeutung eines Mittels zu unbeſtimmten
Zwecken, alſo einer unbedingt erweiterten Freyheit. Nun
giebt es aber Rechte, wodurch zwar auch für unſre Zwecke
und Bedürfniſſe geſorgt wird, jedoch ſo, daß die vermitt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0118" n="104"/>
          <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 72.<lb/><hi rendition="#g">Anomali&#x017F;che Rechte in Beziehung auf Rechtsfähigkeit<lb/>
und <hi rendition="#aq">capitis deminutio.</hi></hi> (Fort&#x017F;etzung.)</head><lb/>
            <p>Nachdem die Natur die&#x017F;er Anomalie im § 71 fe&#x017F;tge-<lb/>
&#x017F;tellt worden i&#x017F;t, gehe ich jetzt zur Angabe der einzelnen<lb/>
dahin gehörenden Fälle über. Die&#x017F;elben la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auf<lb/>
Vier Kla&#x017F;&#x017F;en zurückführen.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Rechte auf unmittelbare Lebensver&#x017F;or-<lb/>
gung.</hi> </head><lb/>
              <p>Durch das Eigenthum, wie durch die Obligationen<lb/>
die zum Eigenthum führen, werden uns die Mittel dar-<lb/>
geboten zur Erreichung un&#x017F;rer Zwecke, jedoch &#x017F;o, daß in<lb/>
der Wahl und Ausbildung der Zwecke, &#x017F;o wie in der<lb/>
Verwendung der Mittel, un&#x017F;re Freyheit unbedingt herr-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;oll. Wenn daher oben das Vermögen für eine er-<lb/>
weiterte Macht der Per&#x017F;on erklärt wurde (§ 53), &#x017F;o war<lb/>
damit eben die&#x017F;e Herr&#x017F;chaft un&#x017F;res Willens über äußere<lb/>
Mittel zu unbe&#x017F;timmten Zwecken gemeynt. Die&#x017F;es Ver-<lb/>
hältniß wird am an&#x017F;chaulich&#x017F;ten darge&#x017F;tellt durch den Gel-<lb/>
deswerth, in welchen &#x017F;ich jedes Vermögensrecht auflö&#x017F;en<lb/>
läßt. Denn das Geld, an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ohne Brauchbarkeit,<lb/>
hat nur die Bedeutung eines Mittels zu unbe&#x017F;timmten<lb/>
Zwecken, al&#x017F;o einer unbedingt erweiterten Freyheit. Nun<lb/>
giebt es aber Rechte, wodurch zwar auch für un&#x017F;re Zwecke<lb/>
und Bedürfni&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;orgt wird, jedoch &#x017F;o, daß die vermitt-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. §. 72. Anomaliſche Rechte in Beziehung auf Rechtsfähigkeit und capitis deminutio. (Fortſetzung.) Nachdem die Natur dieſer Anomalie im § 71 feſtge- ſtellt worden iſt, gehe ich jetzt zur Angabe der einzelnen dahin gehörenden Fälle über. Dieſelben laſſen ſich auf Vier Klaſſen zurückführen. I. Rechte auf unmittelbare Lebensverſor- gung. Durch das Eigenthum, wie durch die Obligationen die zum Eigenthum führen, werden uns die Mittel dar- geboten zur Erreichung unſrer Zwecke, jedoch ſo, daß in der Wahl und Ausbildung der Zwecke, ſo wie in der Verwendung der Mittel, unſre Freyheit unbedingt herr- ſchen ſoll. Wenn daher oben das Vermögen für eine er- weiterte Macht der Perſon erklärt wurde (§ 53), ſo war damit eben dieſe Herrſchaft unſres Willens über äußere Mittel zu unbeſtimmten Zwecken gemeynt. Dieſes Ver- hältniß wird am anſchaulichſten dargeſtellt durch den Gel- deswerth, in welchen ſich jedes Vermögensrecht auflöſen läßt. Denn das Geld, an ſich ſelbſt ohne Brauchbarkeit, hat nur die Bedeutung eines Mittels zu unbeſtimmten Zwecken, alſo einer unbedingt erweiterten Freyheit. Nun giebt es aber Rechte, wodurch zwar auch für unſre Zwecke und Bedürfniſſe geſorgt wird, jedoch ſo, daß die vermitt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/118
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/118>, abgerufen am 18.04.2024.