Um den Begriff der juristischen Personen in das wirk- liche Leben einzuführen, bedarf es für sie einer regelmä- ßigen Vertretung, wodurch die ihnen fehlende Handlungs- fähigkeit künstlich ersetzt werden muß, und zwar lediglich zu dem Zweck, den Verkehr im Vermögen ihnen zugäng- lich zu machen; diese Vertretung wird begründet durch ihre Verfassung (§ 90). Da sie aber stets auch noch an- dere Beziehungen haben, und zwar solche, welche oft weit wichtiger sind als ihre privatrechtliche Persönlichkeit, und durch welche gleichfalls schon eine bestimmte Verfassung nöthig wird, so werden dann die Organe dieser allgemei- nen Verfassung zugleich zur Erfüllung jenes privatrechtli- chen Zwecks hinreichen. -- Bey den Römern konnte ein Theil dieser privatrechtlichen Vertretung auch noch auf ei- nem anderen Wege bewirkt werden. Wenn nämlich eine juristische Person auch nur einen einzigen Sklaven im Ei- genthum hatte, so konnte ihr dieser jedes Vermögensrecht (Eigenthum und Schuldforderungen) schon nach den stren- gen Regeln des alten Civilrechts erwerben (§ 65). Darauf aber beschränkte sich diese Vertretung; sie war nicht an- wendbar auf Veräußerungen und Verpflichtungen, also auch nicht auf die häufigsten und wichtigsten aller Rechts-
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 96. Juriſtiſche Perſonen. — Verfaſſung.
Um den Begriff der juriſtiſchen Perſonen in das wirk- liche Leben einzuführen, bedarf es für ſie einer regelmä- ßigen Vertretung, wodurch die ihnen fehlende Handlungs- fähigkeit künſtlich erſetzt werden muß, und zwar lediglich zu dem Zweck, den Verkehr im Vermögen ihnen zugäng- lich zu machen; dieſe Vertretung wird begründet durch ihre Verfaſſung (§ 90). Da ſie aber ſtets auch noch an- dere Beziehungen haben, und zwar ſolche, welche oft weit wichtiger ſind als ihre privatrechtliche Perſönlichkeit, und durch welche gleichfalls ſchon eine beſtimmte Verfaſſung nöthig wird, ſo werden dann die Organe dieſer allgemei- nen Verfaſſung zugleich zur Erfüllung jenes privatrechtli- chen Zwecks hinreichen. — Bey den Römern konnte ein Theil dieſer privatrechtlichen Vertretung auch noch auf ei- nem anderen Wege bewirkt werden. Wenn nämlich eine juriſtiſche Perſon auch nur einen einzigen Sklaven im Ei- genthum hatte, ſo konnte ihr dieſer jedes Vermögensrecht (Eigenthum und Schuldforderungen) ſchon nach den ſtren- gen Regeln des alten Civilrechts erwerben (§ 65). Darauf aber beſchränkte ſich dieſe Vertretung; ſie war nicht an- wendbar auf Veräußerungen und Verpflichtungen, alſo auch nicht auf die häufigſten und wichtigſten aller Rechts-
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
§. 96.
Juriſtiſche Perſonen. — Verfaſſung.
Um den Begriff der juriſtiſchen Perſonen in das wirk-
liche Leben einzuführen, bedarf es für ſie einer regelmä-
ßigen Vertretung, wodurch die ihnen fehlende Handlungs-
fähigkeit künſtlich erſetzt werden muß, und zwar lediglich
zu dem Zweck, den Verkehr im Vermögen ihnen zugäng-
lich zu machen; dieſe Vertretung wird begründet durch
ihre Verfaſſung (§ 90). Da ſie aber ſtets auch noch an-
dere Beziehungen haben, und zwar ſolche, welche oft weit
wichtiger ſind als ihre privatrechtliche Perſönlichkeit, und
durch welche gleichfalls ſchon eine beſtimmte Verfaſſung
nöthig wird, ſo werden dann die Organe dieſer allgemei-
nen Verfaſſung zugleich zur Erfüllung jenes privatrechtli-
chen Zwecks hinreichen. — Bey den Römern konnte ein
Theil dieſer privatrechtlichen Vertretung auch noch auf ei-
nem anderen Wege bewirkt werden. Wenn nämlich eine
juriſtiſche Perſon auch nur einen einzigen Sklaven im Ei-
genthum hatte, ſo konnte ihr dieſer jedes Vermögensrecht
(Eigenthum und Schuldforderungen) ſchon nach den ſtren-
gen Regeln des alten Civilrechts erwerben (§ 65). Darauf
aber beſchränkte ſich dieſe Vertretung; ſie war nicht an-
wendbar auf Veräußerungen und Verpflichtungen, alſo
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/338>, abgerufen am 19.04.2024.
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