Folge jener Grundansicht aber war es, daß die Trauer um Eltern oder Kinder niemals als Hinderniß der Ehe angesehen werden konnte (i).
VII.
Das bisher gewonnene Resultat ist nunmehr durch an- dere sichere Nachrichten auf folgende Weise zu ergänzen. Es gab nach uralter Sitte, die man auf Gesetze des Numa zurückführte, zwey verschiedene, jedoch verwandte Regeln.
1) Nach dem Tode eines Ehemannes soll die Wittwe Zehen Monate lang (erst von den Kaisern auf Zwölf Mo- nate erweitert) ohne neue Ehe bleiben. Verletzt sie diese Regel, so sollen die dazu mitwirkenden Männer (der neue Gatte, und nach Umständen die beiderseitigen Väter welche einwilligen) infam seyn. Gewiß wurde diese Verletzung vor Allem der Wittwe selbst als etwas ganz Unehrbares angerechnet. Als infam konnte man dieselbe nicht betrach- ten, so lange die Infamie überhaupt eine blos politische Bedeutung hatte.
2) Nahe Verwandte sollen betrauert werden, indem der Trauernde jeden Schmuck der Kleidung, so wie die Theilnahme an Gastmählern vermeidet. Diese Trauer ward wahrscheinlich von jeher nur für gewisse Fälle als
legitimum tempus partum edi- derit, putat statim posse nu- ptiis se collocare: quod verum puto."
(i)L. 11 pr. de his qui not. (3. 2.). "Liberorum autem et parentium luctus impedimento nuptiis non est."
Infamie.
Folge jener Grundanſicht aber war es, daß die Trauer um Eltern oder Kinder niemals als Hinderniß der Ehe angeſehen werden konnte (i).
VII.
Das bisher gewonnene Reſultat iſt nunmehr durch an- dere ſichere Nachrichten auf folgende Weiſe zu ergänzen. Es gab nach uralter Sitte, die man auf Geſetze des Numa zurückführte, zwey verſchiedene, jedoch verwandte Regeln.
1) Nach dem Tode eines Ehemannes ſoll die Wittwe Zehen Monate lang (erſt von den Kaiſern auf Zwölf Mo- nate erweitert) ohne neue Ehe bleiben. Verletzt ſie dieſe Regel, ſo ſollen die dazu mitwirkenden Männer (der neue Gatte, und nach Umſtänden die beiderſeitigen Väter welche einwilligen) infam ſeyn. Gewiß wurde dieſe Verletzung vor Allem der Wittwe ſelbſt als etwas ganz Unehrbares angerechnet. Als infam konnte man dieſelbe nicht betrach- ten, ſo lange die Infamie überhaupt eine blos politiſche Bedeutung hatte.
2) Nahe Verwandte ſollen betrauert werden, indem der Trauernde jeden Schmuck der Kleidung, ſo wie die Theilnahme an Gaſtmählern vermeidet. Dieſe Trauer ward wahrſcheinlich von jeher nur für gewiſſe Fälle als
legitimum tempus partum edi- derit, putat statim posse nu- ptiis se collocare: quod verum puto.”
(i)L. 11 pr. de his qui not. (3. 2.). „Liberorum autem et parentium luctus impedimento nuptiis non est.”
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Infamie.
Folge jener Grundanſicht aber war es, daß die Trauer
um Eltern oder Kinder niemals als Hinderniß der Ehe
angeſehen werden konnte (i).
VII.
Das bisher gewonnene Reſultat iſt nunmehr durch an-
dere ſichere Nachrichten auf folgende Weiſe zu ergänzen.
Es gab nach uralter Sitte, die man auf Geſetze des
Numa zurückführte, zwey verſchiedene, jedoch verwandte
Regeln.
1) Nach dem Tode eines Ehemannes ſoll die Wittwe
Zehen Monate lang (erſt von den Kaiſern auf Zwölf Mo-
nate erweitert) ohne neue Ehe bleiben. Verletzt ſie dieſe
Regel, ſo ſollen die dazu mitwirkenden Männer (der neue
Gatte, und nach Umſtänden die beiderſeitigen Väter welche
einwilligen) infam ſeyn. Gewiß wurde dieſe Verletzung
vor Allem der Wittwe ſelbſt als etwas ganz Unehrbares
angerechnet. Als infam konnte man dieſelbe nicht betrach-
ten, ſo lange die Infamie überhaupt eine blos politiſche
Bedeutung hatte.
2) Nahe Verwandte ſollen betrauert werden, indem
der Trauernde jeden Schmuck der Kleidung, ſo wie die
Theilnahme an Gaſtmählern vermeidet. Dieſe Trauer
ward wahrſcheinlich von jeher nur für gewiſſe Fälle als
(h)
(i) L. 11 pr. de his qui not.
(3. 2.). „Liberorum autem et
parentium luctus impedimento
nuptiis non est.”
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derit, putat statim posse nu-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/549>, abgerufen am 28.03.2024.
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