Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VIII.
zu vergüten hat (b). Da nun nach der oben mitgetheilten
Stelle der redliche Besitz, ungeachtet des Rechtsirrthums,
unbedingt als vorhanden anerkannt wird, so ist eben da-
durch dem Rechtsirrthum die Kraft zugeschrieben, nicht nur
die Abwendung des Schadens, sondern auch die Erwerbung
eines reinen Gewinns zu vermitteln.

XXIII.

Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere, Frage ent-
steht für die Beziehung des Irrthums auf die Klagver-
jährung. Diese Beziehung kommt auf zweyerley Weise
vor: bey dem Irrthum des Klagberechtigten, wovon wei-
ter unten, bey den Unterlassungen, die Rede seyn wird
(Num. XXV.); bey dem des Beklagten, welcher Irrthum
hier zu erwägen ist, indem er mit einer delictähnlichen
Handlung des Beklagten in Verbindung steht.

Die Klagverjährung wird größtentheils vom Römi-
schen Recht als bloße Versäumniß des Klagberechtigten
behandelt, ganz ohne Rücksicht auf das Verhalten des
möglichen Beklagten. Nur zu der longi temporis prae-
scriptio
war es nöthig, daß der Besitzer gerade so besitze,
wie zum Zweck der Usucapion, also mit redlichem Be-
wußtseyn und mit einem Titel des Besitzes. Dabey also
müssen unzweifelhaft, auch in Beziehung auf den Irrthum,
und namentlich den Rechtsirrthum, genau dieselben Re-

(b) § 35 J. de rer. divis. (2. 1.), § 2 J. de off. jud. (4. 27.).

Beylage VIII.
zu vergüten hat (b). Da nun nach der oben mitgetheilten
Stelle der redliche Beſitz, ungeachtet des Rechtsirrthums,
unbedingt als vorhanden anerkannt wird, ſo iſt eben da-
durch dem Rechtsirrthum die Kraft zugeſchrieben, nicht nur
die Abwendung des Schadens, ſondern auch die Erwerbung
eines reinen Gewinns zu vermitteln.

XXIII.

Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere, Frage ent-
ſteht für die Beziehung des Irrthums auf die Klagver-
jährung. Dieſe Beziehung kommt auf zweyerley Weiſe
vor: bey dem Irrthum des Klagberechtigten, wovon wei-
ter unten, bey den Unterlaſſungen, die Rede ſeyn wird
(Num. XXV.); bey dem des Beklagten, welcher Irrthum
hier zu erwägen iſt, indem er mit einer delictähnlichen
Handlung des Beklagten in Verbindung ſteht.

Die Klagverjährung wird größtentheils vom Römi-
ſchen Recht als bloße Verſäumniß des Klagberechtigten
behandelt, ganz ohne Rückſicht auf das Verhalten des
möglichen Beklagten. Nur zu der longi temporis prae-
scriptio
war es nöthig, daß der Beſitzer gerade ſo beſitze,
wie zum Zweck der Uſucapion, alſo mit redlichem Be-
wußtſeyn und mit einem Titel des Beſitzes. Dabey alſo
müſſen unzweifelhaft, auch in Beziehung auf den Irrthum,
und namentlich den Rechtsirrthum, genau dieſelben Re-

(b) § 35 J. de rer. divis. (2. 1.), § 2 J. de off. jud. (4. 27.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0410" n="398"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
zu vergüten hat <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">§ 35 <hi rendition="#i">J. de rer. divis.</hi> (2. 1.), § 2 <hi rendition="#i">J. de off. jud.</hi> (4. 27.).</hi></note>. Da nun nach der oben mitgetheilten<lb/>
Stelle der redliche Be&#x017F;itz, ungeachtet des Rechtsirrthums,<lb/>
unbedingt als vorhanden anerkannt wird, &#x017F;o i&#x017F;t eben da-<lb/>
durch dem Rechtsirrthum die Kraft zuge&#x017F;chrieben, nicht nur<lb/>
die Abwendung des Schadens, &#x017F;ondern auch die Erwerbung<lb/>
eines reinen Gewinns zu vermitteln.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> </head><lb/>
          <p>Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere, Frage ent-<lb/>
&#x017F;teht für die Beziehung des Irrthums auf die Klagver-<lb/>
jährung. Die&#x017F;e Beziehung kommt auf zweyerley Wei&#x017F;e<lb/>
vor: bey dem Irrthum des Klagberechtigten, wovon wei-<lb/>
ter unten, bey den Unterla&#x017F;&#x017F;ungen, die Rede &#x017F;eyn wird<lb/>
(Num. <hi rendition="#aq">XXV.</hi>); bey dem des Beklagten, welcher Irrthum<lb/>
hier zu erwägen i&#x017F;t, indem er mit einer delictähnlichen<lb/>
Handlung des Beklagten in Verbindung &#x017F;teht.</p><lb/>
          <p>Die Klagverjährung wird größtentheils vom Römi-<lb/>
&#x017F;chen Recht als bloße Ver&#x017F;äumniß des Klagberechtigten<lb/>
behandelt, ganz ohne Rück&#x017F;icht auf das Verhalten des<lb/>
möglichen Beklagten. Nur zu der <hi rendition="#aq">longi temporis prae-<lb/>
scriptio</hi> war es nöthig, daß der Be&#x017F;itzer gerade &#x017F;o be&#x017F;itze,<lb/>
wie zum Zweck der U&#x017F;ucapion, al&#x017F;o mit redlichem Be-<lb/>
wußt&#x017F;eyn und mit einem Titel des Be&#x017F;itzes. Dabey al&#x017F;o<lb/>&#x017F;&#x017F;en unzweifelhaft, auch in Beziehung auf den Irrthum,<lb/>
und namentlich den Rechtsirrthum, genau die&#x017F;elben Re-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0410] Beylage VIII. zu vergüten hat (b). Da nun nach der oben mitgetheilten Stelle der redliche Beſitz, ungeachtet des Rechtsirrthums, unbedingt als vorhanden anerkannt wird, ſo iſt eben da- durch dem Rechtsirrthum die Kraft zugeſchrieben, nicht nur die Abwendung des Schadens, ſondern auch die Erwerbung eines reinen Gewinns zu vermitteln. XXIII. Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere, Frage ent- ſteht für die Beziehung des Irrthums auf die Klagver- jährung. Dieſe Beziehung kommt auf zweyerley Weiſe vor: bey dem Irrthum des Klagberechtigten, wovon wei- ter unten, bey den Unterlaſſungen, die Rede ſeyn wird (Num. XXV.); bey dem des Beklagten, welcher Irrthum hier zu erwägen iſt, indem er mit einer delictähnlichen Handlung des Beklagten in Verbindung ſteht. Die Klagverjährung wird größtentheils vom Römi- ſchen Recht als bloße Verſäumniß des Klagberechtigten behandelt, ganz ohne Rückſicht auf das Verhalten des möglichen Beklagten. Nur zu der longi temporis prae- scriptio war es nöthig, daß der Beſitzer gerade ſo beſitze, wie zum Zweck der Uſucapion, alſo mit redlichem Be- wußtſeyn und mit einem Titel des Beſitzes. Dabey alſo müſſen unzweifelhaft, auch in Beziehung auf den Irrthum, und namentlich den Rechtsirrthum, genau dieſelben Re- (b) § 35 J. de rer. divis. (2. 1.), § 2 J. de off. jud. (4. 27.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/410
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/410>, abgerufen am 19.04.2024.