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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 113. Handlungen durch Stellvertreter.
außerdem aus faktischen Gründen vielleicht gar nicht, viel-
leicht nur mit größerer Schwierigkeit entstehen könnten.
Außerdem aber dient die Stellvertretung auch als Ersatz
für die nach den aufgestellten Regeln fehlende eigene Hand-
lungsfähigkeit, und in dieser Anwendung zeigt sie sich noch
weit wichtiger als in der ersten. Denn durch sie wird es
möglich, die Rechtsverhältnisse des Unmündigen, des Wahn-
sinnigen, des Interdicirten, so wie die der juristischen Per-
sonen, durch freye Handlungen neu zu gestalten, welches
ohne Stellvertretung meist ganz unmöglich seyn würde.

Ehe aber die Regeln selbst über die Stellvertretung
aufgestellt werden, ist es nöthig, das Gebiet, worin sie
wirksam ist, zu bezeichnen. Dieses Gebiet ist das Ver-
mögen, so weit dasselbe Gegenstand des lebendigen Rechts-
verkehrs unter den Zeitgenossen ist. -- Daher findet die
Stellvertretung nur unbedeutende Anwendung innerhalb des
Familienrechts (a). Eben so auch im Erbrecht, welches die
Vermögensverhältnisse nicht zwischen Zeitgenossen, sondern
im Übergang von einem Geschlecht auf das andere zum
Gegenstand hat (b). Endlich auch in den Obligationen,

(a) So kann eine Ehe oder
Adoption nur in eigener Person,
nie durch Stellvertreter, geschlos-
sen werden; eben so ist es bey
der Emancipation, und bey der
Freylassung der Sklaven. Ge-
wissermaßen konnte es als Stell-
vertretung gelten, wenn der fili-
usfamilias
eine Ehe durch con-
farreatio
oder coemtio schloß,
und dadurch dem Vater das Recht
der manus über die Schwieger-
tochter erwarb.
(b) So kann Niemand durch
Stellvertreter ein Testament ma-
chen, oder eine ihm selbst ange-
fallene Erbschaft antreten. An-
ders ist es, wenn der filiusfami-
lias
oder der Sklave eine ihm
angefallene Erbschaft antritt, und
dadurch dem Vater oder Herrn
das Erbrecht erwirbt.

§. 113. Handlungen durch Stellvertreter.
außerdem aus faktiſchen Gründen vielleicht gar nicht, viel-
leicht nur mit größerer Schwierigkeit entſtehen könnten.
Außerdem aber dient die Stellvertretung auch als Erſatz
für die nach den aufgeſtellten Regeln fehlende eigene Hand-
lungsfähigkeit, und in dieſer Anwendung zeigt ſie ſich noch
weit wichtiger als in der erſten. Denn durch ſie wird es
möglich, die Rechtsverhältniſſe des Unmündigen, des Wahn-
ſinnigen, des Interdicirten, ſo wie die der juriſtiſchen Per-
ſonen, durch freye Handlungen neu zu geſtalten, welches
ohne Stellvertretung meiſt ganz unmöglich ſeyn würde.

Ehe aber die Regeln ſelbſt über die Stellvertretung
aufgeſtellt werden, iſt es nöthig, das Gebiet, worin ſie
wirkſam iſt, zu bezeichnen. Dieſes Gebiet iſt das Ver-
moͤgen, ſo weit daſſelbe Gegenſtand des lebendigen Rechts-
verkehrs unter den Zeitgenoſſen iſt. — Daher findet die
Stellvertretung nur unbedeutende Anwendung innerhalb des
Familienrechts (a). Eben ſo auch im Erbrecht, welches die
Vermögensverhältniſſe nicht zwiſchen Zeitgenoſſen, ſondern
im Übergang von einem Geſchlecht auf das andere zum
Gegenſtand hat (b). Endlich auch in den Obligationen,

(a) So kann eine Ehe oder
Adoption nur in eigener Perſon,
nie durch Stellvertreter, geſchloſ-
ſen werden; eben ſo iſt es bey
der Emancipation, und bey der
Freylaſſung der Sklaven. Ge-
wiſſermaßen konnte es als Stell-
vertretung gelten, wenn der fili-
usfamilias
eine Ehe durch con-
farreatio
oder coemtio ſchloß,
und dadurch dem Vater das Recht
der manus über die Schwieger-
tochter erwarb.
(b) So kann Niemand durch
Stellvertreter ein Teſtament ma-
chen, oder eine ihm ſelbſt ange-
fallene Erbſchaft antreten. An-
ders iſt es, wenn der filiusfami-
lias
oder der Sklave eine ihm
angefallene Erbſchaft antritt, und
dadurch dem Vater oder Herrn
das Erbrecht erwirbt.
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[91/0103] §. 113. Handlungen durch Stellvertreter. außerdem aus faktiſchen Gründen vielleicht gar nicht, viel- leicht nur mit größerer Schwierigkeit entſtehen könnten. Außerdem aber dient die Stellvertretung auch als Erſatz für die nach den aufgeſtellten Regeln fehlende eigene Hand- lungsfähigkeit, und in dieſer Anwendung zeigt ſie ſich noch weit wichtiger als in der erſten. Denn durch ſie wird es möglich, die Rechtsverhältniſſe des Unmündigen, des Wahn- ſinnigen, des Interdicirten, ſo wie die der juriſtiſchen Per- ſonen, durch freye Handlungen neu zu geſtalten, welches ohne Stellvertretung meiſt ganz unmöglich ſeyn würde. Ehe aber die Regeln ſelbſt über die Stellvertretung aufgeſtellt werden, iſt es nöthig, das Gebiet, worin ſie wirkſam iſt, zu bezeichnen. Dieſes Gebiet iſt das Ver- moͤgen, ſo weit daſſelbe Gegenſtand des lebendigen Rechts- verkehrs unter den Zeitgenoſſen iſt. — Daher findet die Stellvertretung nur unbedeutende Anwendung innerhalb des Familienrechts (a). Eben ſo auch im Erbrecht, welches die Vermögensverhältniſſe nicht zwiſchen Zeitgenoſſen, ſondern im Übergang von einem Geſchlecht auf das andere zum Gegenſtand hat (b). Endlich auch in den Obligationen, (a) So kann eine Ehe oder Adoption nur in eigener Perſon, nie durch Stellvertreter, geſchloſ- ſen werden; eben ſo iſt es bey der Emancipation, und bey der Freylaſſung der Sklaven. Ge- wiſſermaßen konnte es als Stell- vertretung gelten, wenn der fili- usfamilias eine Ehe durch con- farreatio oder coemtio ſchloß, und dadurch dem Vater das Recht der manus über die Schwieger- tochter erwarb. (b) So kann Niemand durch Stellvertreter ein Teſtament ma- chen, oder eine ihm ſelbſt ange- fallene Erbſchaft antreten. An- ders iſt es, wenn der filiusfami- lias oder der Sklave eine ihm angefallene Erbſchaft antritt, und dadurch dem Vater oder Herrn das Erbrecht erwirbt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/103>, abgerufen am 19.04.2024.