Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
enthalten ist (a). Die Auffassung ist darum zu verwerfen,
weil sie die verschiedensten Begriffe als gleichartig behan-
delt, da doch höchstens von einer Gleichstellung in der
Wirkung die Rede seyn kann; und weil sie eben deshalb
genöthigt ist, in der Wirkung vollkommene Gleichheit an-
zunehmen, anstatt daß nur eine beschränkte behauptet wer-
den darf (b).

Das Wesen der unmöglichen Bedingungen besteht darin,
daß ihnen der Grundcharacter wahrer Bedingungen, die
Ungewißheit des Erfolgs, gänzlich fehlt, daß also bey ih-
nen weder der menschlichen Freyheit, noch dem Zufall,
irgend ein Spielraum übrig bleibt. Mit diesen nun wer-
den in jener Lehre als gleichartig zusammengestellt die-
jenigen Handlungen, welche entweder durch Rechtsregeln
oder durch Regeln der Sittlichkeit misbilligt werden. Diese
sind aber völlig frey, bey ihnen ist es ganz ungewiß, ob
sie geschehen oder nicht geschehen werden, und sie sind da-
her dem Grundcharacter der Bedingungen, welchem die
unmöglichen widersprechen, ganz angemessen. Die größte
Verwirrung der Begriffe aber entsteht in jener Lehre da-
durch, daß durch den Namen der juristischen Unmöglichkeit
zwey völlig verschiedene Fälle zusammen geworfen werden:

(a) Sehr vollständig ist diese
herrschende Ansicht dargestellt von
Sell S. 19 fg. -- Consequenter-
weise mußte man nun auch von
einer dreyfachen Nothwendigkeit
sprechen; daß dieses gewöhnlich
nicht geschah, erklärt sich wohl
aus der geringeren Erheblichkeit,
die überhaupt die Betrachtung der
nothwendigen Bedingungen hat.
(b) Sehr treffend ist dieses be-
reits bemerkt von Arndts
S. 172 fg. S. 182. 183.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
enthalten iſt (a). Die Auffaſſung iſt darum zu verwerfen,
weil ſie die verſchiedenſten Begriffe als gleichartig behan-
delt, da doch höchſtens von einer Gleichſtellung in der
Wirkung die Rede ſeyn kann; und weil ſie eben deshalb
genöthigt iſt, in der Wirkung vollkommene Gleichheit an-
zunehmen, anſtatt daß nur eine beſchränkte behauptet wer-
den darf (b).

Das Weſen der unmöglichen Bedingungen beſteht darin,
daß ihnen der Grundcharacter wahrer Bedingungen, die
Ungewißheit des Erfolgs, gänzlich fehlt, daß alſo bey ih-
nen weder der menſchlichen Freyheit, noch dem Zufall,
irgend ein Spielraum übrig bleibt. Mit dieſen nun wer-
den in jener Lehre als gleichartig zuſammengeſtellt die-
jenigen Handlungen, welche entweder durch Rechtsregeln
oder durch Regeln der Sittlichkeit misbilligt werden. Dieſe
ſind aber völlig frey, bey ihnen iſt es ganz ungewiß, ob
ſie geſchehen oder nicht geſchehen werden, und ſie ſind da-
her dem Grundcharacter der Bedingungen, welchem die
unmöglichen widerſprechen, ganz angemeſſen. Die größte
Verwirrung der Begriffe aber entſteht in jener Lehre da-
durch, daß durch den Namen der juriſtiſchen Unmöglichkeit
zwey völlig verſchiedene Fälle zuſammen geworfen werden:

(a) Sehr vollſtändig iſt dieſe
herrſchende Anſicht dargeſtellt von
Sell S. 19 fg. — Conſequenter-
weiſe mußte man nun auch von
einer dreyfachen Nothwendigkeit
ſprechen; daß dieſes gewöhnlich
nicht geſchah, erklärt ſich wohl
aus der geringeren Erheblichkeit,
die überhaupt die Betrachtung der
nothwendigen Bedingungen hat.
(b) Sehr treffend iſt dieſes be-
reits bemerkt von Arndts
S. 172 fg. S. 182. 183.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0182" n="170"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
enthalten i&#x017F;t <note place="foot" n="(a)">Sehr voll&#x017F;tändig i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
herr&#x017F;chende An&#x017F;icht darge&#x017F;tellt von<lb/><hi rendition="#g">Sell</hi> S. 19 fg. &#x2014; Con&#x017F;equenter-<lb/>
wei&#x017F;e mußte man nun auch von<lb/>
einer dreyfachen Nothwendigkeit<lb/>
&#x017F;prechen; daß die&#x017F;es gewöhnlich<lb/>
nicht ge&#x017F;chah, erklärt &#x017F;ich wohl<lb/>
aus der geringeren Erheblichkeit,<lb/>
die überhaupt die Betrachtung der<lb/>
nothwendigen Bedingungen hat.</note>. Die Auffa&#x017F;&#x017F;ung i&#x017F;t darum zu verwerfen,<lb/>
weil &#x017F;ie die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Begriffe als gleichartig behan-<lb/>
delt, da doch höch&#x017F;tens von einer Gleich&#x017F;tellung in der<lb/>
Wirkung die Rede &#x017F;eyn kann; und weil &#x017F;ie eben deshalb<lb/>
genöthigt i&#x017F;t, in der Wirkung vollkommene Gleichheit an-<lb/>
zunehmen, an&#x017F;tatt daß nur eine be&#x017F;chränkte behauptet wer-<lb/>
den darf <note place="foot" n="(b)">Sehr treffend i&#x017F;t die&#x017F;es be-<lb/>
reits bemerkt von <hi rendition="#g">Arndts</hi><lb/>
S. 172 fg. S. 182. 183.</note>.</p><lb/>
            <p>Das We&#x017F;en der unmöglichen Bedingungen be&#x017F;teht darin,<lb/>
daß ihnen der Grundcharacter wahrer Bedingungen, die<lb/>
Ungewißheit des Erfolgs, gänzlich fehlt, daß al&#x017F;o bey ih-<lb/>
nen weder der men&#x017F;chlichen Freyheit, noch dem Zufall,<lb/>
irgend ein Spielraum übrig bleibt. Mit die&#x017F;en nun wer-<lb/>
den in jener Lehre als gleichartig zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt die-<lb/>
jenigen Handlungen, welche entweder durch Rechtsregeln<lb/>
oder durch Regeln der Sittlichkeit misbilligt werden. Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind aber völlig frey, bey ihnen i&#x017F;t es ganz ungewiß, ob<lb/>
&#x017F;ie ge&#x017F;chehen oder nicht ge&#x017F;chehen werden, und &#x017F;ie &#x017F;ind da-<lb/>
her dem Grundcharacter der Bedingungen, welchem die<lb/>
unmöglichen wider&#x017F;prechen, ganz angeme&#x017F;&#x017F;en. Die größte<lb/>
Verwirrung der Begriffe aber ent&#x017F;teht in jener Lehre da-<lb/>
durch, daß durch den Namen der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Unmöglichkeit<lb/>
zwey völlig ver&#x017F;chiedene Fälle zu&#x017F;ammen geworfen werden:<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0182] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. enthalten iſt (a). Die Auffaſſung iſt darum zu verwerfen, weil ſie die verſchiedenſten Begriffe als gleichartig behan- delt, da doch höchſtens von einer Gleichſtellung in der Wirkung die Rede ſeyn kann; und weil ſie eben deshalb genöthigt iſt, in der Wirkung vollkommene Gleichheit an- zunehmen, anſtatt daß nur eine beſchränkte behauptet wer- den darf (b). Das Weſen der unmöglichen Bedingungen beſteht darin, daß ihnen der Grundcharacter wahrer Bedingungen, die Ungewißheit des Erfolgs, gänzlich fehlt, daß alſo bey ih- nen weder der menſchlichen Freyheit, noch dem Zufall, irgend ein Spielraum übrig bleibt. Mit dieſen nun wer- den in jener Lehre als gleichartig zuſammengeſtellt die- jenigen Handlungen, welche entweder durch Rechtsregeln oder durch Regeln der Sittlichkeit misbilligt werden. Dieſe ſind aber völlig frey, bey ihnen iſt es ganz ungewiß, ob ſie geſchehen oder nicht geſchehen werden, und ſie ſind da- her dem Grundcharacter der Bedingungen, welchem die unmöglichen widerſprechen, ganz angemeſſen. Die größte Verwirrung der Begriffe aber entſteht in jener Lehre da- durch, daß durch den Namen der juriſtiſchen Unmöglichkeit zwey völlig verſchiedene Fälle zuſammen geworfen werden: (a) Sehr vollſtändig iſt dieſe herrſchende Anſicht dargeſtellt von Sell S. 19 fg. — Conſequenter- weiſe mußte man nun auch von einer dreyfachen Nothwendigkeit ſprechen; daß dieſes gewöhnlich nicht geſchah, erklärt ſich wohl aus der geringeren Erheblichkeit, die überhaupt die Betrachtung der nothwendigen Bedingungen hat. (b) Sehr treffend iſt dieſes be- reits bemerkt von Arndts S. 172 fg. S. 182. 183.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/182
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/182>, abgerufen am 25.04.2024.