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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
thum ist also hier Das, was ich anderwärts den unächten
Irrthum genannt habe (c), und diese Unterscheidung hat
keinesweges blos das theoretische Interesse klarer und scharf
bestimmter Begriffe, sondern es knüpfen sich daran auch
praktisch wichtige Folgen. Es folgt daraus, daß hier der
Irrende frey von jeder Verbindlichkeit bleibt, ohne Unter-
schied ob er diesen Irrthum leicht vermeiden konnte oder
nicht (d). Es ist jedoch dieser Irrthum nicht etwa hier
für minder wichtig zu halten, als in anderen Fällen der
ächte Irrthum, er ist es nur auf andere Weise; er ist
wichtig, insoferne wir aus ihm erkennen, daß der Wille,
welcher nach der Erklärung angenommen werden müßte,
in der That nicht vorhanden ist (§ 134), weshalb auch
die rechtlichen Folgen desselben nicht eintreten können.

Die Schwierigkeit des hier darzustellenden Falles liegt
hauptsächlich darin, daß er in sehr mannichfaltigen Ge-
stalten vorkommt, und ich will es daher versuchen, vor
Allem diese Verschiedenheiten übersichtlich anzugeben. Sie

felhafter, die Entstehung einer
Obligation verhindern, wenn
beide Personen das Bewußtseyn
dieses Mangels hätten; jetzt, da
sie sich hierüber einige Zeit ge-
täuscht haben, soll dieser Irr-
thum nur Nichts ändern. Der
Irrthum ist also augenscheinlich
nicht der Grund, weshalb die
Obligation nicht entsteht, da die-
selbe ohne ihn eben so wenig ent-
standen wäre.
(c) Beyl. VIII. Num. XXXIV.
(d) In dem oben (Note b)
angeführten Fall hatte vielleicht
der Verkäufer deutlich gesagt,
welches Haus er verkaufen wolle,
und der Käufer hatte ihn blos
aus Unbedachtsamkeit hierüber
misverstanden. Mag er nun auch
deshalb zu tadeln seyn, so hat er
doch nicht daran gedacht, das von
dem Andern angebotene Haus zu
kaufen, ohne diesen Willen aber
ist kein Vertrag über dieses Haus,
und ohne Vertrag keine Verbind-
lichkeit vorhanden.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
thum iſt alſo hier Das, was ich anderwärts den unächten
Irrthum genannt habe (c), und dieſe Unterſcheidung hat
keinesweges blos das theoretiſche Intereſſe klarer und ſcharf
beſtimmter Begriffe, ſondern es knüpfen ſich daran auch
praktiſch wichtige Folgen. Es folgt daraus, daß hier der
Irrende frey von jeder Verbindlichkeit bleibt, ohne Unter-
ſchied ob er dieſen Irrthum leicht vermeiden konnte oder
nicht (d). Es iſt jedoch dieſer Irrthum nicht etwa hier
für minder wichtig zu halten, als in anderen Fällen der
ächte Irrthum, er iſt es nur auf andere Weiſe; er iſt
wichtig, inſoferne wir aus ihm erkennen, daß der Wille,
welcher nach der Erklärung angenommen werden müßte,
in der That nicht vorhanden iſt (§ 134), weshalb auch
die rechtlichen Folgen deſſelben nicht eintreten können.

Die Schwierigkeit des hier darzuſtellenden Falles liegt
hauptſächlich darin, daß er in ſehr mannichfaltigen Ge-
ſtalten vorkommt, und ich will es daher verſuchen, vor
Allem dieſe Verſchiedenheiten überſichtlich anzugeben. Sie

felhafter, die Entſtehung einer
Obligation verhindern, wenn
beide Perſonen das Bewußtſeyn
dieſes Mangels hätten; jetzt, da
ſie ſich hierüber einige Zeit ge-
täuſcht haben, ſoll dieſer Irr-
thum nur Nichts ändern. Der
Irrthum iſt alſo augenſcheinlich
nicht der Grund, weshalb die
Obligation nicht entſteht, da die-
ſelbe ohne ihn eben ſo wenig ent-
ſtanden wäre.
(c) Beyl. VIII. Num. XXXIV.
(d) In dem oben (Note b)
angeführten Fall hatte vielleicht
der Verkäufer deutlich geſagt,
welches Haus er verkaufen wolle,
und der Käufer hatte ihn blos
aus Unbedachtſamkeit hierüber
misverſtanden. Mag er nun auch
deshalb zu tadeln ſeyn, ſo hat er
doch nicht daran gedacht, das von
dem Andern angebotene Haus zu
kaufen, ohne dieſen Willen aber
iſt kein Vertrag über dieſes Haus,
und ohne Vertrag keine Verbind-
lichkeit vorhanden.
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[264/0276] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. thum iſt alſo hier Das, was ich anderwärts den unächten Irrthum genannt habe (c), und dieſe Unterſcheidung hat keinesweges blos das theoretiſche Intereſſe klarer und ſcharf beſtimmter Begriffe, ſondern es knüpfen ſich daran auch praktiſch wichtige Folgen. Es folgt daraus, daß hier der Irrende frey von jeder Verbindlichkeit bleibt, ohne Unter- ſchied ob er dieſen Irrthum leicht vermeiden konnte oder nicht (d). Es iſt jedoch dieſer Irrthum nicht etwa hier für minder wichtig zu halten, als in anderen Fällen der ächte Irrthum, er iſt es nur auf andere Weiſe; er iſt wichtig, inſoferne wir aus ihm erkennen, daß der Wille, welcher nach der Erklärung angenommen werden müßte, in der That nicht vorhanden iſt (§ 134), weshalb auch die rechtlichen Folgen deſſelben nicht eintreten können. Die Schwierigkeit des hier darzuſtellenden Falles liegt hauptſächlich darin, daß er in ſehr mannichfaltigen Ge- ſtalten vorkommt, und ich will es daher verſuchen, vor Allem dieſe Verſchiedenheiten überſichtlich anzugeben. Sie (b) (c) Beyl. VIII. Num. XXXIV. (d) In dem oben (Note b) angeführten Fall hatte vielleicht der Verkäufer deutlich geſagt, welches Haus er verkaufen wolle, und der Käufer hatte ihn blos aus Unbedachtſamkeit hierüber misverſtanden. Mag er nun auch deshalb zu tadeln ſeyn, ſo hat er doch nicht daran gedacht, das von dem Andern angebotene Haus zu kaufen, ohne dieſen Willen aber iſt kein Vertrag über dieſes Haus, und ohne Vertrag keine Verbind- lichkeit vorhanden. (b) felhafter, die Entſtehung einer Obligation verhindern, wenn beide Perſonen das Bewußtſeyn dieſes Mangels hätten; jetzt, da ſie ſich hierüber einige Zeit ge- täuſcht haben, ſoll dieſer Irr- thum nur Nichts ändern. Der Irrthum iſt alſo augenſcheinlich nicht der Grund, weshalb die Obligation nicht entſteht, da die- ſelbe ohne ihn eben ſo wenig ent- ſtanden wäre.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/276>, abgerufen am 29.03.2024.