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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
auch des gültigen Rechtsgeschäfts, erkennen. Allein nicht
jeder begleitende Irrthum ist ein Grund, diese Abwesenheit
zu behaupten, und es ist daher von großer Wichtigkeit,
die Gränzen genau zu bestimmen, innerhalb welcher dem
Irrthum jener Einfluß allein zuzuschreiben ist. Unsere
Schriftsteller haben diesen Unterschied durch die ganz pas-
senden Ausdrücke des wesentlichen und unwesentli-
chen
Irrthums bezeichnet. Wir haben also zunächst, mit
Rücksicht auf die schon angegebenen Gegenstände, die Fälle
des wesentlichen Irrthums genau zu bestimmen, dann aber
einige Fälle des unwesentlichen Irrthums hinzuzufügen,
lediglich um gegen den möglichen Einfluß zu warnen, den
man auch diesen irrigerweise zuschreiben möchte.

Des Gegensatzes wegen muß hier an einige andere,
schon oben dargestellte, Umstände erinnert werden, wo-
durch der Wille mehr oder weniger unwirksam werden
kann: Zwang und Betrug (§ 114. 115). Bey diesen war
der Wille wirklich vorhanden, es wurde ihm aber durch
positive Anstalten entgegen gewirkt. Ganz anders hier,
wo wir das Daseyn des Willens schlechthin verneinen
müssen, und wo daher auch kein Rechtsverhältniß, als
Folge des Willens, denkbar ist. Um hierauf einen Rö-
mischen Sprachgebrauch anzuwenden, müssen wir den Un-
terschied so angeben: bey Zwang und Betrug ist eine Un-
gültigkeit per exceptionem denkbar, ja dem Zweck ange-
messen; in den Fällen des wesentlichen Irrthums kann
das Rechtsverhältniß nur ipso jure nichtig seyn.


Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
auch des gültigen Rechtsgeſchäfts, erkennen. Allein nicht
jeder begleitende Irrthum iſt ein Grund, dieſe Abweſenheit
zu behaupten, und es iſt daher von großer Wichtigkeit,
die Gränzen genau zu beſtimmen, innerhalb welcher dem
Irrthum jener Einfluß allein zuzuſchreiben iſt. Unſere
Schriftſteller haben dieſen Unterſchied durch die ganz paſ-
ſenden Ausdrücke des weſentlichen und unweſentli-
chen
Irrthums bezeichnet. Wir haben alſo zunächſt, mit
Rückſicht auf die ſchon angegebenen Gegenſtände, die Fälle
des weſentlichen Irrthums genau zu beſtimmen, dann aber
einige Fälle des unweſentlichen Irrthums hinzuzufügen,
lediglich um gegen den möglichen Einfluß zu warnen, den
man auch dieſen irrigerweiſe zuſchreiben möchte.

Des Gegenſatzes wegen muß hier an einige andere,
ſchon oben dargeſtellte, Umſtände erinnert werden, wo-
durch der Wille mehr oder weniger unwirkſam werden
kann: Zwang und Betrug (§ 114. 115). Bey dieſen war
der Wille wirklich vorhanden, es wurde ihm aber durch
poſitive Anſtalten entgegen gewirkt. Ganz anders hier,
wo wir das Daſeyn des Willens ſchlechthin verneinen
müſſen, und wo daher auch kein Rechtsverhältniß, als
Folge des Willens, denkbar iſt. Um hierauf einen Rö-
miſchen Sprachgebrauch anzuwenden, müſſen wir den Un-
terſchied ſo angeben: bey Zwang und Betrug iſt eine Un-
gültigkeit per exceptionem denkbar, ja dem Zweck ange-
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das Rechtsverhältniß nur ipso jure nichtig ſeyn.


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[268/0280] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. auch des gültigen Rechtsgeſchäfts, erkennen. Allein nicht jeder begleitende Irrthum iſt ein Grund, dieſe Abweſenheit zu behaupten, und es iſt daher von großer Wichtigkeit, die Gränzen genau zu beſtimmen, innerhalb welcher dem Irrthum jener Einfluß allein zuzuſchreiben iſt. Unſere Schriftſteller haben dieſen Unterſchied durch die ganz paſ- ſenden Ausdrücke des weſentlichen und unweſentli- chen Irrthums bezeichnet. Wir haben alſo zunächſt, mit Rückſicht auf die ſchon angegebenen Gegenſtände, die Fälle des weſentlichen Irrthums genau zu beſtimmen, dann aber einige Fälle des unweſentlichen Irrthums hinzuzufügen, lediglich um gegen den möglichen Einfluß zu warnen, den man auch dieſen irrigerweiſe zuſchreiben möchte. Des Gegenſatzes wegen muß hier an einige andere, ſchon oben dargeſtellte, Umſtände erinnert werden, wo- durch der Wille mehr oder weniger unwirkſam werden kann: Zwang und Betrug (§ 114. 115). Bey dieſen war der Wille wirklich vorhanden, es wurde ihm aber durch poſitive Anſtalten entgegen gewirkt. Ganz anders hier, wo wir das Daſeyn des Willens ſchlechthin verneinen müſſen, und wo daher auch kein Rechtsverhältniß, als Folge des Willens, denkbar iſt. Um hierauf einen Rö- miſchen Sprachgebrauch anzuwenden, müſſen wir den Un- terſchied ſo angeben: bey Zwang und Betrug iſt eine Un- gültigkeit per exceptionem denkbar, ja dem Zweck ange- meſſen; in den Fällen des weſentlichen Irrthums kann das Rechtsverhältniß nur ipso jure nichtig ſeyn.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/280>, abgerufen am 19.04.2024.