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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
Juristen fügte jene billige Unterscheidung hinzu, und nahm
also an, daß der Irrthum des Schuldners die Schuld-
klage von der gewöhnlichen Exception befreye; vorausge-
setzt jedoch, daß es weder ein Rechtsirrthum, noch ein
leicht zu vermeidender factischer sey, also ganz nach den
oben für den Irrthum überhaupt aufgestellten Grund-
sätzen (b). -- Minderjährige jedoch dürfen sich hier auch
auf den Rechtsirrthum berufen (c).

Eine ganz ähnliche Bestimmung findet sich bey der
durch das Sc. Vellejanum untersagten Bürgschaft der
Frauen. Die Exception aus diesem Senatusconsult gilt
ohne Unterschied, ob die Frau selbst die Bürgschaft leistet,
oder ein Anderer im Auftrag der Frau. Wenn aber in
diesem letzten Fall der Glaubiger von dem Auftrag Nichts
weiß, und also den Bevollmächtigten für einen Bürgen
auf eigene Rechnung hält, so wird die Exception durch
doli replicatio ausgeschlossen (d).

Ein Sklave konnte nicht als Zeuge bey einem Testa-
ment zugezogen werden. Geschah dieses dennoch, jedoch
bey einem solchen Sklaven, der allgemein für einen Freyen

(b) L. 3 pr. de Sc. Maced.
(14. 6.). "Si quis patremfami-
lias esse credidit, non vana
simplicitate deceptus, nec juris
ignorantia
, sed quia publice
paterfamilias plerisque vide-
batur, sic agebat, sic contra-
hebat, sic muneribus fungeba-
tur: cessabit Senatusconsul-
tum."
Dasselbe sagt indirect, in
Beziehung auf den Rechtsirrthum,
L. 9 pr. h. t., worin nur dem
Minderjährigen (also dem Voll-
jährigen nicht) Hülfe zugesagt
wird, wenn er aus Rechtsirrthum
einem filiusfamilias Geld als Dar-
lehen giebt.
(c) L. 9 pr. h. t. (s. Note b),
L. 11 § 7 de minor. (4. 4.).
(d) L. 6 ad Sc. Vellej. (16. 1.).

Irrthum und Unwiſſenheit.
Juriſten fügte jene billige Unterſcheidung hinzu, und nahm
alſo an, daß der Irrthum des Schuldners die Schuld-
klage von der gewöhnlichen Exception befreye; vorausge-
ſetzt jedoch, daß es weder ein Rechtsirrthum, noch ein
leicht zu vermeidender factiſcher ſey, alſo ganz nach den
oben fuͤr den Irrthum überhaupt aufgeſtellten Grund-
ſätzen (b). — Minderjährige jedoch dürfen ſich hier auch
auf den Rechtsirrthum berufen (c).

Eine ganz ähnliche Beſtimmung findet ſich bey der
durch das Sc. Vellejanum unterſagten Bürgſchaft der
Frauen. Die Exception aus dieſem Senatusconſult gilt
ohne Unterſchied, ob die Frau ſelbſt die Bürgſchaft leiſtet,
oder ein Anderer im Auftrag der Frau. Wenn aber in
dieſem letzten Fall der Glaubiger von dem Auftrag Nichts
weiß, und alſo den Bevollmächtigten für einen Bürgen
auf eigene Rechnung hält, ſo wird die Exception durch
doli replicatio ausgeſchloſſen (d).

Ein Sklave konnte nicht als Zeuge bey einem Teſta-
ment zugezogen werden. Geſchah dieſes dennoch, jedoch
bey einem ſolchen Sklaven, der allgemein für einen Freyen

(b) L. 3 pr. de Sc. Maced.
(14. 6.). „Si quis patremfami-
lias esse credidit, non vana
simplicitate deceptus, nec juris
ignorantia
, sed quia publice
paterfamilias plerisque vide-
batur, sic agebat, sic contra-
hebat, sic muneribus fungeba-
tur: cessabit Senatusconsul-
tum.”
Daſſelbe ſagt indirect, in
Beziehung auf den Rechtsirrthum,
L. 9 pr. h. t., worin nur dem
Minderjährigen (alſo dem Voll-
jährigen nicht) Hülfe zugeſagt
wird, wenn er aus Rechtsirrthum
einem filiusfamilias Geld als Dar-
lehen giebt.
(c) L. 9 pr. h. t. (ſ. Note b),
L. 11 § 7 de minor. (4. 4.).
(d) L. 6 ad Sc. Vellej. (16. 1.).
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[367/0379] Irrthum und Unwiſſenheit. Juriſten fügte jene billige Unterſcheidung hinzu, und nahm alſo an, daß der Irrthum des Schuldners die Schuld- klage von der gewöhnlichen Exception befreye; vorausge- ſetzt jedoch, daß es weder ein Rechtsirrthum, noch ein leicht zu vermeidender factiſcher ſey, alſo ganz nach den oben fuͤr den Irrthum überhaupt aufgeſtellten Grund- ſätzen (b). — Minderjährige jedoch dürfen ſich hier auch auf den Rechtsirrthum berufen (c). Eine ganz ähnliche Beſtimmung findet ſich bey der durch das Sc. Vellejanum unterſagten Bürgſchaft der Frauen. Die Exception aus dieſem Senatusconſult gilt ohne Unterſchied, ob die Frau ſelbſt die Bürgſchaft leiſtet, oder ein Anderer im Auftrag der Frau. Wenn aber in dieſem letzten Fall der Glaubiger von dem Auftrag Nichts weiß, und alſo den Bevollmächtigten für einen Bürgen auf eigene Rechnung hält, ſo wird die Exception durch doli replicatio ausgeſchloſſen (d). Ein Sklave konnte nicht als Zeuge bey einem Teſta- ment zugezogen werden. Geſchah dieſes dennoch, jedoch bey einem ſolchen Sklaven, der allgemein für einen Freyen (b) L. 3 pr. de Sc. Maced. (14. 6.). „Si quis patremfami- lias esse credidit, non vana simplicitate deceptus, nec juris ignorantia, sed quia publice paterfamilias plerisque vide- batur, sic agebat, sic contra- hebat, sic muneribus fungeba- tur: cessabit Senatusconsul- tum.” Daſſelbe ſagt indirect, in Beziehung auf den Rechtsirrthum, L. 9 pr. h. t., worin nur dem Minderjährigen (alſo dem Voll- jährigen nicht) Hülfe zugeſagt wird, wenn er aus Rechtsirrthum einem filiusfamilias Geld als Dar- lehen giebt. (c) L. 9 pr. h. t. (ſ. Note b), L. 11 § 7 de minor. (4. 4.). (d) L. 6 ad Sc. Vellej. (16. 1.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/379>, abgerufen am 29.03.2024.