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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
stitution befreyt. Hier wird nun ausdrücklich bemerkt, es
dürfe weder ein Rechtsirrthum gewesen seyn (g), noch ein
auf grober Nachlässigkeit beruhender factischer Irrthum (h).

Von diesen Fällen sind die meisten schon im Justinia-
nischen Recht, noch mehr aber in dem unsrigen, nicht mehr
anwendbar. Der letzte jedoch, welcher das gerichtliche
Geständniß betrifft, kann, ungeachtet der veränderten Form
des zum Grunde liegenden Rechtssatzes, auch noch im heu-
tigen Recht zur Anwendung kommen (i).

Ich habe hier absichtlich Fälle des älteren Rechts zu-
sammengestellt. Die Art, wie in dem heutigen Prozeßrecht
der Irrthum behandelt wird, ist diesem ganz eigenthümlich,
und gehört nicht mehr zu den Entwicklungen der allgemei-
nen Rechtslehre vom Irrthum (k).


(11. 1.), L. 23 § 11 L. 21 L. 25
pr. ad L. Aquil. (9. 2.), L. 8
de confessis
(42. 2.).
(g) L. 2 de confessis (42. 2.).
Dieser Satz hängt zusammen mit
dem Grundsatz der condictio
indebiti,
welcher gleichfalls den
Rechtsirrthum von der Rückfor-
derung ausschließt (Num. XXXV.
fg.). Denn wer gesteht, thut es,
eben so wie der welcher zahlt, in
der Meynung, damit nur seine
Schuldigkeit zu thun, nicht aus
freyer Willkühr.
(h) L. 11 § 11 de interrog.
(11. 1.).
(i) Wichtiger, als alle hier zu-
sammengestellte, Prozeßrestitutio-
nen ist die gegen das rechtskräf-
tige Urtheil. Vgl. Burchardi
Wiedereinsetzung S. 185. Allein
diese gehört nicht zur Lehre vom
Irrthum, da der Irrthum der
unterliegenden Partey doch nur
unter andern, und nur auf indi-
recte Weise, als Ursache des Ur-
theils angesehen werden kann.
(k) So z. B. steht die Behand-
lung des Irrthums eines Advo-
caten im Zusammenhang mit der
besondern Stellung der Advoca-
ten im Prozeß.
25*

Irrthum und Unwiſſenheit.
ſtitution befreyt. Hier wird nun ausdrücklich bemerkt, es
dürfe weder ein Rechtsirrthum geweſen ſeyn (g), noch ein
auf grober Nachläſſigkeit beruhender factiſcher Irrthum (h).

Von dieſen Fällen ſind die meiſten ſchon im Juſtinia-
niſchen Recht, noch mehr aber in dem unſrigen, nicht mehr
anwendbar. Der letzte jedoch, welcher das gerichtliche
Geſtändniß betrifft, kann, ungeachtet der veränderten Form
des zum Grunde liegenden Rechtsſatzes, auch noch im heu-
tigen Recht zur Anwendung kommen (i).

Ich habe hier abſichtlich Fälle des älteren Rechts zu-
ſammengeſtellt. Die Art, wie in dem heutigen Prozeßrecht
der Irrthum behandelt wird, iſt dieſem ganz eigenthümlich,
und gehört nicht mehr zu den Entwicklungen der allgemei-
nen Rechtslehre vom Irrthum (k).


(11. 1.), L. 23 § 11 L. 21 L. 25
pr. ad L. Aquil. (9. 2.), L. 8
de confessis
(42. 2.).
(g) L. 2 de confessis (42. 2.).
Dieſer Satz hängt zuſammen mit
dem Grundſatz der condictio
indebiti,
welcher gleichfalls den
Rechtsirrthum von der Rückfor-
derung ausſchließt (Num. XXXV.
fg.). Denn wer geſteht, thut es,
eben ſo wie der welcher zahlt, in
der Meynung, damit nur ſeine
Schuldigkeit zu thun, nicht aus
freyer Willkühr.
(h) L. 11 § 11 de interrog.
(11. 1.).
(i) Wichtiger, als alle hier zu-
ſammengeſtellte, Prozeßreſtitutio-
nen iſt die gegen das rechtskräf-
tige Urtheil. Vgl. Burchardi
Wiedereinſetzung S. 185. Allein
dieſe gehört nicht zur Lehre vom
Irrthum, da der Irrthum der
unterliegenden Partey doch nur
unter andern, und nur auf indi-
recte Weiſe, als Urſache des Ur-
theils angeſehen werden kann.
(k) So z. B. ſteht die Behand-
lung des Irrthums eines Advo-
caten im Zuſammenhang mit der
beſondern Stellung der Advoca-
ten im Prozeß.
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[387/0399] Irrthum und Unwiſſenheit. ſtitution befreyt. Hier wird nun ausdrücklich bemerkt, es dürfe weder ein Rechtsirrthum geweſen ſeyn (g), noch ein auf grober Nachläſſigkeit beruhender factiſcher Irrthum (h). Von dieſen Fällen ſind die meiſten ſchon im Juſtinia- niſchen Recht, noch mehr aber in dem unſrigen, nicht mehr anwendbar. Der letzte jedoch, welcher das gerichtliche Geſtändniß betrifft, kann, ungeachtet der veränderten Form des zum Grunde liegenden Rechtsſatzes, auch noch im heu- tigen Recht zur Anwendung kommen (i). Ich habe hier abſichtlich Fälle des älteren Rechts zu- ſammengeſtellt. Die Art, wie in dem heutigen Prozeßrecht der Irrthum behandelt wird, iſt dieſem ganz eigenthümlich, und gehört nicht mehr zu den Entwicklungen der allgemei- nen Rechtslehre vom Irrthum (k). (f) (g) L. 2 de confessis (42. 2.). Dieſer Satz hängt zuſammen mit dem Grundſatz der condictio indebiti, welcher gleichfalls den Rechtsirrthum von der Rückfor- derung ausſchließt (Num. XXXV. fg.). Denn wer geſteht, thut es, eben ſo wie der welcher zahlt, in der Meynung, damit nur ſeine Schuldigkeit zu thun, nicht aus freyer Willkühr. (h) L. 11 § 11 de interrog. (11. 1.). (i) Wichtiger, als alle hier zu- ſammengeſtellte, Prozeßreſtitutio- nen iſt die gegen das rechtskräf- tige Urtheil. Vgl. Burchardi Wiedereinſetzung S. 185. Allein dieſe gehört nicht zur Lehre vom Irrthum, da der Irrthum der unterliegenden Partey doch nur unter andern, und nur auf indi- recte Weiſe, als Urſache des Ur- theils angeſehen werden kann. (k) So z. B. ſteht die Behand- lung des Irrthums eines Advo- caten im Zuſammenhang mit der beſondern Stellung der Advoca- ten im Prozeß. (f) (11. 1.), L. 23 § 11 L. 21 L. 25 pr. ad L. Aquil. (9. 2.), L. 8 de confessis (42. 2.). 25*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/399>, abgerufen am 29.03.2024.