Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VIII.
nern, welches in dieser Anwendung mehr als anderwärts
verkannt zu seyn scheint: Der Irrthum schützt in der Re-
gel gegen die nachtheilige Folge der Unterlassung nicht,
weder direct noch durch Restitution, und es sind daher
nur einzelne, ausgenommene Fälle worin er schützt; aber
auch in diesen Fällen wird der Schutz ausgeschlossen durch
besondere Nachlässigkeit, also auch in der Regel bey je-
dem Rechtsirrthum. -- Die einzelnen Fälle, worin der
Irrthum als Ursache einer Unterlassung vorkommt, sind
folgende:

I. Die Bonorum Possessio muß innerhalb einer Frist
von einem Jahr oder 100 Tagen agnoscirt werden, sonst
ist sie verloren. Wie aber, wenn der Berufene aus Un-
wissenheit die Frist versäumt hat? Da wir die Worte
des hier einschlagenden Edicts nicht kennen, so ist es nö-
thig, auf ein anderes, dem älteren Recht angehörendes,
Institut zurück zu gehen. Es war üblich, die Erben cum
cretione
einzusetzen, und zwar besonders häufig mit dieser
Formel: Titius heres esto, cernitoque in diebus centum
proximis, quibus scieris, poterisque
(a). Wahrscheinlich

(a) Dieses hieß cretio vulga-
ris. Ulpian. XXII. § 27. 31. 32,
Gajus Lib.
2 § 165. 171--173.
Ähnliche Bedingungen (des An-
tritts in einer bestimmten Zeit)
können auch nach dem neuesten
Recht in einem Testamente vor-
kommen (L. 72 de adqu. her.
29. 2.). Ob dann die Frist von
dem Todestage, oder von der Zeit
worin der Erbe die Bedingung
erfuhr, gerechnet werden soll, das
muß von dem Inhalt und der
Auslegung des Testaments abhän-
gen. -- Auf den Fall einer cretio
vulgaris
bezog sich ohne Zweifel
in ihrer ursprünglichen Abfassung
L. 86 de adqu. her. (29. 2.), die
durch Verwandlung von cretio-
nis
in aditionis interpolirt ist.

Beylage VIII.
nern, welches in dieſer Anwendung mehr als anderwärts
verkannt zu ſeyn ſcheint: Der Irrthum ſchützt in der Re-
gel gegen die nachtheilige Folge der Unterlaſſung nicht,
weder direct noch durch Reſtitution, und es ſind daher
nur einzelne, ausgenommene Fälle worin er ſchützt; aber
auch in dieſen Fällen wird der Schutz ausgeſchloſſen durch
beſondere Nachläſſigkeit, alſo auch in der Regel bey je-
dem Rechtsirrthum. — Die einzelnen Fälle, worin der
Irrthum als Urſache einer Unterlaſſung vorkommt, ſind
folgende:

I. Die Bonorum Possessio muß innerhalb einer Friſt
von einem Jahr oder 100 Tagen agnoſcirt werden, ſonſt
iſt ſie verloren. Wie aber, wenn der Berufene aus Un-
wiſſenheit die Friſt verſäumt hat? Da wir die Worte
des hier einſchlagenden Edicts nicht kennen, ſo iſt es nö-
thig, auf ein anderes, dem älteren Recht angehörendes,
Inſtitut zurück zu gehen. Es war üblich, die Erben cum
cretione
einzuſetzen, und zwar beſonders häufig mit dieſer
Formel: Titius heres esto, cernitoque in diebus centum
proximis, quibus scieris, poterisque
(a). Wahrſcheinlich

(a) Dieſes hieß cretio vulga-
ris. Ulpian. XXII. § 27. 31. 32,
Gajus Lib.
2 § 165. 171—173.
Ähnliche Bedingungen (des An-
tritts in einer beſtimmten Zeit)
können auch nach dem neueſten
Recht in einem Teſtamente vor-
kommen (L. 72 de adqu. her.
29. 2.). Ob dann die Friſt von
dem Todestage, oder von der Zeit
worin der Erbe die Bedingung
erfuhr, gerechnet werden ſoll, das
muß von dem Inhalt und der
Auslegung des Teſtaments abhän-
gen. — Auf den Fall einer cretio
vulgaris
bezog ſich ohne Zweifel
in ihrer urſprünglichen Abfaſſung
L. 86 de adqu. her. (29. 2.), die
durch Verwandlung von cretio-
nis
in aditionis interpolirt iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="404"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
nern, welches in die&#x017F;er Anwendung mehr als anderwärts<lb/>
verkannt zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint: Der Irrthum &#x017F;chützt in der Re-<lb/>
gel gegen die nachtheilige Folge der Unterla&#x017F;&#x017F;ung nicht,<lb/>
weder direct noch durch Re&#x017F;titution, und es &#x017F;ind daher<lb/>
nur einzelne, ausgenommene Fälle worin er &#x017F;chützt; aber<lb/>
auch in die&#x017F;en Fällen wird der Schutz ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en durch<lb/>
be&#x017F;ondere Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeit, al&#x017F;o auch in der Regel bey je-<lb/>
dem Rechtsirrthum. &#x2014; Die einzelnen Fälle, worin der<lb/>
Irrthum als Ur&#x017F;ache einer Unterla&#x017F;&#x017F;ung vorkommt, &#x017F;ind<lb/>
folgende:</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Die <hi rendition="#aq">Bonorum Possessio</hi> muß innerhalb einer Fri&#x017F;t<lb/>
von einem Jahr oder 100 Tagen agno&#x017F;cirt werden, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie verloren. Wie aber, wenn der Berufene aus Un-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enheit die Fri&#x017F;t ver&#x017F;äumt hat? Da wir die Worte<lb/>
des hier ein&#x017F;chlagenden Edicts nicht kennen, &#x017F;o i&#x017F;t es nö-<lb/>
thig, auf ein anderes, dem älteren Recht angehörendes,<lb/>
In&#x017F;titut zurück zu gehen. Es war üblich, die Erben <hi rendition="#aq">cum<lb/>
cretione</hi> einzu&#x017F;etzen, und zwar be&#x017F;onders häufig mit die&#x017F;er<lb/>
Formel: <hi rendition="#aq">Titius heres esto, cernitoque in diebus centum<lb/>
proximis, <hi rendition="#i">quibus scieris, poterisque</hi></hi> <note place="foot" n="(a)">Die&#x017F;es hieß <hi rendition="#aq">cretio vulga-<lb/>
ris. <hi rendition="#k">Ulpian</hi>. XXII. § 27. 31. 32,<lb/><hi rendition="#k">Gajus</hi> Lib.</hi> 2 § 165. 171&#x2014;173.<lb/>
Ähnliche Bedingungen (des An-<lb/>
tritts in einer be&#x017F;timmten Zeit)<lb/>
können auch nach dem neue&#x017F;ten<lb/>
Recht in einem Te&#x017F;tamente vor-<lb/>
kommen (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 72 <hi rendition="#i">de adqu. her</hi>.</hi><lb/>
29. 2.). Ob dann die Fri&#x017F;t von<lb/>
dem Todestage, oder von der Zeit<lb/>
worin der Erbe die Bedingung<lb/>
erfuhr, gerechnet werden &#x017F;oll, das<lb/>
muß von dem Inhalt und der<lb/>
Auslegung des Te&#x017F;taments abhän-<lb/>
gen. &#x2014; Auf den Fall einer <hi rendition="#aq">cretio<lb/>
vulgaris</hi> bezog &#x017F;ich ohne Zweifel<lb/>
in ihrer ur&#x017F;prünglichen Abfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L</hi>. 86 <hi rendition="#i">de adqu. her</hi>.</hi> (29. 2.), die<lb/>
durch Verwandlung von <hi rendition="#aq">cretio-<lb/>
nis</hi> in <hi rendition="#aq">aditionis</hi> interpolirt i&#x017F;t.</note>. Wahr&#x017F;cheinlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0416] Beylage VIII. nern, welches in dieſer Anwendung mehr als anderwärts verkannt zu ſeyn ſcheint: Der Irrthum ſchützt in der Re- gel gegen die nachtheilige Folge der Unterlaſſung nicht, weder direct noch durch Reſtitution, und es ſind daher nur einzelne, ausgenommene Fälle worin er ſchützt; aber auch in dieſen Fällen wird der Schutz ausgeſchloſſen durch beſondere Nachläſſigkeit, alſo auch in der Regel bey je- dem Rechtsirrthum. — Die einzelnen Fälle, worin der Irrthum als Urſache einer Unterlaſſung vorkommt, ſind folgende: I. Die Bonorum Possessio muß innerhalb einer Friſt von einem Jahr oder 100 Tagen agnoſcirt werden, ſonſt iſt ſie verloren. Wie aber, wenn der Berufene aus Un- wiſſenheit die Friſt verſäumt hat? Da wir die Worte des hier einſchlagenden Edicts nicht kennen, ſo iſt es nö- thig, auf ein anderes, dem älteren Recht angehörendes, Inſtitut zurück zu gehen. Es war üblich, die Erben cum cretione einzuſetzen, und zwar beſonders häufig mit dieſer Formel: Titius heres esto, cernitoque in diebus centum proximis, quibus scieris, poterisque (a). Wahrſcheinlich (a) Dieſes hieß cretio vulga- ris. Ulpian. XXII. § 27. 31. 32, Gajus Lib. 2 § 165. 171—173. Ähnliche Bedingungen (des An- tritts in einer beſtimmten Zeit) können auch nach dem neueſten Recht in einem Teſtamente vor- kommen (L. 72 de adqu. her. 29. 2.). Ob dann die Friſt von dem Todestage, oder von der Zeit worin der Erbe die Bedingung erfuhr, gerechnet werden ſoll, das muß von dem Inhalt und der Auslegung des Teſtaments abhän- gen. — Auf den Fall einer cretio vulgaris bezog ſich ohne Zweifel in ihrer urſprünglichen Abfaſſung L. 86 de adqu. her. (29. 2.), die durch Verwandlung von cretio- nis in aditionis interpolirt iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/416
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/416>, abgerufen am 28.03.2024.