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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
rum Possessio versäumt (Num. XXIV.). Es hat aber
durchaus keinen Zweifel, daß sie auch in allen anderen,
nichterwähnten, Fällen gelten müssen, so daß also gewiß
ein Minderjähriger usucapiren kann, auch wenn sein Be-
sitztitel mit einem Rechtsirrthum in Verbindung steht.

Es ist jedoch wohl zu bemerken, daß diese Begünsti-
gung bey dem Irrthum, so wie die Restitution überhaupt,
nur auf den erlaubten Verkehr zu beziehen ist. Auf De-
licte geht Beides nicht, hier wird überhaupt keine Resti-
tution gegeben, und der Minderjährige kann sich also auch
nicht durch die Unbekanntschaft mit dem Strafgesetz ent-
schuldigen (c). Diese Regel gilt ohne Unterschied der do-
losen und culposen Delicte, ja auch bey dem in Contracten
begangenen Dolus, da dieser eine delictenähnliche Natur
hat (d). Jedoch gilt sie nur für diejenigen Rechtsverletzun-
gen, deren Strafbarkeit schon dem natürlichen Rechtsgefühl
einleuchtet, nicht auf die welche eine mehr positive Natur
haben (Num. XX.). Daher sollte der Minderjährige frey
seyn von der Strafe des incestus juris civilis und der
übertretenen Zollgesetze, so wie die minderjährige Frau,

(c) L. 9 pr. h. t. " .. ante
praemisso, quod minoribus vi-
gintiquinque annis jus ignorare
permissum est: quod et in fe-
minis in quibusdam causis prop-
ter sexus infirmitatem dicitur:

et ideo sicubi non est delictum,
sed juris ignorantia, non lae-
duntur."
Die hier cursiv gedruck-
ten Worte müssen als Parenthese
gedacht werden, so daß der letzte
Satz unmittelbar an den ersten
anschließt, und auf die Minder-
jährigen geht, nicht auf die Frauen
(vgl. Num. XXXI.). -- L. 9 § 2.
3. 4 L. 37 § 1 de minor. (4. 4.),
L. 1 C. si adv. del.
(2. 35.).
(d) L. 9 § 2 de minor. (4. 4.).

Irrthum und Unwiſſenheit.
rum Possessio verſäumt (Num. XXIV.). Es hat aber
durchaus keinen Zweifel, daß ſie auch in allen anderen,
nichterwähnten, Fällen gelten müſſen, ſo daß alſo gewiß
ein Minderjähriger uſucapiren kann, auch wenn ſein Be-
ſitztitel mit einem Rechtsirrthum in Verbindung ſteht.

Es iſt jedoch wohl zu bemerken, daß dieſe Beguͤnſti-
gung bey dem Irrthum, ſo wie die Reſtitution überhaupt,
nur auf den erlaubten Verkehr zu beziehen iſt. Auf De-
licte geht Beides nicht, hier wird überhaupt keine Reſti-
tution gegeben, und der Minderjährige kann ſich alſo auch
nicht durch die Unbekanntſchaft mit dem Strafgeſetz ent-
ſchuldigen (c). Dieſe Regel gilt ohne Unterſchied der do-
loſen und culpoſen Delicte, ja auch bey dem in Contracten
begangenen Dolus, da dieſer eine delictenähnliche Natur
hat (d). Jedoch gilt ſie nur für diejenigen Rechtsverletzun-
gen, deren Strafbarkeit ſchon dem natürlichen Rechtsgefühl
einleuchtet, nicht auf die welche eine mehr poſitive Natur
haben (Num. XX.). Daher ſollte der Minderjährige frey
ſeyn von der Strafe des incestus juris civilis und der
übertretenen Zollgeſetze, ſo wie die minderjährige Frau,

(c) L. 9 pr. h. t. „ .. ante
praemisso, quod minoribus vi-
gintiquinque annis jus ignorare
permissum est: quod et in fe-
minis in quibusdam causis prop-
ter sexus infirmitatem dicitur:

et ideo sicubi non est delictum,
sed juris ignorantia, non lae-
duntur.”
Die hier curſiv gedruck-
ten Worte müſſen als Parentheſe
gedacht werden, ſo daß der letzte
Satz unmittelbar an den erſten
anſchließt, und auf die Minder-
jährigen geht, nicht auf die Frauen
(vgl. Num. XXXI.). — L. 9 § 2.
3. 4 L. 37 § 1 de minor. (4. 4.),
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(2. 35.).
(d) L. 9 § 2 de minor. (4. 4.).
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[431/0443] Irrthum und Unwiſſenheit. rum Possessio verſäumt (Num. XXIV.). Es hat aber durchaus keinen Zweifel, daß ſie auch in allen anderen, nichterwähnten, Fällen gelten müſſen, ſo daß alſo gewiß ein Minderjähriger uſucapiren kann, auch wenn ſein Be- ſitztitel mit einem Rechtsirrthum in Verbindung ſteht. Es iſt jedoch wohl zu bemerken, daß dieſe Beguͤnſti- gung bey dem Irrthum, ſo wie die Reſtitution überhaupt, nur auf den erlaubten Verkehr zu beziehen iſt. Auf De- licte geht Beides nicht, hier wird überhaupt keine Reſti- tution gegeben, und der Minderjährige kann ſich alſo auch nicht durch die Unbekanntſchaft mit dem Strafgeſetz ent- ſchuldigen (c). Dieſe Regel gilt ohne Unterſchied der do- loſen und culpoſen Delicte, ja auch bey dem in Contracten begangenen Dolus, da dieſer eine delictenähnliche Natur hat (d). Jedoch gilt ſie nur für diejenigen Rechtsverletzun- gen, deren Strafbarkeit ſchon dem natürlichen Rechtsgefühl einleuchtet, nicht auf die welche eine mehr poſitive Natur haben (Num. XX.). Daher ſollte der Minderjährige frey ſeyn von der Strafe des incestus juris civilis und der übertretenen Zollgeſetze, ſo wie die minderjährige Frau, (c) L. 9 pr. h. t. „ .. ante praemisso, quod minoribus vi- gintiquinque annis jus ignorare permissum est: quod et in fe- minis in quibusdam causis prop- ter sexus infirmitatem dicitur: et ideo sicubi non est delictum, sed juris ignorantia, non lae- duntur.” Die hier curſiv gedruck- ten Worte müſſen als Parentheſe gedacht werden, ſo daß der letzte Satz unmittelbar an den erſten anſchließt, und auf die Minder- jährigen geht, nicht auf die Frauen (vgl. Num. XXXI.). — L. 9 § 2. 3. 4 L. 37 § 1 de minor. (4. 4.), L. 1 C. si adv. del. (2. 35.). (d) L. 9 § 2 de minor. (4. 4.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/443>, abgerufen am 29.03.2024.