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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.

Die hier ausgesprochene Verneinung geht mit Noth-
wendigkeit hervor aus der ganzen, in gegenwärtiger Ab-
handlung dargestellten, Natur des Irrthums. Derselbe
soll nicht überall helfen, sondern nur ausnahmsweise in
einzelnen Fällen; auch die condictio indebiti versteht sich
nicht von selbst, der Zahlende hat freywillig das Geld
veräußert, und es ist besondere Begünstigung aus Billig-
keit, wenn ihm die Rückforderung verstattet wird (b). In
den Fällen aber, worin der Irrthum zur Abwendung eines
Nachtheils geltend gemacht werden kann, ist doch diese
Hülfe ausgeschlossen im Fall eines verschuldeten Irrthums,
und als ein solcher wird in der Regel jeder Rechtsirr-
thum betrachtet (Num. III.). Durch diese allgemeine Be-
trachtung ist die Verneinung der aufgeworfenen Frage be-
gründet, und sie erhält eine große Unterstützung dadurch,
daß diese Betrachtung sich jetzt bereits in der Anwendung
auf so viele andere Rechtsverhältnisse, worin der Irrthum
von Einfluß ist, bewährt hat.

Ich will aber sogleich einige, schon oben begründete,
Einschränkungen des Satzes hinzufügen, wodurch vielleicht
die Gegner geneigter werden möchten ihn anzunehmen.
Der Satz gilt nicht, wenn der Irrthum nicht den Inhalt
der Rechtsregel, sondern die Subsumtion einer verwickel-
ten Thatsache unter die Regel betrifft (Num. I. V.). --
Eben so auch nicht, wenn die Rechtsregel selbst nicht leicht
mit Sicherheit zu erkennen ist, welches sowohl bey dem

(b) Cujacius opp. VII. 895. A.
Beylage VIII.

Die hier ausgeſprochene Verneinung geht mit Noth-
wendigkeit hervor aus der ganzen, in gegenwärtiger Ab-
handlung dargeſtellten, Natur des Irrthums. Derſelbe
ſoll nicht überall helfen, ſondern nur ausnahmsweiſe in
einzelnen Fällen; auch die condictio indebiti verſteht ſich
nicht von ſelbſt, der Zahlende hat freywillig das Geld
veräußert, und es iſt beſondere Begünſtigung aus Billig-
keit, wenn ihm die Rückforderung verſtattet wird (b). In
den Fällen aber, worin der Irrthum zur Abwendung eines
Nachtheils geltend gemacht werden kann, iſt doch dieſe
Hülfe ausgeſchloſſen im Fall eines verſchuldeten Irrthums,
und als ein ſolcher wird in der Regel jeder Rechtsirr-
thum betrachtet (Num. III.). Durch dieſe allgemeine Be-
trachtung iſt die Verneinung der aufgeworfenen Frage be-
gründet, und ſie erhält eine große Unterſtützung dadurch,
daß dieſe Betrachtung ſich jetzt bereits in der Anwendung
auf ſo viele andere Rechtsverhältniſſe, worin der Irrthum
von Einfluß iſt, bewährt hat.

Ich will aber ſogleich einige, ſchon oben begründete,
Einſchränkungen des Satzes hinzufügen, wodurch vielleicht
die Gegner geneigter werden möchten ihn anzunehmen.
Der Satz gilt nicht, wenn der Irrthum nicht den Inhalt
der Rechtsregel, ſondern die Subſumtion einer verwickel-
ten Thatſache unter die Regel betrifft (Num. I. V.). —
Eben ſo auch nicht, wenn die Rechtsregel ſelbſt nicht leicht
mit Sicherheit zu erkennen iſt, welches ſowohl bey dem

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[448/0460] Beylage VIII. Die hier ausgeſprochene Verneinung geht mit Noth- wendigkeit hervor aus der ganzen, in gegenwärtiger Ab- handlung dargeſtellten, Natur des Irrthums. Derſelbe ſoll nicht überall helfen, ſondern nur ausnahmsweiſe in einzelnen Fällen; auch die condictio indebiti verſteht ſich nicht von ſelbſt, der Zahlende hat freywillig das Geld veräußert, und es iſt beſondere Begünſtigung aus Billig- keit, wenn ihm die Rückforderung verſtattet wird (b). In den Fällen aber, worin der Irrthum zur Abwendung eines Nachtheils geltend gemacht werden kann, iſt doch dieſe Hülfe ausgeſchloſſen im Fall eines verſchuldeten Irrthums, und als ein ſolcher wird in der Regel jeder Rechtsirr- thum betrachtet (Num. III.). Durch dieſe allgemeine Be- trachtung iſt die Verneinung der aufgeworfenen Frage be- gründet, und ſie erhält eine große Unterſtützung dadurch, daß dieſe Betrachtung ſich jetzt bereits in der Anwendung auf ſo viele andere Rechtsverhältniſſe, worin der Irrthum von Einfluß iſt, bewährt hat. Ich will aber ſogleich einige, ſchon oben begründete, Einſchränkungen des Satzes hinzufügen, wodurch vielleicht die Gegner geneigter werden möchten ihn anzunehmen. Der Satz gilt nicht, wenn der Irrthum nicht den Inhalt der Rechtsregel, ſondern die Subſumtion einer verwickel- ten Thatſache unter die Regel betrifft (Num. I. V.). — Eben ſo auch nicht, wenn die Rechtsregel ſelbſt nicht leicht mit Sicherheit zu erkennen iſt, welches ſowohl bey dem (b) Cujacius opp. VII. 895. A.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/460>, abgerufen am 25.04.2024.