Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 112. Vernunftlose. Interdicirte. Juristische Personen.
§. 112.
II. Freye Handlungen. -- Hindernisse. B. Vernunft-
lose
. C. Interdicirte. D. Juristische Personen.

B. Die Vernunftlosigkeit oder der Wahn-
sinn ist ein natürliches und unzweifelhaftes Hinderniß
für freye Handlungen und ihre Folgen. Die Beurthei-
lung ist hier theilweise weniger schwierig als bey dem
unreifen Alter, indem die Veränderung nicht wie bey
dem Alter durch lang dauernde, unmerkliche Entwick-
lungsstufen hindurchgeht, sondern oft ganz plötzlich, au-
ßerdem wenigstens in raschen Übergängen, erfolgt. Da-
gegen kann auch hier eine Schwierigkeit entstehen durch
zweifelhafte Gränzen der Zustände; diese Schwierigkeit
aber ist nicht, wie bey dem Alter, durch positiv durchgrei-
fende Regeln zu beseitigen möglich, auch liegt sie weniger
auf dem Gebiet des Richters, als auf dem des Sachver-
ständigen, an dessen Urtheil der Richter hier meist gebun-
den seyn wird.

Die äußere Erscheinung dieses Zustandes ist verschie-
den, je nachdem er von heftigen Ausbrüchen begleitet ist
oder nicht. Die Römer haben zwey Ausdrücke, furiosus
und demens, die sie auf verschiedene Weise gebrauchen:
bald mit ganz willkührlicher Abwechslung, als völlig gleich-
bedeutende Bezeichnung der Vernunftlosigkeit überhaupt (a);
bald als besondere Benennung der zwey erwähnten Er-

(a) Cicero tusc. quaest. III. 5, L. 7 § 1 de cur. fur. (27. 10.),
L. 14 de off. praes. (1. 18.).
6*
§. 112. Vernunftloſe. Interdicirte. Juriſtiſche Perſonen.
§. 112.
II. Freye Handlungen. — Hinderniſſe. B. Vernunft-
loſe
. C. Interdicirte. D. Juriſtiſche Perſonen.

B. Die Vernunftloſigkeit oder der Wahn-
ſinn iſt ein natürliches und unzweifelhaftes Hinderniß
für freye Handlungen und ihre Folgen. Die Beurthei-
lung iſt hier theilweiſe weniger ſchwierig als bey dem
unreifen Alter, indem die Veränderung nicht wie bey
dem Alter durch lang dauernde, unmerkliche Entwick-
lungsſtufen hindurchgeht, ſondern oft ganz plötzlich, au-
ßerdem wenigſtens in raſchen Übergängen, erfolgt. Da-
gegen kann auch hier eine Schwierigkeit entſtehen durch
zweifelhafte Gränzen der Zuſtände; dieſe Schwierigkeit
aber iſt nicht, wie bey dem Alter, durch poſitiv durchgrei-
fende Regeln zu beſeitigen möglich, auch liegt ſie weniger
auf dem Gebiet des Richters, als auf dem des Sachver-
ſtändigen, an deſſen Urtheil der Richter hier meiſt gebun-
den ſeyn wird.

Die äußere Erſcheinung dieſes Zuſtandes iſt verſchie-
den, je nachdem er von heftigen Ausbrüchen begleitet iſt
oder nicht. Die Römer haben zwey Ausdrücke, furiosus
und demens, die ſie auf verſchiedene Weiſe gebrauchen:
bald mit ganz willkührlicher Abwechſlung, als völlig gleich-
bedeutende Bezeichnung der Vernunftloſigkeit überhaupt (a);
bald als beſondere Benennung der zwey erwähnten Er-

(a) Cicero tusc. quaest. III. 5, L. 7 § 1 de cur. fur. (27. 10.),
L. 14 de off. praes. (1. 18.).
6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0095" n="83"/>
          <fw place="top" type="header">§. 112. Vernunftlo&#x017F;e. Interdicirte. Juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;onen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 112.<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#g">Freye Handlungen. &#x2014; Hinderni&#x017F;&#x017F;e</hi>. <hi rendition="#aq">B.</hi> <hi rendition="#g">Vernunft-<lb/>
lo&#x017F;e</hi>. <hi rendition="#aq">C.</hi> <hi rendition="#g">Interdicirte</hi>. <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Juri&#x017F;ti&#x017F;che Per&#x017F;onen</hi>.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">B.</hi> Die <hi rendition="#g">Vernunftlo&#x017F;igkeit</hi> oder der Wahn-<lb/>
&#x017F;inn i&#x017F;t ein natürliches und unzweifelhaftes Hinderniß<lb/>
für freye Handlungen und ihre Folgen. Die Beurthei-<lb/>
lung i&#x017F;t hier theilwei&#x017F;e weniger &#x017F;chwierig als bey dem<lb/>
unreifen Alter, indem die Veränderung nicht wie bey<lb/>
dem Alter durch lang dauernde, unmerkliche Entwick-<lb/>
lungs&#x017F;tufen hindurchgeht, &#x017F;ondern oft ganz plötzlich, au-<lb/>
ßerdem wenig&#x017F;tens in ra&#x017F;chen Übergängen, erfolgt. Da-<lb/>
gegen kann auch hier eine Schwierigkeit ent&#x017F;tehen durch<lb/>
zweifelhafte Gränzen der Zu&#x017F;tände; die&#x017F;e Schwierigkeit<lb/>
aber i&#x017F;t nicht, wie bey dem Alter, durch po&#x017F;itiv durchgrei-<lb/>
fende Regeln zu be&#x017F;eitigen möglich, auch liegt &#x017F;ie weniger<lb/>
auf dem Gebiet des Richters, als auf dem des Sachver-<lb/>
&#x017F;tändigen, an de&#x017F;&#x017F;en Urtheil der Richter hier mei&#x017F;t gebun-<lb/>
den &#x017F;eyn wird.</p><lb/>
            <p>Die äußere Er&#x017F;cheinung die&#x017F;es Zu&#x017F;tandes i&#x017F;t ver&#x017F;chie-<lb/>
den, je nachdem er von heftigen Ausbrüchen begleitet i&#x017F;t<lb/>
oder nicht. Die Römer haben zwey Ausdrücke, <hi rendition="#aq">furiosus</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">demens,</hi> die &#x017F;ie auf ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e gebrauchen:<lb/>
bald mit ganz willkührlicher Abwech&#x017F;lung, als völlig gleich-<lb/>
bedeutende Bezeichnung der Vernunftlo&#x017F;igkeit überhaupt <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cicero</hi> tusc. quaest. III. 5, <hi rendition="#i">L</hi>. 7 § 1 <hi rendition="#i">de cur. fur</hi>. (27. 10.),<lb/><hi rendition="#i">L</hi>. 14 <hi rendition="#i">de off. praes</hi>. (1. 18.).</hi></note>;<lb/>
bald als be&#x017F;ondere Benennung der zwey erwähnten Er-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0095] §. 112. Vernunftloſe. Interdicirte. Juriſtiſche Perſonen. §. 112. II. Freye Handlungen. — Hinderniſſe. B. Vernunft- loſe. C. Interdicirte. D. Juriſtiſche Perſonen. B. Die Vernunftloſigkeit oder der Wahn- ſinn iſt ein natürliches und unzweifelhaftes Hinderniß für freye Handlungen und ihre Folgen. Die Beurthei- lung iſt hier theilweiſe weniger ſchwierig als bey dem unreifen Alter, indem die Veränderung nicht wie bey dem Alter durch lang dauernde, unmerkliche Entwick- lungsſtufen hindurchgeht, ſondern oft ganz plötzlich, au- ßerdem wenigſtens in raſchen Übergängen, erfolgt. Da- gegen kann auch hier eine Schwierigkeit entſtehen durch zweifelhafte Gränzen der Zuſtände; dieſe Schwierigkeit aber iſt nicht, wie bey dem Alter, durch poſitiv durchgrei- fende Regeln zu beſeitigen möglich, auch liegt ſie weniger auf dem Gebiet des Richters, als auf dem des Sachver- ſtändigen, an deſſen Urtheil der Richter hier meiſt gebun- den ſeyn wird. Die äußere Erſcheinung dieſes Zuſtandes iſt verſchie- den, je nachdem er von heftigen Ausbrüchen begleitet iſt oder nicht. Die Römer haben zwey Ausdrücke, furiosus und demens, die ſie auf verſchiedene Weiſe gebrauchen: bald mit ganz willkührlicher Abwechſlung, als völlig gleich- bedeutende Bezeichnung der Vernunftloſigkeit überhaupt (a); bald als beſondere Benennung der zwey erwähnten Er- (a) Cicero tusc. quaest. III. 5, L. 7 § 1 de cur. fur. (27. 10.), L. 14 de off. praes. (1. 18.). 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/95
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/95>, abgerufen am 24.04.2024.