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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht.
II. Schutzanstalten gegen das Regenwasser.

Auf die Gefahren, die das Regenwasser unsren Grund-
stücken bereiten kann (f) bezieht sich ein uraltes Rechtsin-
stitut, welches auf folgendem Grundsatz beruht. Niemand
darf den Normalzustand eines Grundstücks eigenmächtig
dergestalt ändern, daß der Ablauf des Regenwassers zum
Nachtheil meines Grundstücks verstärkt oder vermindert
werde (g).

Worin besteht nun dieser Normalzustand? Zunächst
in der natürlichen, ohne menschliches Zuthun entstandenen,
Beschaffenheit des Bodens (h), welche dem höheren Grund-
stück den Vortheil giebt, das von dem Boden nicht einge-
sogene Regenwasser auf das niedere zu entlassen; einen
Vortheil, der durch die dem niederen zugeführte Besserung
compensirt wird (i). -- Dann aber in rechtmäßig angeleg-
ten künstlichen Anstalten, Dämmen, Wällen, Abzugsgrä-

(f) Blos von diesen Gefahren
und ihrer Abwehr ist hier die Rede,
gar nicht von dem Vortheil, der
uns durch das befruchtende Re-
genwasser entstehen, und also viel-
leicht auch von unseren Nachba-
ren vermindert werden kann. Auf
diesen Vortheil haben wir gar kein
Recht. L. 1 § 11. 12. 21 de aqua
pluv.
(39. 3.).
(g) L. 1 § 1. 10. 13 de aqua
pluv.
(39. 3.), L. 11 § 6 eod.

(in der ersten Hälfte). Vergl.
Cicero top. C. 9.
(h) L. 1 § 1. 13. 23 de aqua
pluv.
(39. 3.) "agrinaturam esse
servandam." L. 2 pr. eod. "na-
tura loci."
(i) L. 1 § 22 de aqua pluv.
(39. 3.) "hanc esse servitutem
inferiorum praediorum." L. 1
§ 23 eod. "et semper inferiorem
superiori servire." L. 2 pr. eod.
"per quae inferior locus supe-
riori servit."
-- Es sind dieses
durchaus nur bildliche Bezeichnun-
gen des Verhältnisses, an eine
Servitut oder auch nur etwas
ihr Nachgebildetes (etwa servi-
tus non jure constituta, sed
tuitione
) ist hier nicht zu denken.
§. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht.
II. Schutzanſtalten gegen das Regenwaſſer.

Auf die Gefahren, die das Regenwaſſer unſren Grund-
ſtücken bereiten kann (f) bezieht ſich ein uraltes Rechtsin-
ſtitut, welches auf folgendem Grundſatz beruht. Niemand
darf den Normalzuſtand eines Grundſtücks eigenmächtig
dergeſtalt ändern, daß der Ablauf des Regenwaſſers zum
Nachtheil meines Grundſtücks verſtärkt oder vermindert
werde (g).

Worin beſteht nun dieſer Normalzuſtand? Zunächſt
in der natürlichen, ohne menſchliches Zuthun entſtandenen,
Beſchaffenheit des Bodens (h), welche dem höheren Grund-
ſtück den Vortheil giebt, das von dem Boden nicht einge-
ſogene Regenwaſſer auf das niedere zu entlaſſen; einen
Vortheil, der durch die dem niederen zugeführte Beſſerung
compenſirt wird (i). — Dann aber in rechtmäßig angeleg-
ten künſtlichen Anſtalten, Dämmen, Wällen, Abzugsgrä-

(f) Blos von dieſen Gefahren
und ihrer Abwehr iſt hier die Rede,
gar nicht von dem Vortheil, der
uns durch das befruchtende Re-
genwaſſer entſtehen, und alſo viel-
leicht auch von unſeren Nachba-
ren vermindert werden kann. Auf
dieſen Vortheil haben wir gar kein
Recht. L. 1 § 11. 12. 21 de aqua
pluv.
(39. 3.).
(g) L. 1 § 1. 10. 13 de aqua
pluv.
(39. 3.), L. 11 § 6 eod.

(in der erſten Hälfte). Vergl.
Cicero top. C. 9.
(h) L. 1 § 1. 13. 23 de aqua
pluv.
(39. 3.) „agrinaturam esse
servandam.” L. 2 pr. eod. „na-
tura loci.”
(i) L. 1 § 22 de aqua pluv.
(39. 3.) „hanc esse servitutem
inferiorum praediorum.” L. 1
§ 23 eod. „et semper inferiorem
superiori servire.L. 2 pr. eod.
„per quae inferior locus supe-
riori servit.
— Es ſind dieſes
durchaus nur bildliche Bezeichnun-
gen des Verhältniſſes, an eine
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) iſt hier nicht zu denken.
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[487/0501] §. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht. II. Schutzanſtalten gegen das Regenwaſſer. Auf die Gefahren, die das Regenwaſſer unſren Grund- ſtücken bereiten kann (f) bezieht ſich ein uraltes Rechtsin- ſtitut, welches auf folgendem Grundſatz beruht. Niemand darf den Normalzuſtand eines Grundſtücks eigenmächtig dergeſtalt ändern, daß der Ablauf des Regenwaſſers zum Nachtheil meines Grundſtücks verſtärkt oder vermindert werde (g). Worin beſteht nun dieſer Normalzuſtand? Zunächſt in der natürlichen, ohne menſchliches Zuthun entſtandenen, Beſchaffenheit des Bodens (h), welche dem höheren Grund- ſtück den Vortheil giebt, das von dem Boden nicht einge- ſogene Regenwaſſer auf das niedere zu entlaſſen; einen Vortheil, der durch die dem niederen zugeführte Beſſerung compenſirt wird (i). — Dann aber in rechtmäßig angeleg- ten künſtlichen Anſtalten, Dämmen, Wällen, Abzugsgrä- (f) Blos von dieſen Gefahren und ihrer Abwehr iſt hier die Rede, gar nicht von dem Vortheil, der uns durch das befruchtende Re- genwaſſer entſtehen, und alſo viel- leicht auch von unſeren Nachba- ren vermindert werden kann. Auf dieſen Vortheil haben wir gar kein Recht. L. 1 § 11. 12. 21 de aqua pluv. (39. 3.). (g) L. 1 § 1. 10. 13 de aqua pluv. (39. 3.), L. 11 § 6 eod. (in der erſten Hälfte). Vergl. Cicero top. C. 9. (h) L. 1 § 1. 13. 23 de aqua pluv. (39. 3.) „agrinaturam esse servandam.” L. 2 pr. eod. „na- tura loci.” (i) L. 1 § 22 de aqua pluv. (39. 3.) „hanc esse servitutem inferiorum praediorum.” L. 1 § 23 eod. „et semper inferiorem superiori servire.” L. 2 pr. eod. „per quae inferior locus supe- riori servit.” — Es ſind dieſes durchaus nur bildliche Bezeichnun- gen des Verhältniſſes, an eine Servitut oder auch nur etwas ihr Nachgebildetes (etwa servi- tus non jure constituta, sed tuitione) iſt hier nicht zu denken.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/501>, abgerufen am 29.03.2024.