Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 254. Verjährung der Exceptionen. (Fortsetzung.)
Fälle, die oben als Beyspiele angegeben worden sind.
Wenn bey dem gekauften Landgut beide Contractsklagen
so viele Jahre versäumt wurden, so lag es ohne Zweifel
daran, daß bey genauerer Erwägung kein Theil ein großes
Interesse an der Erfüllung des Vertrags fand. Sie un-
terließen die Aufhebung desselben, weil jeder Theil noch
im Genuß seines ursprünglichen Zustandes war, und die
weitere Entwicklung äußerer Umstände abwarten wollte,
um einen letzten Entschluß zu fassen. Wenn nun dieser
Zustand gegenseitiger Zögerung und Unschlüssigkeit bis
zum J. 1872 fortdauert, so wäre es doch die größte Un-
gerechtigkeit, den Käufer das Geld und das Landgut zu-
gleich verlieren zu lassen, blos weil zufälligerweise im Ver-
trag verschiedene Zeitpunkte der gegenseitigen Leistungen
ausbedungen waren.

Nicht anders verhält es sich mit dem gekauften und
bald nachher gestorbenen Pferd. Vielleicht hat der Käufer
dem Verkäufer den Tod sogleich angezeigt, und da dieser
keine Einwendung machte (ohne doch ausdrücklich auf das
Kaufgeld zu verzichten), sich damit begnügt, daß noch kein
Geld bezahlt sey. Die Annahme einer Verjährung der
Exception wäre ohne Vergleichung härter, als die Ver-
jährung der redhibitorischen Klage auf das schon bezahlte
Kaufgeld seyn würde.

Dritte Klasse. Klage ohne Exception.

Dieser Fall ist so zu denken, daß der in seinem Recht
Verletzte, welcher ein Klagrecht hat, in einer solchen Lage

§. 254. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.)
Fälle, die oben als Beyſpiele angegeben worden ſind.
Wenn bey dem gekauften Landgut beide Contractsklagen
ſo viele Jahre verſäumt wurden, ſo lag es ohne Zweifel
daran, daß bey genauerer Erwägung kein Theil ein großes
Intereſſe an der Erfüllung des Vertrags fand. Sie un-
terließen die Aufhebung deſſelben, weil jeder Theil noch
im Genuß ſeines urſprünglichen Zuſtandes war, und die
weitere Entwicklung äußerer Umſtände abwarten wollte,
um einen letzten Entſchluß zu faſſen. Wenn nun dieſer
Zuſtand gegenſeitiger Zögerung und Unſchlüſſigkeit bis
zum J. 1872 fortdauert, ſo wäre es doch die größte Un-
gerechtigkeit, den Käufer das Geld und das Landgut zu-
gleich verlieren zu laſſen, blos weil zufälligerweiſe im Ver-
trag verſchiedene Zeitpunkte der gegenſeitigen Leiſtungen
ausbedungen waren.

Nicht anders verhält es ſich mit dem gekauften und
bald nachher geſtorbenen Pferd. Vielleicht hat der Käufer
dem Verkäufer den Tod ſogleich angezeigt, und da dieſer
keine Einwendung machte (ohne doch ausdrücklich auf das
Kaufgeld zu verzichten), ſich damit begnügt, daß noch kein
Geld bezahlt ſey. Die Annahme einer Verjährung der
Exception wäre ohne Vergleichung härter, als die Ver-
jährung der redhibitoriſchen Klage auf das ſchon bezahlte
Kaufgeld ſeyn würde.

Dritte Klaſſe. Klage ohne Exception.

Dieſer Fall iſt ſo zu denken, daß der in ſeinem Recht
Verletzte, welcher ein Klagrecht hat, in einer ſolchen Lage

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0441" n="427"/><fw place="top" type="header">§. 254. Verjährung der Exceptionen. (Fort&#x017F;etzung.)</fw><lb/>
Fälle, die oben als Bey&#x017F;piele angegeben worden &#x017F;ind.<lb/>
Wenn bey dem gekauften Landgut beide Contractsklagen<lb/>
&#x017F;o viele Jahre ver&#x017F;äumt wurden, &#x017F;o lag es ohne Zweifel<lb/>
daran, daß bey genauerer Erwägung kein Theil ein großes<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e an der Erfüllung des Vertrags fand. Sie un-<lb/>
terließen die Aufhebung de&#x017F;&#x017F;elben, weil jeder Theil noch<lb/>
im Genuß &#x017F;eines ur&#x017F;prünglichen Zu&#x017F;tandes war, und die<lb/>
weitere Entwicklung äußerer Um&#x017F;tände abwarten wollte,<lb/>
um einen letzten Ent&#x017F;chluß zu fa&#x017F;&#x017F;en. Wenn nun die&#x017F;er<lb/>
Zu&#x017F;tand gegen&#x017F;eitiger Zögerung und Un&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;igkeit bis<lb/>
zum J. 1872 fortdauert, &#x017F;o wäre es doch die größte Un-<lb/>
gerechtigkeit, den Käufer das Geld und das Landgut zu-<lb/>
gleich verlieren zu la&#x017F;&#x017F;en, blos weil zufälligerwei&#x017F;e im Ver-<lb/>
trag ver&#x017F;chiedene Zeitpunkte der gegen&#x017F;eitigen Lei&#x017F;tungen<lb/>
ausbedungen waren.</p><lb/>
              <p>Nicht anders verhält es &#x017F;ich mit dem gekauften und<lb/>
bald nachher ge&#x017F;torbenen Pferd. Vielleicht hat der Käufer<lb/>
dem Verkäufer den Tod &#x017F;ogleich angezeigt, und da die&#x017F;er<lb/>
keine Einwendung machte (ohne doch ausdrücklich auf das<lb/>
Kaufgeld zu verzichten), &#x017F;ich damit begnügt, daß noch kein<lb/>
Geld bezahlt &#x017F;ey. Die Annahme einer Verjährung der<lb/>
Exception wäre ohne Vergleichung härter, als die Ver-<lb/>
jährung der redhibitori&#x017F;chen Klage auf das &#x017F;chon bezahlte<lb/>
Kaufgeld &#x017F;eyn würde.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Dritte Kla&#x017F;&#x017F;e</hi>. Klage ohne Exception.</head><lb/>
              <p>Die&#x017F;er Fall i&#x017F;t &#x017F;o zu denken, daß der in &#x017F;einem Recht<lb/>
Verletzte, welcher ein Klagrecht hat, in einer &#x017F;olchen Lage<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[427/0441] §. 254. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.) Fälle, die oben als Beyſpiele angegeben worden ſind. Wenn bey dem gekauften Landgut beide Contractsklagen ſo viele Jahre verſäumt wurden, ſo lag es ohne Zweifel daran, daß bey genauerer Erwägung kein Theil ein großes Intereſſe an der Erfüllung des Vertrags fand. Sie un- terließen die Aufhebung deſſelben, weil jeder Theil noch im Genuß ſeines urſprünglichen Zuſtandes war, und die weitere Entwicklung äußerer Umſtände abwarten wollte, um einen letzten Entſchluß zu faſſen. Wenn nun dieſer Zuſtand gegenſeitiger Zögerung und Unſchlüſſigkeit bis zum J. 1872 fortdauert, ſo wäre es doch die größte Un- gerechtigkeit, den Käufer das Geld und das Landgut zu- gleich verlieren zu laſſen, blos weil zufälligerweiſe im Ver- trag verſchiedene Zeitpunkte der gegenſeitigen Leiſtungen ausbedungen waren. Nicht anders verhält es ſich mit dem gekauften und bald nachher geſtorbenen Pferd. Vielleicht hat der Käufer dem Verkäufer den Tod ſogleich angezeigt, und da dieſer keine Einwendung machte (ohne doch ausdrücklich auf das Kaufgeld zu verzichten), ſich damit begnügt, daß noch kein Geld bezahlt ſey. Die Annahme einer Verjährung der Exception wäre ohne Vergleichung härter, als die Ver- jährung der redhibitoriſchen Klage auf das ſchon bezahlte Kaufgeld ſeyn würde. Dritte Klaſſe. Klage ohne Exception. Dieſer Fall iſt ſo zu denken, daß der in ſeinem Recht Verletzte, welcher ein Klagrecht hat, in einer ſolchen Lage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/441
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/441>, abgerufen am 25.04.2024.