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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Beylage XIII.
häufigsten durch den Ausdruck officium judicis bezeichnet
wird. Es würde unrichtig seyn, Dieses im einseitigen In-
teresse, sey es des Klägers oder des Beklagten, aufzufas-
sen, nach welcher Annahme man glauben könnte, die eine
oder die andere Art der Klagen sey ausgesonnen worden,
um Eine Partey vor der andern vorzugsweise zu begün-
stigen. Vielmehr kann man sagen, daß nach Umständen
jene freyere Macht bald dem Kläger, bald dem Beklagten
zum Vortheil gereichen konnte (b).

III.

Der Kläger konnte aus der freyeren Macht des Rich-
ters Vortheil ziehen, indem dieser angewiesen war, bey
Verträgen auch auf alles Dasjenige zu sprechen, was
zwar nicht im Vertrag ausgedrückt, wohl aber bey Ver-
trägen dieser Art allgemein üblich war, so daß man an-
nehmen konnte, die Parteyen hätten es stillschweigend hin-
zugedacht (a).


(b) Bey jeder b. f actio soll
der Richter auch für ungewisse,
erst in der Zukunft zu erwartende,
Verpflichtungen, Cautionen aufle-
gen, und diese Vorsorge gilt nach
beiden Seiten hin. L. 38 pr. pro
socio
(17. 2.) L. 41 de jud.
(5.
1.). -- Seneca sagt zwar, der
Erfolg einer guten Sache sey mehr
gesichert bey dem judicium, als
bey dem arbitrium, welches auf
eine Begünstigung des Klägers
gedeutet werden könnte (System
§ 218. d.). Dieses ist aber zu ver-
stehen theils von dem beschränkte-
ren Gebrauch der Exceptionen in
der str. j. actio, theils von dem
möglichen Misbrauch, welcher in den
b. f. actiones von einer vermeynt-
lichen Billigkeit gemacht werden
konnte.
(a) L. 31 § 20 de aed. ed.
(21. 1.) "... ea enim, quae sunt
moris et consuetudinis, in bo-
nae fidei judiciis debent venire."

Beylage XIII.
häufigſten durch den Ausdruck officium judicis bezeichnet
wird. Es würde unrichtig ſeyn, Dieſes im einſeitigen In-
tereſſe, ſey es des Klägers oder des Beklagten, aufzufaſ-
ſen, nach welcher Annahme man glauben könnte, die eine
oder die andere Art der Klagen ſey ausgeſonnen worden,
um Eine Partey vor der andern vorzugsweiſe zu begün-
ſtigen. Vielmehr kann man ſagen, daß nach Umſtänden
jene freyere Macht bald dem Kläger, bald dem Beklagten
zum Vortheil gereichen konnte (b).

III.

Der Kläger konnte aus der freyeren Macht des Rich-
ters Vortheil ziehen, indem dieſer angewieſen war, bey
Verträgen auch auf alles Dasjenige zu ſprechen, was
zwar nicht im Vertrag ausgedrückt, wohl aber bey Ver-
trägen dieſer Art allgemein üblich war, ſo daß man an-
nehmen konnte, die Parteyen hätten es ſtillſchweigend hin-
zugedacht (a).


(b) Bey jeder b. f actio ſoll
der Richter auch für ungewiſſe,
erſt in der Zukunft zu erwartende,
Verpflichtungen, Cautionen aufle-
gen, und dieſe Vorſorge gilt nach
beiden Seiten hin. L. 38 pr. pro
socio
(17. 2.) L. 41 de jud.
(5.
1.). — Seneca ſagt zwar, der
Erfolg einer guten Sache ſey mehr
geſichert bey dem judicium, als
bey dem arbitrium, welches auf
eine Begünſtigung des Klägers
gedeutet werden könnte (Syſtem
§ 218. d.). Dieſes iſt aber zu ver-
ſtehen theils von dem beſchränkte-
ren Gebrauch der Exceptionen in
der str. j. actio, theils von dem
möglichen Misbrauch, welcher in den
b. f. actiones von einer vermeynt-
lichen Billigkeit gemacht werden
konnte.
(a) L. 31 § 20 de aed. ed.
(21. 1.) „… ea enim, quae sunt
moris et consuetudinis, in bo-
nae fidei judiciis debent venire.”
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[464/0478] Beylage XIII. häufigſten durch den Ausdruck officium judicis bezeichnet wird. Es würde unrichtig ſeyn, Dieſes im einſeitigen In- tereſſe, ſey es des Klägers oder des Beklagten, aufzufaſ- ſen, nach welcher Annahme man glauben könnte, die eine oder die andere Art der Klagen ſey ausgeſonnen worden, um Eine Partey vor der andern vorzugsweiſe zu begün- ſtigen. Vielmehr kann man ſagen, daß nach Umſtänden jene freyere Macht bald dem Kläger, bald dem Beklagten zum Vortheil gereichen konnte (b). III. Der Kläger konnte aus der freyeren Macht des Rich- ters Vortheil ziehen, indem dieſer angewieſen war, bey Verträgen auch auf alles Dasjenige zu ſprechen, was zwar nicht im Vertrag ausgedrückt, wohl aber bey Ver- trägen dieſer Art allgemein üblich war, ſo daß man an- nehmen konnte, die Parteyen hätten es ſtillſchweigend hin- zugedacht (a). (b) Bey jeder b. f actio ſoll der Richter auch für ungewiſſe, erſt in der Zukunft zu erwartende, Verpflichtungen, Cautionen aufle- gen, und dieſe Vorſorge gilt nach beiden Seiten hin. L. 38 pr. pro socio (17. 2.) L. 41 de jud. (5. 1.). — Seneca ſagt zwar, der Erfolg einer guten Sache ſey mehr geſichert bey dem judicium, als bey dem arbitrium, welches auf eine Begünſtigung des Klägers gedeutet werden könnte (Syſtem § 218. d.). Dieſes iſt aber zu ver- ſtehen theils von dem beſchränkte- ren Gebrauch der Exceptionen in der str. j. actio, theils von dem möglichen Misbrauch, welcher in den b. f. actiones von einer vermeynt- lichen Billigkeit gemacht werden konnte. (a) L. 31 § 20 de aed. ed. (21. 1.) „… ea enim, quae sunt moris et consuetudinis, in bo- nae fidei judiciis debent venire.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/478>, abgerufen am 24.04.2024.