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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Beylage XIV.
VI.

In unmittelbarer Entwicklung schließen sich an das
Darlehen diejenigen Fälle an, worin dem Andern eine
Sache ohne Übertragung des Eigenthums anvertraut wor-
den ist, er aber das Eigenthum des Gebers eigenmächtig
zerstört, und sich dadurch bereichert hat. Seine wider-
rechtliche Handlung bewirkt hier eine condictio, eben so
wie dort das höhere Vertrauen des Gegners, da es un-
natürlich wäre, wenn er durch seine Unredlichkeit in eine
günstigere Lage kommen sollte, als diejenige, welche ihm
das höhere Vertrauen des Gebers verschafft hätte.

In vollständigster Entwicklung ist diese Regel ausge-
sprochen bey dem schon oben (Num. V.) erwähnten Fall
des Depositum. Wer eine Sache in Verwahrung giebt,
hat zunächst noch die Vindication, weshalb er eine Con-
diction weder bedarf noch bekommt. Wenn aber der Em-
pfänger das deponirte Geld ausgiebt, den deponirten Wei-
zen aufzehrt oder verkauft, so hat er des Gebers Vindi-
cation zerstört, und nun tritt an ihre Stelle die Condic-
tion (a).


(a) L. 13 § 1 depos. (16. 3.).
"Competit etiam condictio de-
positae rei nomine, sed non
antequam quid dolo admissum
sit:
non enim quemquam hoc
ipso, quod depositum accipiat,
condictione obligari, verum
quod dolum malum admise-
rit.
"
Der dolus ist hier die
Handlung, wodurch der Depositar
die Vindication des Gegners un-
möglich macht, indem er sich selbst
bereichert; er ist hier nur bey-
spielsweise genannt, weil eine solche
Veränderung selten ohne dolus
Statt finden wird, nöthig ist er
nicht. Wenn ein Bankier einen
versiegelten Beutel mit Geld als
Beylage XIV.
VI.

In unmittelbarer Entwicklung ſchließen ſich an das
Darlehen diejenigen Fälle an, worin dem Andern eine
Sache ohne Übertragung des Eigenthums anvertraut wor-
den iſt, er aber das Eigenthum des Gebers eigenmächtig
zerſtört, und ſich dadurch bereichert hat. Seine wider-
rechtliche Handlung bewirkt hier eine condictio, eben ſo
wie dort das höhere Vertrauen des Gegners, da es un-
natürlich wäre, wenn er durch ſeine Unredlichkeit in eine
günſtigere Lage kommen ſollte, als diejenige, welche ihm
das höhere Vertrauen des Gebers verſchafft hätte.

In vollſtändigſter Entwicklung iſt dieſe Regel ausge-
ſprochen bey dem ſchon oben (Num. V.) erwähnten Fall
des Depoſitum. Wer eine Sache in Verwahrung giebt,
hat zunächſt noch die Vindication, weshalb er eine Con-
diction weder bedarf noch bekommt. Wenn aber der Em-
pfänger das deponirte Geld ausgiebt, den deponirten Wei-
zen aufzehrt oder verkauft, ſo hat er des Gebers Vindi-
cation zerſtoͤrt, und nun tritt an ihre Stelle die Condic-
tion (a).


(a) L. 13 § 1 depos. (16. 3.).
„Competit etiam condictio de-
positae rei nomine, sed non
antequam quid dolo admissum
sit:
non enim quemquam hoc
ipso, quod depositum accipiat,
condictione obligari, verum
quod dolum malum admise-
rit.
Der dolus iſt hier die
Handlung, wodurch der Depoſitar
die Vindication des Gegners un-
möglich macht, indem er ſich ſelbſt
bereichert; er iſt hier nur bey-
ſpielsweiſe genannt, weil eine ſolche
Veränderung ſelten ohne dolus
Statt finden wird, nöthig iſt er
nicht. Wenn ein Bankier einen
verſiegelten Beutel mit Geld als
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[518/0532] Beylage XIV. VI. In unmittelbarer Entwicklung ſchließen ſich an das Darlehen diejenigen Fälle an, worin dem Andern eine Sache ohne Übertragung des Eigenthums anvertraut wor- den iſt, er aber das Eigenthum des Gebers eigenmächtig zerſtört, und ſich dadurch bereichert hat. Seine wider- rechtliche Handlung bewirkt hier eine condictio, eben ſo wie dort das höhere Vertrauen des Gegners, da es un- natürlich wäre, wenn er durch ſeine Unredlichkeit in eine günſtigere Lage kommen ſollte, als diejenige, welche ihm das höhere Vertrauen des Gebers verſchafft hätte. In vollſtändigſter Entwicklung iſt dieſe Regel ausge- ſprochen bey dem ſchon oben (Num. V.) erwähnten Fall des Depoſitum. Wer eine Sache in Verwahrung giebt, hat zunächſt noch die Vindication, weshalb er eine Con- diction weder bedarf noch bekommt. Wenn aber der Em- pfänger das deponirte Geld ausgiebt, den deponirten Wei- zen aufzehrt oder verkauft, ſo hat er des Gebers Vindi- cation zerſtoͤrt, und nun tritt an ihre Stelle die Condic- tion (a). (a) L. 13 § 1 depos. (16. 3.). „Competit etiam condictio de- positae rei nomine, sed non antequam quid dolo admissum sit: non enim quemquam hoc ipso, quod depositum accipiat, condictione obligari, verum quod dolum malum admise- rit.” Der dolus iſt hier die Handlung, wodurch der Depoſitar die Vindication des Gegners un- möglich macht, indem er ſich ſelbſt bereichert; er iſt hier nur bey- ſpielsweiſe genannt, weil eine ſolche Veränderung ſelten ohne dolus Statt finden wird, nöthig iſt er nicht. Wenn ein Bankier einen verſiegelten Beutel mit Geld als

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/532>, abgerufen am 25.04.2024.