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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Die Condictionen. X.
Darlehens bezeichnen. Diese Behauptung ist nunmehr zu
beweisen.

Paulus sagt in L. 2 § 5 de R. C. (12. 1.):
Verbis quoque credimus, quodam actu ad obligatio-
nem comparandam interposito, veluti stipulatione
(b).

Diese Bemerkung steht am Ende einer Reihe von Be-
trachtungen (L. 1. 2 eod.) über den Begriff von Credere,
als Grundlage der Condictionen. Was heißt nun hier
verbis credimus? Man könnte es verstehen von einem
allgemeinen Vertrauen in des Andern Zuverlässigkeit, wel-
ches freylich bey keinem Vertrag gänzlich fehlen wird.
Allein dieses allgemeine, unbestimmte Vertrauen findet sich
ja auch bey dem Kauf und der Miethe, und doch heißt
es niemals: consensu credimus, ja es ist Nichts gewisser,
als daß auf die Erfüllung dieser Contracte keine Condic-
tionen möglich waren. Noch mehr persönliches Vertrauen
findet sich bey dem Depositum, und doch wird hier, so
lange nicht Consumtion eintritt, die Condiction versagt, ja
es heißt ausdrücklich: aliud est enim credere, aliud de-
ponere
(Num. VI. a.). Also will offenbar Paulus der
Stipulation ein Credere im höheren Sinn, wodurch sie
dem Darlehen verwandt, und von den Consensualcontrac-
ten unterschieden wird, zuschreiben; Dieses ist aber nur

(b) Neuerlich ist folgende Er-
klärung dieser Stelle versucht wor-
den, die ich als gezwungen gänz-
lich verwerfen muß: das credere
sey hier nicht die Handlung des
Stipulator, sondern die des Pro-
missor,
welcher sich durch die
Stipulation zum Schuldner mache,
also dieses nomen aus seinem
Vermögen weggebe, und dem Geg-
ner anvertraue. Liebe Stipula-
tion S. 364.

Die Condictionen. X.
Darlehens bezeichnen. Dieſe Behauptung iſt nunmehr zu
beweiſen.

Paulus ſagt in L. 2 § 5 de R. C. (12. 1.):
Verbis quoque credimus, quodam actu ad obligatio-
nem comparandam interposito, veluti stipulatione
(b).

Dieſe Bemerkung ſteht am Ende einer Reihe von Be-
trachtungen (L. 1. 2 eod.) über den Begriff von Credere,
als Grundlage der Condictionen. Was heißt nun hier
verbis credimus? Man könnte es verſtehen von einem
allgemeinen Vertrauen in des Andern Zuverläſſigkeit, wel-
ches freylich bey keinem Vertrag gänzlich fehlen wird.
Allein dieſes allgemeine, unbeſtimmte Vertrauen findet ſich
ja auch bey dem Kauf und der Miethe, und doch heißt
es niemals: consensu credimus, ja es iſt Nichts gewiſſer,
als daß auf die Erfüllung dieſer Contracte keine Condic-
tionen möglich waren. Noch mehr perſönliches Vertrauen
findet ſich bey dem Depoſitum, und doch wird hier, ſo
lange nicht Conſumtion eintritt, die Condiction verſagt, ja
es heißt ausdrücklich: aliud est enim credere, aliud de-
ponere
(Num. VI. a.). Alſo will offenbar Paulus der
Stipulation ein Credere im höheren Sinn, wodurch ſie
dem Darlehen verwandt, und von den Conſenſualcontrac-
ten unterſchieden wird, zuſchreiben; Dieſes iſt aber nur

(b) Neuerlich iſt folgende Er-
klärung dieſer Stelle verſucht wor-
den, die ich als gezwungen gänz-
lich verwerfen muß: das credere
ſey hier nicht die Handlung des
Stipulator, ſondern die des Pro-
missor,
welcher ſich durch die
Stipulation zum Schuldner mache,
alſo dieſes nomen aus ſeinem
Vermögen weggebe, und dem Geg-
ner anvertraue. Liebe Stipula-
tion S. 364.
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[533/0547] Die Condictionen. X. Darlehens bezeichnen. Dieſe Behauptung iſt nunmehr zu beweiſen. Paulus ſagt in L. 2 § 5 de R. C. (12. 1.): Verbis quoque credimus, quodam actu ad obligatio- nem comparandam interposito, veluti stipulatione (b). Dieſe Bemerkung ſteht am Ende einer Reihe von Be- trachtungen (L. 1. 2 eod.) über den Begriff von Credere, als Grundlage der Condictionen. Was heißt nun hier verbis credimus? Man könnte es verſtehen von einem allgemeinen Vertrauen in des Andern Zuverläſſigkeit, wel- ches freylich bey keinem Vertrag gänzlich fehlen wird. Allein dieſes allgemeine, unbeſtimmte Vertrauen findet ſich ja auch bey dem Kauf und der Miethe, und doch heißt es niemals: consensu credimus, ja es iſt Nichts gewiſſer, als daß auf die Erfüllung dieſer Contracte keine Condic- tionen möglich waren. Noch mehr perſönliches Vertrauen findet ſich bey dem Depoſitum, und doch wird hier, ſo lange nicht Conſumtion eintritt, die Condiction verſagt, ja es heißt ausdrücklich: aliud est enim credere, aliud de- ponere (Num. VI. a.). Alſo will offenbar Paulus der Stipulation ein Credere im höheren Sinn, wodurch ſie dem Darlehen verwandt, und von den Conſenſualcontrac- ten unterſchieden wird, zuſchreiben; Dieſes iſt aber nur (b) Neuerlich iſt folgende Er- klärung dieſer Stelle verſucht wor- den, die ich als gezwungen gänz- lich verwerfen muß: das credere ſey hier nicht die Handlung des Stipulator, ſondern die des Pro- missor, welcher ſich durch die Stipulation zum Schuldner mache, alſo dieſes nomen aus ſeinem Vermögen weggebe, und dem Geg- ner anvertraue. Liebe Stipula- tion S. 364.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/547>, abgerufen am 25.04.2024.