Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Forts.)
Hauptstücke zurückführen: Sammlung des Stoffes, und
Bildung des Urtheils. In erster Instanz nimmt jenes erste
Stück vorzugsweise Zeit und Arbeit in Anspruch, und dazu
gebrauchte der Prätor eine große Zahl von Privatrich-
tern als Gehülfen, denen er das Urtheil hypothetisch vor-
schrieb. Die höheren Instanzen dagegen benutzen den in
erster Instanz gesammelten Stoff, und was in ihnen zu
dessen Ergänzung vielleicht geschehen muß, ist verhältniß-
mäßig von geringer Bedeutung. Darum war hier der
Judex entbehrlich.

§. 285.
Rechtskraft. I. Bedingungen. A. Formelle.
(Fortsetzung.)

Es ist hier als bloße Thatsache angenommen worden,
daß ein höchstes Richteramt des Kaisers, vom Anfang der
neuen Verfassung an, ausgeübt wurde, und daß sich
hieran die vollständige Einrichtung eines Instanzenzuges
anknüpfte. Bekanntlich gehört es aber zu der eigenthüm-
lichen Natur der ganzen Staatsveränderung, daß man den
äußeren Schein einer ganz neuen Gewalt überall zu ver-
meiden, und die wirkliche neue Macht auf alte, bekannte
obrigkeitliche Würden zu gründen suchte, die nur, im
Widerspruch mit dem Wesen der alten Verfassung, in
Einer Person vereinigt wurden. Zur Zeit der Republik
nun hatten die höchste richterliche Gewalt in Civilsachen
zwei Prätoren, und unter den obrigkeitlichen Gewalten,

§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fortſ.)
Hauptſtücke zurückführen: Sammlung des Stoffes, und
Bildung des Urtheils. In erſter Inſtanz nimmt jenes erſte
Stück vorzugsweiſe Zeit und Arbeit in Anſpruch, und dazu
gebrauchte der Prätor eine große Zahl von Privatrich-
tern als Gehülfen, denen er das Urtheil hypothetiſch vor-
ſchrieb. Die höheren Inſtanzen dagegen benutzen den in
erſter Inſtanz geſammelten Stoff, und was in ihnen zu
deſſen Ergänzung vielleicht geſchehen muß, iſt verhältniß-
mäßig von geringer Bedeutung. Darum war hier der
Judex entbehrlich.

§. 285.
Rechtskraft. I. Bedingungen. A. Formelle.
(Fortſetzung.)

Es iſt hier als bloße Thatſache angenommen worden,
daß ein höchſtes Richteramt des Kaiſers, vom Anfang der
neuen Verfaſſung an, ausgeübt wurde, und daß ſich
hieran die vollſtändige Einrichtung eines Inſtanzenzuges
anknüpfte. Bekanntlich gehört es aber zu der eigenthüm-
lichen Natur der ganzen Staatsveränderung, daß man den
äußeren Schein einer ganz neuen Gewalt überall zu ver-
meiden, und die wirkliche neue Macht auf alte, bekannte
obrigkeitliche Würden zu gründen ſuchte, die nur, im
Widerſpruch mit dem Weſen der alten Verfaſſung, in
Einer Perſon vereinigt wurden. Zur Zeit der Republik
nun hatten die höchſte richterliche Gewalt in Civilſachen
zwei Prätoren, und unter den obrigkeitlichen Gewalten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0313" n="295"/><fw place="top" type="header">§. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
Haupt&#x017F;tücke zurückführen: Sammlung des Stoffes, und<lb/>
Bildung des Urtheils. In er&#x017F;ter In&#x017F;tanz nimmt jenes er&#x017F;te<lb/>
Stück vorzugswei&#x017F;e Zeit und Arbeit in An&#x017F;pruch, und dazu<lb/>
gebrauchte der Prätor eine große Zahl von Privatrich-<lb/>
tern als Gehülfen, denen er das Urtheil hypotheti&#x017F;ch vor-<lb/>
&#x017F;chrieb. Die höheren In&#x017F;tanzen dagegen benutzen den in<lb/>
er&#x017F;ter In&#x017F;tanz ge&#x017F;ammelten Stoff, und was in ihnen zu<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Ergänzung vielleicht ge&#x017F;chehen muß, i&#x017F;t verhältniß-<lb/>
mäßig von geringer Bedeutung. Darum war hier der<lb/>
Judex entbehrlich.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 285.<lb/><hi rendition="#g">Rechtskraft</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Bedingungen</hi>. <hi rendition="#aq">A.</hi> <hi rendition="#g">Formelle.<lb/>
(Fort&#x017F;etzung.)</hi></head><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t hier als bloße That&#x017F;ache angenommen worden,<lb/>
daß ein höch&#x017F;tes Richteramt des Kai&#x017F;ers, vom Anfang der<lb/>
neuen Verfa&#x017F;&#x017F;ung an, ausgeübt wurde, und daß &#x017F;ich<lb/>
hieran die voll&#x017F;tändige Einrichtung eines In&#x017F;tanzenzuges<lb/>
anknüpfte. Bekanntlich gehört es aber zu der eigenthüm-<lb/>
lichen Natur der ganzen Staatsveränderung, daß man den<lb/>
äußeren Schein einer ganz neuen Gewalt überall zu ver-<lb/>
meiden, und die wirkliche neue Macht auf alte, bekannte<lb/>
obrigkeitliche Würden zu gründen &#x017F;uchte, die nur, im<lb/>
Wider&#x017F;pruch mit dem We&#x017F;en der alten Verfa&#x017F;&#x017F;ung, in<lb/>
Einer Per&#x017F;on vereinigt wurden. Zur Zeit der Republik<lb/>
nun hatten die höch&#x017F;te richterliche Gewalt in Civil&#x017F;achen<lb/>
zwei Prätoren, und unter den obrigkeitlichen Gewalten,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0313] §. 285. Rechtskraft. Formelle Bedingungen. (Fortſ.) Hauptſtücke zurückführen: Sammlung des Stoffes, und Bildung des Urtheils. In erſter Inſtanz nimmt jenes erſte Stück vorzugsweiſe Zeit und Arbeit in Anſpruch, und dazu gebrauchte der Prätor eine große Zahl von Privatrich- tern als Gehülfen, denen er das Urtheil hypothetiſch vor- ſchrieb. Die höheren Inſtanzen dagegen benutzen den in erſter Inſtanz geſammelten Stoff, und was in ihnen zu deſſen Ergänzung vielleicht geſchehen muß, iſt verhältniß- mäßig von geringer Bedeutung. Darum war hier der Judex entbehrlich. §. 285. Rechtskraft. I. Bedingungen. A. Formelle. (Fortſetzung.) Es iſt hier als bloße Thatſache angenommen worden, daß ein höchſtes Richteramt des Kaiſers, vom Anfang der neuen Verfaſſung an, ausgeübt wurde, und daß ſich hieran die vollſtändige Einrichtung eines Inſtanzenzuges anknüpfte. Bekanntlich gehört es aber zu der eigenthüm- lichen Natur der ganzen Staatsveränderung, daß man den äußeren Schein einer ganz neuen Gewalt überall zu ver- meiden, und die wirkliche neue Macht auf alte, bekannte obrigkeitliche Würden zu gründen ſuchte, die nur, im Widerſpruch mit dem Weſen der alten Verfaſſung, in Einer Perſon vereinigt wurden. Zur Zeit der Republik nun hatten die höchſte richterliche Gewalt in Civilſachen zwei Prätoren, und unter den obrigkeitlichen Gewalten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/313
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/313>, abgerufen am 20.04.2024.