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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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§. 312. Surrogate. II. Eid. Besondere Wirkungen.
Jene Wirkungen beziehen sich insgesammt auf den Fall der
wirklichen Ableistung des zugeschobenen Eides; darauf be-
ruht die förmliche Wahrheit; ferner die dem Eide zukom-
mende doppelte Eigenschaft, als eines Vertrages, und als
einer entscheidenden Prozeßhandlung, endlich der Schutz der
förmlichen Wahrheit durch jedes erforderliche Rechtsmittel,
Klage oder Einrede. Die nunmehr zu untersuchenden Ver-
schiedenheiten beziehen sich demnach besonders auf die,
zwischen der Zuschiebung und Ableistung in der Mitte lie-
genden Folgen.

1. Außergerichtliche Zuschiebung.

Das Eigenthümliche dieses Falles besteht darin, daß
Alles in der freiesten Willkür des Gegners steht; will er
den Eid annehmen, will er ihn ausdrücklich verweigern,
oder mit Stillschweigen übergehen, so steht Dieses in seiner
Macht, und er hat weder unmittelbaren, noch indirecten
Zwang zu besorgen (a). Auch fehlt es zu einem solchen
Zwang, wenigstens für den Kläger, an jedem Bedürfniß,
da er in jedem Augenblick die Klage vor Gericht bringen
und dann durch den nothwendigen Eid unterstützen kann.

Wird also der in dieser Lage zugeschobene Eid nicht
angenommen, so ist es so gut, als wäre er gar nicht zu-
geschoben worden (b). Von einem Zurückschieben dieses

(a) Von der einzigen Stelle,
die auf einen indirekten Zwang
bezogen werden könnte (L. 38 de
jur.
12. 2) wird unten gezeigt
werden, daß sie nicht von der
außergerichtlichen Zuschiebung zu
verstehen ist (§ 313. f).
(b) L. 5 § 4 eod.

§. 312. Surrogate. II. Eid. Beſondere Wirkungen.
Jene Wirkungen beziehen ſich insgeſammt auf den Fall der
wirklichen Ableiſtung des zugeſchobenen Eides; darauf be-
ruht die förmliche Wahrheit; ferner die dem Eide zukom-
mende doppelte Eigenſchaft, als eines Vertrages, und als
einer entſcheidenden Prozeßhandlung, endlich der Schutz der
förmlichen Wahrheit durch jedes erforderliche Rechtsmittel,
Klage oder Einrede. Die nunmehr zu unterſuchenden Ver-
ſchiedenheiten beziehen ſich demnach beſonders auf die,
zwiſchen der Zuſchiebung und Ableiſtung in der Mitte lie-
genden Folgen.

1. Außergerichtliche Zuſchiebung.

Das Eigenthümliche dieſes Falles beſteht darin, daß
Alles in der freieſten Willkür des Gegners ſteht; will er
den Eid annehmen, will er ihn ausdrücklich verweigern,
oder mit Stillſchweigen übergehen, ſo ſteht Dieſes in ſeiner
Macht, und er hat weder unmittelbaren, noch indirecten
Zwang zu beſorgen (a). Auch fehlt es zu einem ſolchen
Zwang, wenigſtens für den Kläger, an jedem Bedürfniß,
da er in jedem Augenblick die Klage vor Gericht bringen
und dann durch den nothwendigen Eid unterſtützen kann.

Wird alſo der in dieſer Lage zugeſchobene Eid nicht
angenommen, ſo iſt es ſo gut, als wäre er gar nicht zu-
geſchoben worden (b). Von einem Zurückſchieben dieſes

(a) Von der einzigen Stelle,
die auf einen indirekten Zwang
bezogen werden könnte (L. 38 de
jur.
12. 2) wird unten gezeigt
werden, daß ſie nicht von der
außergerichtlichen Zuſchiebung zu
verſtehen iſt (§ 313. f).
(b) L. 5 § 4 eod.
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[71/0093] §. 312. Surrogate. II. Eid. Beſondere Wirkungen. Jene Wirkungen beziehen ſich insgeſammt auf den Fall der wirklichen Ableiſtung des zugeſchobenen Eides; darauf be- ruht die förmliche Wahrheit; ferner die dem Eide zukom- mende doppelte Eigenſchaft, als eines Vertrages, und als einer entſcheidenden Prozeßhandlung, endlich der Schutz der förmlichen Wahrheit durch jedes erforderliche Rechtsmittel, Klage oder Einrede. Die nunmehr zu unterſuchenden Ver- ſchiedenheiten beziehen ſich demnach beſonders auf die, zwiſchen der Zuſchiebung und Ableiſtung in der Mitte lie- genden Folgen. 1. Außergerichtliche Zuſchiebung. Das Eigenthümliche dieſes Falles beſteht darin, daß Alles in der freieſten Willkür des Gegners ſteht; will er den Eid annehmen, will er ihn ausdrücklich verweigern, oder mit Stillſchweigen übergehen, ſo ſteht Dieſes in ſeiner Macht, und er hat weder unmittelbaren, noch indirecten Zwang zu beſorgen (a). Auch fehlt es zu einem ſolchen Zwang, wenigſtens für den Kläger, an jedem Bedürfniß, da er in jedem Augenblick die Klage vor Gericht bringen und dann durch den nothwendigen Eid unterſtützen kann. Wird alſo der in dieſer Lage zugeſchobene Eid nicht angenommen, ſo iſt es ſo gut, als wäre er gar nicht zu- geſchoben worden (b). Von einem Zurückſchieben dieſes (a) Von der einzigen Stelle, die auf einen indirekten Zwang bezogen werden könnte (L. 38 de jur. 12. 2) wird unten gezeigt werden, daß ſie nicht von der außergerichtlichen Zuſchiebung zu verſtehen iſt (§ 313. f). (b) L. 5 § 4 eod.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/93>, abgerufen am 19.04.2024.