Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
stand ein, welcher im Römischen Rechte ausnahmsweise an-
erkannt werden mußte für solche Personen, die zufällig zu
keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, also
ohne origo waren (§ 357). Man könnte diese Regel des
heutigen Rechts, um ihr Verhältniß sowohl zum Römischen
Recht, als zu der schon erwähnten verwandten Regel für
den Gerichtsstand, anschaulich zu machen, etwa so aus-
drücken. 1. Bei den Römern bestand neben dem forum
domicilii
das forum originis, beide mit völlig gleicher Be-
rechtigung, also concurrirend. Bei uns ist das forum
originis
im Römischen Sinne verschwunden, das forum
domicilii
allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als ter-
ritoriales persönliches Recht der Einzelnen, die lex originis,
und nur ausnahmsweise die lex domicilii, für diejenigen
Personen, die zufällig keine origo hatten. Bei uns ist die
lex domicilii der einzige regelmäßige Bestimmungsgrund für
das territoriale persönliche Recht der Einzelnen (b).

Obgleich nun diese ungemein wichtige Regel, die für die
ganze folgende Untersuchung die Grundlage abgeben wird,

(b) Es ist schon oben (§ 356)
aufmerksam gemacht worden auf
den Zusammenhang zwischen forum
(originis, domicilii)
und lex
(originis, domicilii)
Dieser Zu-
sammenhang zeigt sich nicht blos
im R. R., sondern auch in manchen
rein praktischen Folgen des heutigen
Rechts; so unter andern in der
Regel, nach welcher die vom ge-
wöhnlichen örtlichen Gerichtsstand
eximirten Personen auch nicht den
örtlichen Statuten unterworfen sind.
Eichhorn deutsches Recht § 34. --
Es darf jedoch keine unbedingte,
ausschließende Behauptung dieses
Zusammenhangs geltend gemacht
werden, welches schon wegen der
nicht seltenen Concurrenz verschie-
dener Arten des Gerichtsstandes
(z. B. domicilii mit rei sitae)
bedenklich seyn würde.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
ſtand ein, welcher im Römiſchen Rechte ausnahmsweiſe an-
erkannt werden mußte für ſolche Perſonen, die zufällig zu
keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, alſo
ohne origo waren (§ 357). Man könnte dieſe Regel des
heutigen Rechts, um ihr Verhältniß ſowohl zum Römiſchen
Recht, als zu der ſchon erwähnten verwandten Regel für
den Gerichtsſtand, anſchaulich zu machen, etwa ſo aus-
drücken. 1. Bei den Römern beſtand neben dem forum
domicilii
das forum originis, beide mit völlig gleicher Be-
rechtigung, alſo concurrirend. Bei uns iſt das forum
originis
im Römiſchen Sinne verſchwunden, das forum
domicilii
allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als ter-
ritoriales perſönliches Recht der Einzelnen, die lex originis,
und nur ausnahmsweiſe die lex domicilii, für diejenigen
Perſonen, die zufällig keine origo hatten. Bei uns iſt die
lex domicilii der einzige regelmäßige Beſtimmungsgrund für
das territoriale perſönliche Recht der Einzelnen (b).

Obgleich nun dieſe ungemein wichtige Regel, die für die
ganze folgende Unterſuchung die Grundlage abgeben wird,

(b) Es iſt ſchon oben (§ 356)
aufmerkſam gemacht worden auf
den Zuſammenhang zwiſchen forum
(originis, domicilii)
und lex
(originis, domicilii)
Dieſer Zu-
ſammenhang zeigt ſich nicht blos
im R. R., ſondern auch in manchen
rein praktiſchen Folgen des heutigen
Rechts; ſo unter andern in der
Regel, nach welcher die vom ge-
wöhnlichen örtlichen Gerichtsſtand
eximirten Perſonen auch nicht den
örtlichen Statuten unterworfen ſind.
Eichhorn deutſches Recht § 34. —
Es darf jedoch keine unbedingte,
ausſchließende Behauptung dieſes
Zuſammenhangs geltend gemacht
werden, welches ſchon wegen der
nicht ſeltenen Concurrenz verſchie-
dener Arten des Gerichtsſtandes
(z. B. domicilii mit rei sitae)
bedenklich ſeyn würde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0118" n="96"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
&#x017F;tand ein, welcher im Römi&#x017F;chen Rechte ausnahmswei&#x017F;e an-<lb/>
erkannt werden mußte für &#x017F;olche Per&#x017F;onen, die zufällig zu<lb/>
keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, al&#x017F;o<lb/>
ohne <hi rendition="#aq">origo</hi> waren (§ 357). Man könnte die&#x017F;e Regel des<lb/>
heutigen Rechts, um ihr Verhältniß &#x017F;owohl zum Römi&#x017F;chen<lb/>
Recht, als zu der &#x017F;chon erwähnten verwandten Regel für<lb/>
den Gerichts&#x017F;tand, an&#x017F;chaulich zu machen, etwa &#x017F;o aus-<lb/>
drücken. 1. Bei den Römern be&#x017F;tand neben dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">forum</hi><lb/>
domicilii</hi> das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">forum</hi> originis,</hi> beide mit völlig gleicher Be-<lb/>
rechtigung, al&#x017F;o concurrirend. Bei uns i&#x017F;t das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">forum</hi><lb/>
originis</hi> im Römi&#x017F;chen Sinne ver&#x017F;chwunden, das <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">forum</hi><lb/>
domicilii</hi> allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als ter-<lb/>
ritoriales per&#x017F;önliches Recht der Einzelnen, die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">lex</hi> originis,</hi><lb/>
und nur ausnahmswei&#x017F;e die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">lex</hi> domicilii,</hi> für diejenigen<lb/>
Per&#x017F;onen, die zufällig keine <hi rendition="#aq">origo</hi> hatten. Bei uns i&#x017F;t die<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">lex</hi> domicilii</hi> der einzige regelmäßige Be&#x017F;timmungsgrund für<lb/>
das territoriale per&#x017F;önliche Recht der Einzelnen <note place="foot" n="(b)">Es i&#x017F;t &#x017F;chon oben (§ 356)<lb/>
aufmerk&#x017F;am gemacht worden auf<lb/>
den Zu&#x017F;ammenhang zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">forum<lb/>
(originis, domicilii)</hi> und <hi rendition="#aq">lex<lb/>
(originis, domicilii)</hi> Die&#x017F;er Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang zeigt &#x017F;ich nicht blos<lb/>
im R. R., &#x017F;ondern auch in manchen<lb/>
rein prakti&#x017F;chen Folgen des heutigen<lb/>
Rechts; &#x017F;o unter andern in der<lb/>
Regel, nach welcher die vom ge-<lb/>
wöhnlichen örtlichen Gerichts&#x017F;tand<lb/>
eximirten Per&#x017F;onen auch nicht den<lb/>
örtlichen Statuten unterworfen &#x017F;ind.<lb/><hi rendition="#g">Eichhorn</hi> deut&#x017F;ches Recht § 34. &#x2014;<lb/>
Es darf jedoch keine unbedingte,<lb/>
aus&#x017F;chließende Behauptung die&#x017F;es<lb/>
Zu&#x017F;ammenhangs geltend gemacht<lb/>
werden, welches &#x017F;chon wegen der<lb/>
nicht &#x017F;eltenen Concurrenz ver&#x017F;chie-<lb/>
dener Arten des Gerichts&#x017F;tandes<lb/>
(z. B. <hi rendition="#aq">domicilii</hi> mit <hi rendition="#aq">rei sitae</hi>)<lb/>
bedenklich &#x017F;eyn würde.</note>.</p><lb/>
            <p>Obgleich nun die&#x017F;e ungemein wichtige Regel, die für die<lb/>
ganze folgende Unter&#x017F;uchung die Grundlage abgeben wird,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0118] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. ſtand ein, welcher im Römiſchen Rechte ausnahmsweiſe an- erkannt werden mußte für ſolche Perſonen, die zufällig zu keiner Stadt ein eigentliches Bürgerverhältniß hatten, alſo ohne origo waren (§ 357). Man könnte dieſe Regel des heutigen Rechts, um ihr Verhältniß ſowohl zum Römiſchen Recht, als zu der ſchon erwähnten verwandten Regel für den Gerichtsſtand, anſchaulich zu machen, etwa ſo aus- drücken. 1. Bei den Römern beſtand neben dem forum domicilii das forum originis, beide mit völlig gleicher Be- rechtigung, alſo concurrirend. Bei uns iſt das forum originis im Römiſchen Sinne verſchwunden, das forum domicilii allein übrig. 2. Bei den Römern galt, als ter- ritoriales perſönliches Recht der Einzelnen, die lex originis, und nur ausnahmsweiſe die lex domicilii, für diejenigen Perſonen, die zufällig keine origo hatten. Bei uns iſt die lex domicilii der einzige regelmäßige Beſtimmungsgrund für das territoriale perſönliche Recht der Einzelnen (b). Obgleich nun dieſe ungemein wichtige Regel, die für die ganze folgende Unterſuchung die Grundlage abgeben wird, (b) Es iſt ſchon oben (§ 356) aufmerkſam gemacht worden auf den Zuſammenhang zwiſchen forum (originis, domicilii) und lex (originis, domicilii) Dieſer Zu- ſammenhang zeigt ſich nicht blos im R. R., ſondern auch in manchen rein praktiſchen Folgen des heutigen Rechts; ſo unter andern in der Regel, nach welcher die vom ge- wöhnlichen örtlichen Gerichtsſtand eximirten Perſonen auch nicht den örtlichen Statuten unterworfen ſind. Eichhorn deutſches Recht § 34. — Es darf jedoch keine unbedingte, ausſchließende Behauptung dieſes Zuſammenhangs geltend gemacht werden, welches ſchon wegen der nicht ſeltenen Concurrenz verſchie- dener Arten des Gerichtsſtandes (z. B. domicilii mit rei sitae) bedenklich ſeyn würde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/118
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/118>, abgerufen am 25.04.2024.