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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
gige Gründe der Angehörigkeit bezeichneten. Im Sinn
der neueren Juristen soll es heißen: der Wohnsitz eines
Menschen, der nicht durch eigene freie Wahl, sondern durch
seine Abstammung begründet wird, also gewissermaßen auf
einer Fiction beruht.



Man kann nun allerdings in der Kasuistik noch etwas
weiter fortschreiten, und die Frage aufwerfen, welches Recht
anwendbar sei auf einen Menschen, bei dem weder ein
selbstgewählter Wohnsitz, noch ein Wohnsitz des Vaters er-
mittelt werden kann. Diese Frage kann unter andern vor-
kommen, wenn dieser Mensch stirbt, und dessen Intestaterb-
folge bestimmt werden soll. Dann wird kaum etwas An-
deres übrig bleiben, als den augenblicklichen Aufenthalt für
den Wohnsitz anzunehmen, also (wenn von der Erbfolge
die Rede ist) den Ort, an welchem er gestorben ist. -- Bei
Findelkindern mag als Wohnsitz gelten der Ort, wo sie
gefunden werden, mit Vorbehalt einer Aenderung, wenn
sie an einem anderen Orte zum Zweck der Erziehung einen
bleibenden Aufenthalt bekommen, sei es in einer öffentlichen
Anstalt, oder bei Privatpersonen (r).


(r) Linde Lehrbuch § 89.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
gige Gründe der Angehörigkeit bezeichneten. Im Sinn
der neueren Juriſten ſoll es heißen: der Wohnſitz eines
Menſchen, der nicht durch eigene freie Wahl, ſondern durch
ſeine Abſtammung begründet wird, alſo gewiſſermaßen auf
einer Fiction beruht.



Man kann nun allerdings in der Kaſuiſtik noch etwas
weiter fortſchreiten, und die Frage aufwerfen, welches Recht
anwendbar ſei auf einen Menſchen, bei dem weder ein
ſelbſtgewählter Wohnſitz, noch ein Wohnſitz des Vaters er-
mittelt werden kann. Dieſe Frage kann unter andern vor-
kommen, wenn dieſer Menſch ſtirbt, und deſſen Inteſtaterb-
folge beſtimmt werden ſoll. Dann wird kaum etwas An-
deres übrig bleiben, als den augenblicklichen Aufenthalt für
den Wohnſitz anzunehmen, alſo (wenn von der Erbfolge
die Rede iſt) den Ort, an welchem er geſtorben iſt. — Bei
Findelkindern mag als Wohnſitz gelten der Ort, wo ſie
gefunden werden, mit Vorbehalt einer Aenderung, wenn
ſie an einem anderen Orte zum Zweck der Erziehung einen
bleibenden Aufenthalt bekommen, ſei es in einer öffentlichen
Anſtalt, oder bei Privatperſonen (r).


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[106/0128] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. gige Gründe der Angehörigkeit bezeichneten. Im Sinn der neueren Juriſten ſoll es heißen: der Wohnſitz eines Menſchen, der nicht durch eigene freie Wahl, ſondern durch ſeine Abſtammung begründet wird, alſo gewiſſermaßen auf einer Fiction beruht. Man kann nun allerdings in der Kaſuiſtik noch etwas weiter fortſchreiten, und die Frage aufwerfen, welches Recht anwendbar ſei auf einen Menſchen, bei dem weder ein ſelbſtgewählter Wohnſitz, noch ein Wohnſitz des Vaters er- mittelt werden kann. Dieſe Frage kann unter andern vor- kommen, wenn dieſer Menſch ſtirbt, und deſſen Inteſtaterb- folge beſtimmt werden ſoll. Dann wird kaum etwas An- deres übrig bleiben, als den augenblicklichen Aufenthalt für den Wohnſitz anzunehmen, alſo (wenn von der Erbfolge die Rede iſt) den Ort, an welchem er geſtorben iſt. — Bei Findelkindern mag als Wohnſitz gelten der Ort, wo ſie gefunden werden, mit Vorbehalt einer Aenderung, wenn ſie an einem anderen Orte zum Zweck der Erziehung einen bleibenden Aufenthalt bekommen, ſei es in einer öffentlichen Anſtalt, oder bei Privatperſonen (r). (r) Linde Lehrbuch § 89.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/128>, abgerufen am 25.04.2024.