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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
verschiedenen Orten: faktisch zur Zeit der Errichtung, und
an dem Orte, der in dieser Zeit der Wohnsitz des Testators
ist; juristisch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der
in dieser Zeit der Wohnsitz ist (§ 393).

2. Die persönliche Fähigkeit des Testators in Beziehung
auf dessen physische Eigenschaften (z. B. das Alter)
richtet sich nach dem zur Zeit des errichteten Testaments
am Wohnsitz des Testators geltenden Gesetz, ohne Rücksicht
auf spätere Veränderungen des Wohnsitzes.

3. Der Inhalt des Testaments, insbesondere die
gesetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit desselben, richtet sich
nach dem am letzten Wohnsitz des Testators geltenden Ge-
setz. So insbesondere die Regeln über Enterbung, Präter-
ition und Pflichttheil. Dasselbe muß behauptet werden
von Legaten und Fideicommissen. Zwar beziehen sich diese
auf einzelne, begränzte Gegenstände, und man könnte daher
annehmen wollen, daß auf sie die lex rei sitae anwendbar
seyn möchte. In der That aber sind diese Rechtsinstitute
nur einzelne, untergeordnete Modificationen der gesammten
Erbschaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be-
urtheilt werden können. Jede absondernde Behandlung
würde zu den größten Widersprüchen führen können.

Ausnahmen können eintreten durch entgegen stehende
zwingende Gesetze. Wenn also durch Testament ein Fami-
lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem
fremden Lande liegt, dessen Gesetz Fideicommisse nicht aner-
kennt, so entscheidet das für den urtheilenden Richter

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
verſchiedenen Orten: faktiſch zur Zeit der Errichtung, und
an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz des Teſtators
iſt; juriſtiſch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der
in dieſer Zeit der Wohnſitz iſt (§ 393).

2. Die perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung
auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften (z. B. das Alter)
richtet ſich nach dem zur Zeit des errichteten Teſtaments
am Wohnſitz des Teſtators geltenden Geſetz, ohne Rückſicht
auf ſpätere Veränderungen des Wohnſitzes.

3. Der Inhalt des Teſtaments, insbeſondere die
geſetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit deſſelben, richtet ſich
nach dem am letzten Wohnſitz des Teſtators geltenden Ge-
ſetz. So insbeſondere die Regeln über Enterbung, Präter-
ition und Pflichttheil. Daſſelbe muß behauptet werden
von Legaten und Fideicommiſſen. Zwar beziehen ſich dieſe
auf einzelne, begränzte Gegenſtände, und man könnte daher
annehmen wollen, daß auf ſie die lex rei sitae anwendbar
ſeyn möchte. In der That aber ſind dieſe Rechtsinſtitute
nur einzelne, untergeordnete Modificationen der geſammten
Erbſchaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be-
urtheilt werden können. Jede abſondernde Behandlung
würde zu den größten Widerſprüchen führen können.

Ausnahmen können eintreten durch entgegen ſtehende
zwingende Geſetze. Wenn alſo durch Teſtament ein Fami-
lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem
fremden Lande liegt, deſſen Geſetz Fideicommiſſe nicht aner-
kennt, ſo entſcheidet das für den urtheilenden Richter

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[312/0334] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. verſchiedenen Orten: faktiſch zur Zeit der Errichtung, und an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz des Teſtators iſt; juriſtiſch zur Zeit des Todes, und an dem Orte, der in dieſer Zeit der Wohnſitz iſt (§ 393). 2. Die perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften (z. B. das Alter) richtet ſich nach dem zur Zeit des errichteten Teſtaments am Wohnſitz des Teſtators geltenden Geſetz, ohne Rückſicht auf ſpätere Veränderungen des Wohnſitzes. 3. Der Inhalt des Teſtaments, insbeſondere die geſetzliche Gültigkeit oder Ungültigkeit deſſelben, richtet ſich nach dem am letzten Wohnſitz des Teſtators geltenden Ge- ſetz. So insbeſondere die Regeln über Enterbung, Präter- ition und Pflichttheil. Daſſelbe muß behauptet werden von Legaten und Fideicommiſſen. Zwar beziehen ſich dieſe auf einzelne, begränzte Gegenſtände, und man könnte daher annehmen wollen, daß auf ſie die lex rei sitae anwendbar ſeyn möchte. In der That aber ſind dieſe Rechtsinſtitute nur einzelne, untergeordnete Modificationen der geſammten Erbſchaft, die nur von ihrem Standpunkt aus richtig be- urtheilt werden können. Jede abſondernde Behandlung würde zu den größten Widerſprüchen führen können. Ausnahmen können eintreten durch entgegen ſtehende zwingende Geſetze. Wenn alſo durch Teſtament ein Fami- lienfideicommiß errichtet wird für ein Gut, das in einem fremden Lande liegt, deſſen Geſetz Fideicommiſſe nicht aner- kennt, ſo entſcheidet das für den urtheilenden Richter

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/334>, abgerufen am 25.04.2024.