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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Wäre sie aber auch richtig, so würde sie uns dennoch nicht
auf den Entstehungsort der Ehe als Bestimmungsgrund
für das örtliche Recht derselben führen, sondern vielmehr
auf den Erfüllungsort (§ 372). Als Erfüllungsort aber
für die aus der Ehe hervorgehenden Verpflichtungen kann
sicherlich nur der Wohnsitz des Ehemannes gelten.

Von diesem Standpunkt aus ist nunmehr eine Reihe
einzelner Rechtsfragen in Beziehung auf die Ehe zu un-
tersuchen.

1. Die Bedingungen der Möglichkeit der Ehe, oder
(von der umgekehrten Seite betrachtet) die Ehehindernisse,
gründen sich theils auf die persönlichen Eigenschaften jedes
der beiden Ehegatten für sich, theils auf das Verhältniß der-
selben zu einander. Nach allgemeinen Grundsätzen nun
möchte man annehmen, daß die persönliche Fähigkeit der
Frau nach dem Gesetz ihrer Heimath zu beurtheilen wäre
(§ 362). Allein gerade die hier einschlagenden Gesetze, die
auf sittlichen Rücksichten beruhen, haben eine streng positive
Natur, und daher sind die in dem Wohnsitz des Mannes
geltenden Ehehindernisse schlechthin bindend, ohne Rücksicht
auf die vielleicht abweichenden Gesetze in der Heimath der
Frau, oder in dem Ort, an welchem die Trauung vorge-
nommen wird. Diese Regel gilt namentlich für die verbo-
tenen Verwandtschaftsgrade, und die in dem religiösen Ver-
hältniß gegründeten Hindernisse (d).


(d) Wächter II. S. 185. 187. Schäffner § 102. 103. Die Praxis
mehrerer Länder ist über diesen Punkt sehr verschieden. Story § 79 fg.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Wäre ſie aber auch richtig, ſo würde ſie uns dennoch nicht
auf den Entſtehungsort der Ehe als Beſtimmungsgrund
für das örtliche Recht derſelben führen, ſondern vielmehr
auf den Erfüllungsort (§ 372). Als Erfüllungsort aber
für die aus der Ehe hervorgehenden Verpflichtungen kann
ſicherlich nur der Wohnſitz des Ehemannes gelten.

Von dieſem Standpunkt aus iſt nunmehr eine Reihe
einzelner Rechtsfragen in Beziehung auf die Ehe zu un-
terſuchen.

1. Die Bedingungen der Möglichkeit der Ehe, oder
(von der umgekehrten Seite betrachtet) die Ehehinderniſſe,
gründen ſich theils auf die perſönlichen Eigenſchaften jedes
der beiden Ehegatten für ſich, theils auf das Verhältniß der-
ſelben zu einander. Nach allgemeinen Grundſätzen nun
möchte man annehmen, daß die perſönliche Fähigkeit der
Frau nach dem Geſetz ihrer Heimath zu beurtheilen wäre
(§ 362). Allein gerade die hier einſchlagenden Geſetze, die
auf ſittlichen Rückſichten beruhen, haben eine ſtreng poſitive
Natur, und daher ſind die in dem Wohnſitz des Mannes
geltenden Ehehinderniſſe ſchlechthin bindend, ohne Rückſicht
auf die vielleicht abweichenden Geſetze in der Heimath der
Frau, oder in dem Ort, an welchem die Trauung vorge-
nommen wird. Dieſe Regel gilt namentlich für die verbo-
tenen Verwandtſchaftsgrade, und die in dem religiöſen Ver-
hältniß gegründeten Hinderniſſe (d).


(d) Wächter II. S. 185. 187. Schäffner § 102. 103. Die Praxis
mehrerer Länder iſt über dieſen Punkt ſehr verſchieden. Story § 79 fg.
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[326/0348] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Wäre ſie aber auch richtig, ſo würde ſie uns dennoch nicht auf den Entſtehungsort der Ehe als Beſtimmungsgrund für das örtliche Recht derſelben führen, ſondern vielmehr auf den Erfüllungsort (§ 372). Als Erfüllungsort aber für die aus der Ehe hervorgehenden Verpflichtungen kann ſicherlich nur der Wohnſitz des Ehemannes gelten. Von dieſem Standpunkt aus iſt nunmehr eine Reihe einzelner Rechtsfragen in Beziehung auf die Ehe zu un- terſuchen. 1. Die Bedingungen der Möglichkeit der Ehe, oder (von der umgekehrten Seite betrachtet) die Ehehinderniſſe, gründen ſich theils auf die perſönlichen Eigenſchaften jedes der beiden Ehegatten für ſich, theils auf das Verhältniß der- ſelben zu einander. Nach allgemeinen Grundſätzen nun möchte man annehmen, daß die perſönliche Fähigkeit der Frau nach dem Geſetz ihrer Heimath zu beurtheilen wäre (§ 362). Allein gerade die hier einſchlagenden Geſetze, die auf ſittlichen Rückſichten beruhen, haben eine ſtreng poſitive Natur, und daher ſind die in dem Wohnſitz des Mannes geltenden Ehehinderniſſe ſchlechthin bindend, ohne Rückſicht auf die vielleicht abweichenden Geſetze in der Heimath der Frau, oder in dem Ort, an welchem die Trauung vorge- nommen wird. Dieſe Regel gilt namentlich für die verbo- tenen Verwandtſchaftsgrade, und die in dem religiöſen Ver- hältniß gegründeten Hinderniſſe (d). (d) Wächter II. S. 185. 187. Schäffner § 102. 103. Die Praxis mehrerer Länder iſt über dieſen Punkt ſehr verſchieden. Story § 79 fg.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/348>, abgerufen am 29.03.2024.