Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Manche haben behauptet, unsere Regel gelte nicht, wenn
ein Geschäft im Ausland, zur Umgehung der einheimischen
Gesetze (in fraudem legis), vorgenommen werde, etwa um
den größeren Geschäftskosten im Inland, dem Gebrauch
des Stempelpapiers u. s. w. auszuweichen (m). Mit Recht
haben Andere diese Einschränkung verworfen (n). Solchen
Umgehungen kann auf anderem Wege, besonders durch
Geldstrafen, vorgebeugt werden; die Gültigkeit der Rechts-
geschäfte davon abhängig zu machen, ist kein hinreichender
Grund vorhanden, und es würde dazu wenigstens eines
positiven Gesetzes bedürfen.

Eine sehr wichtige Frage betrifft die eigentliche Stellung
unsrer Regel. Ist die Beobachtung der am Orte der
Handlung geltenden Form unbedingt nöthig, oder ist sie
blos facultativ, so daß der Handelnde die Wahl hat, ent-
weder diese Form zu beobachten, oder die Form des Ortes,
dem das Rechtsgeschäft eigentlich angehört (o)? Sieht man
auf den Grund der Einführung unsrer besonderen Regel,
als einer bloßen Begünstigung und Erleichterung, so kann
man nicht zweifelhaft seyn, sie für facultativ zu halten,
also ein Wahlrecht zu gestatten. Dieses ist denn auch
meist anerkannt worden (p).


(m) I. Voet. § 14. Foelix
p.
105.
(n) Schäffner § 85.
(o) So allein darf die Frage
gestellt werden, so daß nicht davon
die Rede seyn kann, eine völlig
willkürliche Wahl zu gestatten
zwischen lex domicilii, rei sitae
u. s. w. So scheint es jedoch an-
zusehen I. Voet. § 15.
(p) Rodenburg Tit. 2 C. 3
§ 2. 3. Hert.
§ 10. 23 (etwas
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Manche haben behauptet, unſere Regel gelte nicht, wenn
ein Geſchäft im Ausland, zur Umgehung der einheimiſchen
Geſetze (in fraudem legis), vorgenommen werde, etwa um
den größeren Geſchäftskoſten im Inland, dem Gebrauch
des Stempelpapiers u. ſ. w. auszuweichen (m). Mit Recht
haben Andere dieſe Einſchränkung verworfen (n). Solchen
Umgehungen kann auf anderem Wege, beſonders durch
Geldſtrafen, vorgebeugt werden; die Gültigkeit der Rechts-
geſchäfte davon abhängig zu machen, iſt kein hinreichender
Grund vorhanden, und es würde dazu wenigſtens eines
poſitiven Geſetzes bedürfen.

Eine ſehr wichtige Frage betrifft die eigentliche Stellung
unſrer Regel. Iſt die Beobachtung der am Orte der
Handlung geltenden Form unbedingt nöthig, oder iſt ſie
blos facultativ, ſo daß der Handelnde die Wahl hat, ent-
weder dieſe Form zu beobachten, oder die Form des Ortes,
dem das Rechtsgeſchäft eigentlich angehört (o)? Sieht man
auf den Grund der Einführung unſrer beſonderen Regel,
als einer bloßen Begünſtigung und Erleichterung, ſo kann
man nicht zweifelhaft ſeyn, ſie für facultativ zu halten,
alſo ein Wahlrecht zu geſtatten. Dieſes iſt denn auch
meiſt anerkannt worden (p).


(m) I. Voet. § 14. Foelix
p.
105.
(n) Schäffner § 85.
(o) So allein darf die Frage
geſtellt werden, ſo daß nicht davon
die Rede ſeyn kann, eine völlig
willkürliche Wahl zu geſtatten
zwiſchen lex domicilii, rei sitae
u. ſ. w. So ſcheint es jedoch an-
zuſehen I. Voet. § 15.
(p) Rodenburg Tit. 2 C. 3
§ 2. 3. Hert.
§ 10. 23 (etwas
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0380" n="358"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
            <p>Manche haben behauptet, un&#x017F;ere Regel gelte nicht, wenn<lb/>
ein Ge&#x017F;chäft im Ausland, zur Umgehung der einheimi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;etze (<hi rendition="#aq">in fraudem legis</hi>), vorgenommen werde, etwa um<lb/>
den größeren Ge&#x017F;chäftsko&#x017F;ten im Inland, dem Gebrauch<lb/>
des Stempelpapiers u. &#x017F;. w. auszuweichen <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">I. <hi rendition="#k">Voet</hi>. § 14. <hi rendition="#k">Foelix</hi><lb/>
p.</hi> 105.</note>. Mit Recht<lb/>
haben Andere die&#x017F;e Ein&#x017F;chränkung verworfen <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#g">Schäffner</hi> § 85.</note>. Solchen<lb/>
Umgehungen kann auf anderem Wege, be&#x017F;onders durch<lb/>
Geld&#x017F;trafen, vorgebeugt werden; die Gültigkeit der Rechts-<lb/>
ge&#x017F;chäfte davon abhängig zu machen, i&#x017F;t kein hinreichender<lb/>
Grund vorhanden, und es würde dazu wenig&#x017F;tens eines<lb/>
po&#x017F;itiven Ge&#x017F;etzes bedürfen.</p><lb/>
            <p>Eine &#x017F;ehr wichtige Frage betrifft die eigentliche Stellung<lb/>
un&#x017F;rer Regel. I&#x017F;t die Beobachtung der am Orte der<lb/>
Handlung geltenden Form unbedingt nöthig, oder i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
blos facultativ, &#x017F;o daß der Handelnde die Wahl hat, ent-<lb/>
weder die&#x017F;e Form zu beobachten, oder die Form des Ortes,<lb/>
dem das Rechtsge&#x017F;chäft eigentlich angehört <note place="foot" n="(o)">So allein darf die Frage<lb/>
ge&#x017F;tellt werden, &#x017F;o daß nicht davon<lb/>
die Rede &#x017F;eyn kann, eine völlig<lb/>
willkürliche Wahl zu ge&#x017F;tatten<lb/>
zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">lex domicilii, rei sitae</hi><lb/>
u. &#x017F;. w. So &#x017F;cheint es jedoch an-<lb/>
zu&#x017F;ehen <hi rendition="#aq">I. <hi rendition="#k">Voet</hi>.</hi> § 15.</note>? Sieht man<lb/>
auf den Grund der Einführung un&#x017F;rer be&#x017F;onderen Regel,<lb/>
als einer bloßen Begün&#x017F;tigung und Erleichterung, &#x017F;o kann<lb/>
man nicht zweifelhaft &#x017F;eyn, &#x017F;ie für facultativ zu halten,<lb/>
al&#x017F;o ein Wahlrecht zu ge&#x017F;tatten. Die&#x017F;es i&#x017F;t denn auch<lb/>
mei&#x017F;t anerkannt worden <note xml:id="seg2pn_31_1" next="#seg2pn_31_2" place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Rodenburg</hi> Tit. 2 C. 3<lb/>
§ 2. 3. <hi rendition="#k">Hert</hi>.</hi> § 10. 23 (etwas</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0380] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Manche haben behauptet, unſere Regel gelte nicht, wenn ein Geſchäft im Ausland, zur Umgehung der einheimiſchen Geſetze (in fraudem legis), vorgenommen werde, etwa um den größeren Geſchäftskoſten im Inland, dem Gebrauch des Stempelpapiers u. ſ. w. auszuweichen (m). Mit Recht haben Andere dieſe Einſchränkung verworfen (n). Solchen Umgehungen kann auf anderem Wege, beſonders durch Geldſtrafen, vorgebeugt werden; die Gültigkeit der Rechts- geſchäfte davon abhängig zu machen, iſt kein hinreichender Grund vorhanden, und es würde dazu wenigſtens eines poſitiven Geſetzes bedürfen. Eine ſehr wichtige Frage betrifft die eigentliche Stellung unſrer Regel. Iſt die Beobachtung der am Orte der Handlung geltenden Form unbedingt nöthig, oder iſt ſie blos facultativ, ſo daß der Handelnde die Wahl hat, ent- weder dieſe Form zu beobachten, oder die Form des Ortes, dem das Rechtsgeſchäft eigentlich angehört (o)? Sieht man auf den Grund der Einführung unſrer beſonderen Regel, als einer bloßen Begünſtigung und Erleichterung, ſo kann man nicht zweifelhaft ſeyn, ſie für facultativ zu halten, alſo ein Wahlrecht zu geſtatten. Dieſes iſt denn auch meiſt anerkannt worden (p). (m) I. Voet. § 14. Foelix p. 105. (n) Schäffner § 85. (o) So allein darf die Frage geſtellt werden, ſo daß nicht davon die Rede ſeyn kann, eine völlig willkürliche Wahl zu geſtatten zwiſchen lex domicilii, rei sitae u. ſ. w. So ſcheint es jedoch an- zuſehen I. Voet. § 15. (p) Rodenburg Tit. 2 C. 3 § 2. 3. Hert. § 10. 23 (etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/380
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/380>, abgerufen am 25.04.2024.