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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 352. Origo und domicilium. I. Origo. (Forts.)
der Annahme verleiten, daß die hier vorgetragenen Regeln
über die Stadtgebiete und das Stadtbürgerrecht nur in
Italien, nicht in den Provinzen, Geltung gehabt hätten.
In der That aber war hierin fast gar kein Unterschied.

Die Stadtgebiete (territoria) waren in fast allen Pro-
vinzen (a) eben so abgegränzt, wie in Italien. Diese
Gränzen, so wie der Einfluß derselben auf die Verpflich-
tung zu städtischen Lasten, namentlich in den zu den Städten
gehörenden Dörfern, gaben auch in den Provinzen nicht
selten Anlaß zu Prozessen. Nur darin wird ein Unterschied
bemerkt, daß in manchen Provinzen, namentlich in Afrika,
die Stadtgebiete nicht den ganzen Boden des Landes er-
schöpfen, indem hier im Besitz mancher Privatpersonen, auch
des Kaisers, sehr ausgedehnte, zur Weide benutzte, Land-
strecken (saltus) waren, die ganz für sich bestanden, und
zu keinem Stadtgebiete gehörten (b).

Die oben vorgetragene Lehre von dem Stadtbürgerrecht,
welches durch Geburt, Freilassung u. s. w. entstand, wird
von den alten Juristen in Anwendung auf Provinzialstädte,

(a) Es muß nämlich Aegypten
ausgenommen werden, welches in
jeder Hinsicht eine durch große Be-
schränkungen ausgezeichnete Ver-
fassung hatte. So war daselbst
kein Proconsul oder Proprätor,
sondern nur ein praefectus Au-
gustalis
von geringerem Rang.
(Dio Cass. 51. 17, 53. 13,
Tacitus hist. 1.11, Digest.
1. 17).
Eben so aber gab es daselbst nur
Districte (Nomen), keine Stadt-
gemeinden, und nur in Alexandrien
fand sich ein Bürgerrecht (Plinius
epist. X.
5. 22. 23).
(b) Agennius Urbicus de
controversiis agrorum p.
84. 85
der Gromatici veteres ed. Lach-
mann Berol.
1848.
4*

§. 352. Origo und domicilium. I. Origo. (Fortſ.)
der Annahme verleiten, daß die hier vorgetragenen Regeln
über die Stadtgebiete und das Stadtbürgerrecht nur in
Italien, nicht in den Provinzen, Geltung gehabt hätten.
In der That aber war hierin faſt gar kein Unterſchied.

Die Stadtgebiete (territoria) waren in faſt allen Pro-
vinzen (a) eben ſo abgegränzt, wie in Italien. Dieſe
Gränzen, ſo wie der Einfluß derſelben auf die Verpflich-
tung zu ſtädtiſchen Laſten, namentlich in den zu den Städten
gehörenden Dörfern, gaben auch in den Provinzen nicht
ſelten Anlaß zu Prozeſſen. Nur darin wird ein Unterſchied
bemerkt, daß in manchen Provinzen, namentlich in Afrika,
die Stadtgebiete nicht den ganzen Boden des Landes er-
ſchöpfen, indem hier im Beſitz mancher Privatperſonen, auch
des Kaiſers, ſehr ausgedehnte, zur Weide benutzte, Land-
ſtrecken (saltus) waren, die ganz für ſich beſtanden, und
zu keinem Stadtgebiete gehörten (b).

Die oben vorgetragene Lehre von dem Stadtbürgerrecht,
welches durch Geburt, Freilaſſung u. ſ. w. entſtand, wird
von den alten Juriſten in Anwendung auf Provinzialſtädte,

(a) Es muß nämlich Aegypten
ausgenommen werden, welches in
jeder Hinſicht eine durch große Be-
ſchränkungen ausgezeichnete Ver-
faſſung hatte. So war daſelbſt
kein Proconſul oder Proprätor,
ſondern nur ein praefectus Au-
gustalis
von geringerem Rang.
(Dio Cass. 51. 17, 53. 13,
Tacitus hist. 1.11, Digest.
1. 17).
Eben ſo aber gab es daſelbſt nur
Diſtricte (Nomen), keine Stadt-
gemeinden, und nur in Alexandrien
fand ſich ein Bürgerrecht (Plinius
epist. X.
5. 22. 23).
(b) Agennius Urbicus de
controversiis agrorum p.
84. 85
der Gromatici veteres ed. Lach-
mann Berol.
1848.
4*
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[51/0073] §. 352. Origo und domicilium. I. Origo. (Fortſ.) der Annahme verleiten, daß die hier vorgetragenen Regeln über die Stadtgebiete und das Stadtbürgerrecht nur in Italien, nicht in den Provinzen, Geltung gehabt hätten. In der That aber war hierin faſt gar kein Unterſchied. Die Stadtgebiete (territoria) waren in faſt allen Pro- vinzen (a) eben ſo abgegränzt, wie in Italien. Dieſe Gränzen, ſo wie der Einfluß derſelben auf die Verpflich- tung zu ſtädtiſchen Laſten, namentlich in den zu den Städten gehörenden Dörfern, gaben auch in den Provinzen nicht ſelten Anlaß zu Prozeſſen. Nur darin wird ein Unterſchied bemerkt, daß in manchen Provinzen, namentlich in Afrika, die Stadtgebiete nicht den ganzen Boden des Landes er- ſchöpfen, indem hier im Beſitz mancher Privatperſonen, auch des Kaiſers, ſehr ausgedehnte, zur Weide benutzte, Land- ſtrecken (saltus) waren, die ganz für ſich beſtanden, und zu keinem Stadtgebiete gehörten (b). Die oben vorgetragene Lehre von dem Stadtbürgerrecht, welches durch Geburt, Freilaſſung u. ſ. w. entſtand, wird von den alten Juriſten in Anwendung auf Provinzialſtädte, (a) Es muß nämlich Aegypten ausgenommen werden, welches in jeder Hinſicht eine durch große Be- ſchränkungen ausgezeichnete Ver- faſſung hatte. So war daſelbſt kein Proconſul oder Proprätor, ſondern nur ein praefectus Au- gustalis von geringerem Rang. (Dio Cass. 51. 17, 53. 13, Tacitus hist. 1.11, Digest. 1. 17). Eben ſo aber gab es daſelbſt nur Diſtricte (Nomen), keine Stadt- gemeinden, und nur in Alexandrien fand ſich ein Bürgerrecht (Plinius epist. X. 5. 22. 23). (b) Agennius Urbicus de controversiis agrorum p. 84. 85 der Gromatici veteres ed. Lach- mann Berol. 1848. 4*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/73>, abgerufen am 25.04.2024.