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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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darf behauptet werden, dass es in dem Alterthume ein Völkerrecht, einen Völkerverkehr nicht gegeben habe. Die Staaten im Ganzen standen sich feindlich, erobernd, und unterjochend entgegen, und der Fremde galt als Feind, war rechtlos; dennoch aber finden sich auch Spuren der Anerkennung eines Völker- und Menschenrechtes. Die Gastfreundschaft gegen den Fremden war im Alterthume wie noch jetzt bei wilden Völkern geheiligt und die Gebräuche, mit denen im Alterthume die Gastfreundschaft verliehen und zugesichert wurde, z. B. durch einen Handschlag, einen Kuss, einen dargereichten Trunk, haben vielleicht bis auf unsere Tage sich erhalten, lassen sich vielleicht in einzelnen Gebräuchen der Freimaurerei noch erkennen. In Griechenland standen fremde und besonders flüchtige, flehende Gäste unter dem Schutze und Recht des [fremdsprachliches Material], und den Feind, der wehrlos um Gnade flehte, durfte man nicht umbringen, sondern musste man gefangen nehmen, bis er sich lösen konnte oder ausgewechselt wurde. Diese Pflicht, den wehrlos Flehenden zu schonen ist unzweifelhaft in einen bestimmten Gebrauch der Freimaurerei (das maurerische Nothzeichen) übergegangen. Auch die Gesandten, Herolde waren als unverletzlich anerkannt und die abgeschlossenen Völkerverträge sollten gehalten werden. In Rom gab es einen eigenen Prätor peregrinus, um zwischen den Nichtrömern und den Römern Recht zu sprechen (inter cives et peregrinos jus dicebat).

In ähnlicher Weise, wie das Völkerrecht dem Alterthume unbekannt gewesen, war es gewiss auch die Freimaurerei, d. h. ihre Grundsätze waren niemals von einer grösseren Anzahl Menschen bekannt und geübt worden, die Freimaurerei wirkte niemals auf das Volksleben wesentlich gestaltend ein. Einzelne Philosophen oder auch religiöse Sekten mögen zwar der Freimaurerei Verwandtes gelehrt haben, aber es war eben nur Philosophie oder Geheimlehre, womit das Verhältniss hinreichend charakterisirt ist.

2. Das Mittelalter.

Das Christenthum konnte nicht von den Völkern angenommen werden, ohne auf das Völkerrecht die tiefsten

darf behauptet werden, dass es in dem Alterthume ein Völkerrecht, einen Völkerverkehr nicht gegeben habe. Die Staaten im Ganzen standen sich feindlich, erobernd, und unterjochend entgegen, und der Fremde galt als Feind, war rechtlos; dennoch aber finden sich auch Spuren der Anerkennung eines Völker- und Menschenrechtes. Die Gastfreundschaft gegen den Fremden war im Alterthume wie noch jetzt bei wilden Völkern geheiligt und die Gebräuche, mit denen im Alterthume die Gastfreundschaft verliehen und zugesichert wurde, z. B. durch einen Handschlag, einen Kuss, einen dargereichten Trunk, haben vielleicht bis auf unsere Tage sich erhalten, lassen sich vielleicht in einzelnen Gebräuchen der Freimaurerei noch erkennen. In Griechenland standen fremde und besonders flüchtige, flehende Gäste unter dem Schutze und Recht des [fremdsprachliches Material], und den Feind, der wehrlos um Gnade flehte, durfte man nicht umbringen, sondern musste man gefangen nehmen, bis er sich lösen konnte oder ausgewechselt wurde. Diese Pflicht, den wehrlos Flehenden zu schonen ist unzweifelhaft in einen bestimmten Gebrauch der Freimaurerei (das maurerische Nothzeichen) übergegangen. Auch die Gesandten, Herolde waren als unverletzlich anerkannt und die abgeschlossenen Völkerverträge sollten gehalten werden. In Rom gab es einen eigenen Prätor peregrinus, um zwischen den Nichtrömern und den Römern Recht zu sprechen (inter cives et peregrinos jus dicebat).

In ähnlicher Weise, wie das Völkerrecht dem Alterthume unbekannt gewesen, war es gewiss auch die Freimaurerei, d. h. ihre Grundsätze waren niemals von einer grösseren Anzahl Menschen bekannt und geübt worden, die Freimaurerei wirkte niemals auf das Volksleben wesentlich gestaltend ein. Einzelne Philosophen oder auch religiöse Sekten mögen zwar der Freimaurerei Verwandtes gelehrt haben, aber es war eben nur Philosophie oder Geheimlehre, womit das Verhältniss hinreichend charakterisirt ist.

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Das Christenthum konnte nicht von den Völkern angenommen werden, ohne auf das Völkerrecht die tiefsten

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[294/0310] darf behauptet werden, dass es in dem Alterthume ein Völkerrecht, einen Völkerverkehr nicht gegeben habe. Die Staaten im Ganzen standen sich feindlich, erobernd, und unterjochend entgegen, und der Fremde galt als Feind, war rechtlos; dennoch aber finden sich auch Spuren der Anerkennung eines Völker- und Menschenrechtes. Die Gastfreundschaft gegen den Fremden war im Alterthume wie noch jetzt bei wilden Völkern geheiligt und die Gebräuche, mit denen im Alterthume die Gastfreundschaft verliehen und zugesichert wurde, z. B. durch einen Handschlag, einen Kuss, einen dargereichten Trunk, haben vielleicht bis auf unsere Tage sich erhalten, lassen sich vielleicht in einzelnen Gebräuchen der Freimaurerei noch erkennen. In Griechenland standen fremde und besonders flüchtige, flehende Gäste unter dem Schutze und Recht des _ , und den Feind, der wehrlos um Gnade flehte, durfte man nicht umbringen, sondern musste man gefangen nehmen, bis er sich lösen konnte oder ausgewechselt wurde. Diese Pflicht, den wehrlos Flehenden zu schonen ist unzweifelhaft in einen bestimmten Gebrauch der Freimaurerei (das maurerische Nothzeichen) übergegangen. Auch die Gesandten, Herolde waren als unverletzlich anerkannt und die abgeschlossenen Völkerverträge sollten gehalten werden. In Rom gab es einen eigenen Prätor peregrinus, um zwischen den Nichtrömern und den Römern Recht zu sprechen (inter cives et peregrinos jus dicebat). In ähnlicher Weise, wie das Völkerrecht dem Alterthume unbekannt gewesen, war es gewiss auch die Freimaurerei, d. h. ihre Grundsätze waren niemals von einer grösseren Anzahl Menschen bekannt und geübt worden, die Freimaurerei wirkte niemals auf das Volksleben wesentlich gestaltend ein. Einzelne Philosophen oder auch religiöse Sekten mögen zwar der Freimaurerei Verwandtes gelehrt haben, aber es war eben nur Philosophie oder Geheimlehre, womit das Verhältniss hinreichend charakterisirt ist. 2. Das Mittelalter. Das Christenthum konnte nicht von den Völkern angenommen werden, ohne auf das Völkerrecht die tiefsten

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/310>, abgerufen am 19.04.2024.